Tschechiens Neustart

Der neue tschechische Präsident Miloš Zeman ist pragmatisch gegenüber Russlan eingestellt, meinen die Experte. Foto: Reuters

Der neue tschechische Präsident Miloš Zeman ist pragmatisch gegenüber Russlan eingestellt, meinen die Experte. Foto: Reuters

Die Wahl des früheren Premiers Miloš Zeman zum tschechischen Präsidenten wird das Land fester in die Europäische Union einbinden. Experten schätzen, dass die tschechisch-russischen Beziehungen pragmatischer werden.

Tschechiens erster direkt gewählter Präsident Miloš Zeman strebt eine Annäherung an Russland auf dem Wege einer wirtschaftlichen Zusammenarbeit an. Unter seiner Ägide stehen die Zeichen auch auf mehr Integration in die Europäische Union, glauben die von Russland HEUTE befragten Experten.

Am 26. Januar setzte sich Zeman in einer Stichwahl mit etwa 55 Prozent der Stimmen gegen seinen Herausforderer, den amtierenden Außenminister aus dem bürgerlich-konservativen Lager Karel Schwarzenberg, durch.

Für die russische Politik sei das Wahlergebnis eine Erleichterung, meint Fjodor Lukjanow, Vorsitzender des Präsidiums des russischen Rates für Außen- und Verteidigungspolitik. „Karel Schwarzenberg als Präsident hätte eine harte Linie Tschechiens nicht nur gegenüber Russland, sondern auch gegenüber der Ukraine bedeutet, denn Schwarzenberg hatte sich als Politiker mit einer kompromisslosen Haltung gegenüber diesen Ländern präsentiert. Eine Präsidentschaft Schwarzenbergs wäre in mancher Hinsicht der Präsidentschaft Vaclav Havels ähnlich gewesen", sagte Lukjanow in einem Gespräch mit Russland HEUTE.

Die Einschätzung Lukjanows deckt sich mit den politischen Prognosen von Experten aus Europa. „Miloš Zeman ist bestimmt pragmatischer gegenüber Russland eingestellt als Karel Schwarzenberg, der ein außenpolitischer ‚Westler' ist. Die tschechische Linke war zumeist offen gegenüber einer Kooperation mit Russland", so Kai-Olaf Lang, Leiter der Forschungsgruppe EU-Integration bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). „Überdies gibt es im Umfeld von Zeman enge wirtschaftliche Kontakte mit russischen Firmen. Als Präsident dürfte Zeman gegenüber Russland wohl eher eine Politik des Wandels mittels Kooperation verfolgen."

Zeman verfügt über einige Kontakte zum russischen Ölkonzern Lukoil. Einer seiner engsten Berater, der Lobbyist Miroslav Šlouf, hatte jahrelang für den russischen Ölkonzern gearbeitet. Der Kandidat wurde zudem in seinem Wahlkampf von der Leiterin des tschechischen Lukoil-Büros Martin Nejedlý unterstützt. Obwohl Zeman versicherte, dass es sich dabei um eine private Spende gehandelt hätte, warfen seine politischen Gegner ihm vor, er habe sich von der russischen Wirtschaft finanzieren lassen.

Kai-Olaf Lang meint dementgegen, es sei „die Regierung, die Wirtschafts- oder Energiepolitik realisiert, nicht der Präsident". Unternehmen und Geschäftsleute wiederum füllten die Wirtschaftsbeziehungen aus. Zeman habe durchaus die Möglichkeit, „wirtschaftliche Interessen und Kooperationen zu unterstützen".

Politikwissenschaftler sind sich insgesamt darin einig, dass die Beziehungen zwischen Tschechien und Russland nach der Wahl Miloš Zemans pragmatischer und vor allem von beiderseitigen wirtschaftlichen Interessen geprägt sein werden. Tschechiens Energiebilanz, die auf dem Import von Erdöl und Erdgas einerseits sowie der Entwicklung der Kernenergie andererseits beruht, könnte ein wichtiger Bestandteil dieser Zusammenarbeit sein.

Prag gehört zwar nicht zu den politischen und wirtschaftlichen Schwergewichten Ostmitteleuropas, dennoch sind gute Beziehungen zu Tschechien für Russland von großer Bedeutung.

Lukjanow zufolge sei Tschechien ein Land, dem sich die russische Wirtschaft und die russische Politik in besonderer Weise bis heute verbunden fühlen. Seit Anfang der 1990er-Jahre investierten russische Unternehmer bevorzugt in tschechische Immobilien. Vom Beitritt Tschechiens zur Europäischen Union und danach zum Schengener Abkommen erhofften sie sich wirtschaftliche Vorteile. Aber auch große russische Konzerne – vom Mineralölkonzern Lukoil bis zum Nowolipezker Metallurgischen Kombinat – hielten sich mit Investitionen nicht zurück, wie auch eine große Zahl kleiner und mittlerer Unternehmen. „Sehr viele Russen leben dort entweder ständig oder zeitweilig", ergänzte Lukjanow.

Nach der Wahl Zemans zum tschechischen Präsidenten erwartet man einen „Neustart" in den Beziehungen nicht nur zu Russland, sondern auch zur Europäischen Union. Wie Werner Böhler, der Leiter des Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Prag, es ausdrückt, hatte „Karel Schwarzenberg vor allem den Anspruch, europäische Werte zu vertreten"; dagegen verfolge der designierte Präsident Miloš Zeman „eher einen pragmatischen Kurs in Bezug auf Europa."

„Zeman sprach sich für die Beteiligung seines Landes am Fiskalpakt aus und forderte eine gemeinsame europäische Verteidigungspolitik. Beobachter erwarten insgesamt eine aktivere Beteiligung Tschechiens an der Weiterentwicklung der Europäischen Union", so Böhler.

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