Die Schlacht um Stalingrad zwischen der Roten Armee und der deutschen Wehrmacht statt war das Wendepunkt des Zweiten Weltkriegs. Foto: RIA Novosti
Valentina Matwijenko, Vorsitzende des russischen Oberhauses, sagt gegenüber der Zeitung „Iswestija": „Die Welt kennt die Schlacht von Stalingrad als Kriegswende. Aber nicht alle wissen, dass es in Paris eine Metro-Station mit diesem Namen gibt. Über eine Umbenennung müssen aber die Bürger befragt werden. In dieser Frage spricht viel dafür und viel dagegen." Wahlkommissions-Chef Wladimir Tschurow haut in die gleiche Kerbe: Er würde ebenfalls ein Referendum durchführen, wenn eine entsprechende Entscheidung gefällt werden würde. Vize-Premier Dmitri Rogosin twittert unzweideutig: „Ich habe nie einen Hehl aus meiner Sympathie für diesen Schritt gemacht, auch vom Standpunkt von Wirtschaft und Investitionen her."
Befürworter in den höchsten Kreisen der Macht
Rogosin gehörte 2003 zu den Duma-Abgeordneten, die die Frage der Rückbenennung auf die Tagesordnung gebracht hatten. Im russischen Parlament war sie damals auf mehrheitliche Ablehnung gestoßen.
Vor gut zehn Jahren war im Zusammenhang mit den Feiern zum 60. Jahrestag des Sieges eine Diskussion um den Namen der Wolga-Metropole entbrannt. Die Ablehnung in der russischen Gesellschaft war eindeutig gewesen. Auch Wladimir Putin, der damals seine erste Amtszeit im Kreml absolvierte, hatte sich dagegen ausgesprochen. Und eine Bürgerbefragung in Wolgograd hatte ebenfalls nur wenige Anhänger der Idee gefunden.
Inzwischen scheint sich die Stimmung zumindest teilweise gedreht zu haben. In den Reihen der Machtpartei „Einiges Russland" und unter den Kommunisten der KPRF gibt es viele Anhänger der Idee; beim „Gerechten Russland" und der rechtsliberalen LDPR stößt sie auf wenig Gegenliebe.
Kommunisten-Führer Gennadi Sjuganow erinnert daran, dass „in Stalingrad vor 70 Jahren das Schicksal der Welt entschieden wurde". Er sagt, seine Partei habe „100.000 Unterschriften dafür (die Umbenennung) gesammelt." Wladimir Schirinowski, Parteichef der LDPR, spricht sich nicht gegen den Namen „Stalingrad" aus, aber gegen die Person Joseph Stalin: „Stalin hat so viele Verbrechen begangen. Bei uns sind vor dem Krieg 20 Millionen Menschen ums Leben gekommen und danach noch einmal 20 Millionen."
Politisches Trolling und Spiel
Für den Historiker Alexander Archangelski ist die Diskussion um Stalingrad nicht mehr als „politisches Trolling": „Wir benennen ja auch St. Petersburg nicht in Leningrad um, obwohl es dort die Leningrader Blockade gegeben hat", erinnert er. Fernsehhistoriker Eduard Radsinski spricht von „Patrioten-Spielchen": „Diese Stalinisierungs-Spiele interessieren mich keinen Deut." Er rät den Beteiligten, sich auf wichtigere Dinge zu konzentrieren. Aus dem Kreml sind bisher keine Kommentare zu hören.
Die 1589 gegründete Stadt an der Wolga trug bis 1925 den Namen Zarizyn, was mit der „Zarin" aber nichts zu tun hat, sondern im Tatarischen „goldener Sand" oder „gelbes Wasser" bedeutet haben könnte.
1925 war Stalin bereits auf dem Weg zur absoluten Macht. Im Bürgerkrieg war er in Zarizyn Kommissar der Roten Armee gewesen, deshalb bekam die Stadt nun seinen Namen. Im zweiten Weltkrieg fand hier eine erbitterte Schlacht zwischen der Roten Armee und der deutschen Wehrmacht statt, die zum Wendepunkt des Zweiten Weltkriegs wurde.
Am 2. Februar wurde in Wolgograd der 70. Jahrestag des Sieges in dieser Schlacht begangen. Zuvor hatte das Stadtparlament erlassen, an sechs militärischen Gedenktagen im Jahr Wolgograd „offiziell als Stalingrad zu bezeichnen".
Dieser Beitrag erschien zuerst bei Russland Aktuell.
Alle Rechte vorbehalten. Rossijskaja Gaseta, Moskau, Russland
Abonnieren Sie
unseren kostenlosen Newsletter!
Erhalten Sie die besten Geschichten der Woche direkt in Ihren Posteingang!