So feierten Gläubige das orthodoxe Ostern im vergangenen Jahr: Eine Messe am 1. Mai in der Christ-Erlöser-Kathedrale in Moskau. / Reuters
Dass man Ostern unbedingt in Russland feiern müsse, weil dieser Tag nirgendwo auf der Welt so gefeiert werde wie hier, schrieb bereits der von den Russen verehrte Italien-Fan Nikolai Gogol. Diese Aussage erklärte er mit dem russischen Fokus auf die Überwindung des Todes, weshalb die gesamte russische Kultur im Vergleich zur weihnachtlichen Kultur des Westens eher österlich sei.
Ostern ist in der Tat der wichtigste Feiertag der Christen in Russland. An diesem Tag oder besser gesagt bei der nächtlichen Prozession werden orthodoxe Kirchen selbst von denjenigen besucht, die sonst gar nicht mehr kommen oder ihre Beziehung zu Gott nicht ganz verstehen.
Viele Russen glauben, dass das Osterfest für Katholiken nicht so wichtig sei und sie nur das Weihnachtsfest und die Gottesmutter verehren würden. In Wirklichkeit sind die Unterschiede bei der Feier des Osterfestes nicht gravierend.
Das Wichtigste am Osterfest in Russland und im Westen ist der Glaube an die Auferstehung Jesu Christi. Das verbindet Orthodoxe, Katholiken und Protestanten. Die Auferstehung gilt unabhängig von der Art und Weise, wie Ostern gefeiert wird, als das wichtigste Ereignis im Evangelium. Das ist die Hoffnung, dass mit der Auferstehung Jesu auch der Glaube an ihn aufersteht. Und in jedem Land freuen sich die Christen auf ihre eigene Weise.
Papst Franziskus am Palmsonntag im Vatikan am 9. April 2017. / Reuters
Vor allem die Kalenderfrage spaltet westliche und orthodoxe Christen. Der julianische Kalender, der im ersten Jahrhundert vor Christus eingeführt wurde, hat in Russland Geltung, im Westen dagegen gilt der gregorianische, der von Papst Georg XIII. im 16. Jahrhundert eingeführt wurde. Die Kalender liegen 13 Tage auseinander, bis zum Jahr 2100 werden es 14 Tage sein.
Seit dem vierten Jahrhundert gilt die Regel, dass Ostern am ersten Sonntag nach dem ersten Vollmond nach Frühlingsbeginn am 21. März gefeiert wird. Orthodoxe zählen den ersten Vollmond nach dem 21. März nach dem julianischen Kalender, die Katholiken nach dem gregorianischen. Das schwierige dabei ist, dass der Vollmond nach dem 21. März manchmal an verschiedenen Tagen auftritt. Nur in einem Drittel der Fälle fällt das Osterfest bei Katholiken und Orthodoxen auf denselben Tag.
Unabhängig vom Datum sprechen sich der Papst und der Patriarch von Moskau gegenseitig immer Glückwünsche aus. Und jedes Mal, wenn das Osterfest wie in diesem Jahr auf denselben Tag fällt, kommt es zu brüderlichen Gefühlen zwischen den Christen, die sich an die Einheit des Evangeliums erinnern.
Mit Ausnahme der lutherischen Kirche feiern die meisten Protestanten in Russland das Osterfest nach dem julianischen Kalender zusammen mit der russisch-orthodoxen Kirche. Orthodoxe Kirchen in Amerika oder Griechenland halten sich an den neuen Kalender und feiern deshalb mit den Katholiken. Das Datum des Osterfestes berechnen sie jedoch nach dem julianischen Kalender. In Russland hält sich die Kirche streng an den julianischen Kalender, da der „neue Stil“ für Empörung unter Konservativen sorgen könnte.
Dieses Fest ist ohne russisches Osterbrot, genannt Kulitsch, und gefärbte Eier nicht vorstellbar. Die Eier werden traditionell mit Zwiebelschalen oder Roter Bete gefärbt. / Konstantin Chalabov/RIA Novosti
Für Orthodoxe ist Ostern ein sehr emotionaler Feiertag. Nach den Gottesdiensten in der Woche vor Ostern und der strengen Fastenzeit hält der Priester nach der Prozession und den Gebeten an der Straße vor den verschlossenen Türen der Kirche inne. Das Öffnen der Türen steht symbolisch für das Öffnen der Türen des Heiligen Grabes und verkündet allen, dass Christus auferstanden ist. Während des gesamten Gottesdienstes tauschen der Priester und Gläubige folgenden Gruß aus: „Christus ist auferstanden!“ – „Wahrhaft auferstanden!“. Das sieht sehr beeindruckend aus.
In der Nacht fallen fröhliche Ausrufe der versammelten Menge. In der Regel sind die Bäume zu dieser Zeit noch ohne Blätter. Der russische Dichter Alexander Puschkin schrieb, dass er es geliebt habe, am Ostersonntag in die Kirche zu gehen: Denn dort vernehme er die Stimme des russischen Volkes.
Schokohasen - für viele das Symbol des westlichen Osterfestes - können mittlerweile auch in Moskau gekauft werden. / Reuters
Im Westen sind Schokoladeneier und Osterhasen beliebt. In Russland werden normale Eier gefärbt und Osterbrot, genannt Kulitsch, gebacken. Traditionell wird aus Quark, Rosinen und Gewürzen eine Oster-Pyramide zubereitet. Sie ist das Symbol des Grabs Jesu.
Die Osterspiele in Russland sind vergleichbar mit den europäischen. Das Ostereierschieben war eine Zeit lang eine gemeinsame Tradition in Russland und Deutschland, aber auch in den USA wird dieses Spiel auf der Wiese vor dem Weißen Haus gespielt. In Russland kommt es jüngst wieder zur Auferstehung dieser Tradition. In den Geschäften werden für das Rollen der Eier Strecken verkauft. Man kann etwas gewinnen, wenn das Ei ankommt und ein anderes trifft. Häufig gibt es Eier-Duelle, bei denen man mit den Eiern anstößt und dann schaut, welches von beiden zu Bruch gegangen ist. Hausfrauen tauschen untereinander Eier, in der Hoffnung, am Ende die schönsten zu haben. Schon Zar Nikolaus II. verschenkte Eier zu Ostern – doch seine waren die berühmten Kostbarkeiten von Fabergé.
Nach der siebenwöchigen Fastenzeit steht auf dem Ostertisch eine Vielfalt von Fleischgerichten. Ein besonderes Gericht zu Ostern gibt es dabei aber nicht.
Ein Besuch auf dem Friedhof gehört für viele Russen seit Jahren zu Ostern einfach dazu. / Georgiy Kurolesin/RIA Novosti
Und auch eine traurige Seite haben die Osterfeierlichkeiten. Am Ostersonntag gehen viele auf den Friedhof, um sich an verstorbene Verwandte zu erinnern. Sie essen Eier und Osterkuchen und trinken Alkohol. Eine Tradition, die in der Kirche als halbheidnisch gilt.
Der Autor ist Leiter des Zentrums für Religion und Gesellschaft am Europa-Institut der Russischen Akademie der Wissenschaften.
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