Was sieht ein blinder Fotograf?

Alexander hat 98 Prozent seiner Sehkraft eingebüßt, als er elf war. Seitdem sieht er nur Farben, Umrisse, Licht und Schatten.

Alexander hat 98 Prozent seiner Sehkraft eingebüßt, als er elf war. Seitdem sieht er nur Farben, Umrisse, Licht und Schatten.

Egor Kas
Kann man nur aus dem Raumgefühl heraus fotografieren, ohne sich auf die eigene Sehkraft zu verlassen? Der russische Fotograf Alexander Schurawljow beweist, dass das geht. Er muss ein Objekt nicht von außen sehen – er inszeniert es vor seinem inneren Auge.
„Ich sehe Formen. Vielleicht nicht mehr so scharf wie früher. Aber ich stelle sie in meinem Kopf schärfer. Ich versuche, die Perspektive aus dem Inneren zu fühlen“, sagt der erblindete Fotograf.
Nachdem er sein Augenlicht fast völlig verloren hatte, wurden sein Gehör, der Tastsinn, die Geschmacks- und Geruchsnerven, die Intuition schärfer. Jetzt sind sie seine wichtigsten Tools.
„Da ich früher die hundertprozentige Sehkraft hatte, kann ich diese Sicht beim Fotografieren in die Gegenwart übertragen“, sagt Alexander. „Manchmal vergesse ich, dass ich blind bin. Diese Sicht der Ganzheitlichkeit erlaubt es mir, Bilder zu machen.“
Alexanders Freunde helfen ihm, die spannendsten Aufnahmen auszusuchen. Er mag das Gefühl dafür, was seine Bilder bei anderen Menschen auslösen.
Alexander reist viel, in Russland und im Ausland. Durch die vielen Reisen kam der Entschluss, mit dem Fotografieren anzufangen.
„Anfangs hielt ich die Eindrücke in meinem Inneren fest. Mit der Zeit wollte ich auch andere daran teilhaben lassen. Ich wollte zeigen, dass man seinen Blick auf viele Dinge erweitern kann“, so der Fotograf.
Sich zu überwinden, war nicht leicht. Schritt für Schritt überwand er seine Angst, ging auf immer längere Reisen in die Ferne.
Seine Message heute: Habt keine Angst, etwas zu versuchen, sich neu zu erfinden.
„In der Welt, in der wir leben, kann es häufig angsteinflößend und schwierig werden. Die Welt ist gar nicht so einfach. Diese Angst sitzt im Inneren, sie hält Menschen fest und davon ab, sich weiterzuentwickeln. Es gibt viele gesunde Menschen, die einfach Angst haben. Aber die Furcht überwindet man nur durchs Probieren“, sagt Alexander.
Irgendwann war Alexander klar, dass er den Menschen trotz seiner Einbuße die Schönheit der Welt zeigen, sie inspirieren und ermutigen kann. Das ist heute die wichtigste Aufgabe seines Schaffens.
Er will „diesen Weg weitergehen, das Licht bringen, Furchtlos bleiben“, verspricht Alexander.

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