Russland grenzt an Nordkorea

Nordkorea-Staatschef Kim Jong-un bespricht militärische Pläne mit dem Militärkommando.  Foto: Reuters

Nordkorea-Staatschef Kim Jong-un bespricht militärische Pläne mit dem Militärkommando. Foto: Reuters

Pjöngjang hat den Kriegszustand mit Südkorea erklärt. Experten werten dies als Reaktion auf die gemeinsamen Manöver der USA und Südkoreas vor der nordkoreanischen Grenze und hoffen, dass es nicht zu einem bewaffneten Konflikt kommt. Russland, das sich eine Landesgrenze mit Nordkorea teilt, beobachtet die Lage mit großer Sorge.

Die Lage auf der koreanischen Halbinsel hat sich in der Nacht auf den 30. März 2013 weiter zugespitzt. Nach Meldungen westlicher Nachrichtenagenturen hat Nordkorea den Kriegszustand mit Südkorea

erklärt. Die nordkoreanische Regierung kündigte an, auf Provokationen aus Washington und Seoul entsprechend reagieren zu wollen. Atomare Gegenschläge schloss sie nicht aus.

 

Experten betonen, die Lage sei politisch brisant, deute aber nicht auf den tatsächlichen Beginn eines bewaffneten Konflikts hin. Alexander Woronzow, Leiter der Abteilung Korea und Mongolei im Institut für Orientalistik der Russischen Akademie der Wissenschaften (RAW), erläutert: „Ich werte diese Erklärung nicht als unmittelbare Kriegserklärung und Beginn von Kampfhandlungen. Sie signalisiert lediglich, dass Pjöngjang den Zustand der Waffenruhe nicht länger akzeptiert. Das ist noch keine unmittelbare Ankündigung von Kampfhandlungen, wohl aber eine Demonstration von Entschlossenheit, auf Provokationen entsprechend zu reagieren."

 

Neuer Korea-Krieg bedroht Russland

Dennoch, so der Experte, habe die Rhetorik der Erklärungen eine neue Qualität erreicht. Zuletzt sei es zu einer vergleichbaren Spannung und Konfrontation in den 1960er-Jahren gekommen, als Nordkorea auf seinen Territorialgewässern ein US-amerikanisches Schiff kaperte. Damals konnte der Konflikt diplomatisch gelöst werden, allerdings brauchte man dazu ein ganzes Jahr, erinnert sich der Orientalistik-Experte von der RAW. Der Worst Case wäre der Ausbruch eines tatsächlichen Krieges, der nach ganz unvorhersehbaren Szenarien verlaufen könnte. „Es gibt keine Garantie dafür, dass die Situation nicht noch vollkommen eskaliert", so Woronzow weiter. Eine solche Entwicklung würde außerdem die 17 Kilometer lange nordkoreanisch-russische Landesgrenze bedrohen.

Dieses Negativszenario hätte auch empfindliche Folgen für die russischen Küstengebiete. Die 30 Atomreaktoren im Norden und Süden der Demokratischen Volksrepublik Korea bergen die Gefahr einer ökologischen Katastrophe, deren Dimension Woronzow zufolge „zehn Tschernobyls und Fukushimas" annehmen könnte. Es bestehe die Gefahr, dass die Menschen massenhaft nach China flüchteten, von dort aber auch weiter nach Russland drängten. „Ich hoffe, dass der gesunde Menschenverstand wieder die Oberhand gewinnt, und Nordkorea keine Pläne für einen Angriff schmiedet, wenngleich es zu einem Präventivschlag berechtigt wäre. In Seoul und Washington ist man sich seiner Verantwortung um die Situation bewusst. Es bleibt zu hoffen, dass sie nicht bis zum Äußersten gehen", so Woronzow weiter.

Russland, das mehrfach als Vermittler im Koreakonflikt aufgetreten ist, hält an einer diplomatischen Lösung fest. Eine übermäßige Militärpräsenz an den Grenzen zu Nordkorea wäre einem diplomatischen Dialog keinesfalls förderlich. „Es besteht aber kein Anlass zur Sorge über die Sicherheit unserer eigenen Grenze. Russland muss einen Mittelweg finden und korrekt sowie ausgewogen handeln", so die Einschätzung des Experten.

Der Leiter des Zentrums für politische Konjunktur Alexej Tschesnakow sagt, die kommenden Tage werden zeigen, ob eine Zuspitzung des Konflikts mit potenziell katastrophalen Folgen zu befürchten sei oder ob Nordkorea sich aus der Lage herausmanövriere. „In jedem Fall werden wir die Lösung des Problems nicht ein weiteres Mal vertagen können. Verantwortlich für die Koreafrage sind nicht nur die beiden unmittelbar involvierten Länder, sondern alle Staaten, die an den sechsseitigen Verhandlungen beteiligt sind", so der Experte. Russland wiederum solle sich rechtzeitig in den Prozess der Deeskalation einbringen, meint Tschesnakow weiter.

 

Nordkoreas Botschaft an die USA

Der Vorsitzende des Duma-Ausschusses für internationale Angelegenheiten Alexej Puschkow versteht die Aktionen Nordkoreas als Reaktion auf die kürzlich abgehaltenen Manöver der USA und Südkoreas vor der nordkoreanischen Grenze. Die Äußerungen Pjöngjangs sieht Puschkow in erster Linie als Botschaft an die USA.

„Nordkorea hat aus dem Irakkrieg gelernt, in dem Saddam Hussein zu einem Militärschlag auf feindliches Gebiet nicht bereit war. Mit seiner Drohung an die USA, der US-amerikanischen Militärstützpunkte und deren Verbündete spricht Nordkorea nun eine deutliche Warnung aus. Es wird nicht erdulden, was der Irak mit sich hat geschehen lassen. Die Botschaft lautet: Lasst uns in Ruhe oder wir garantieren für nichts. Und das Potenzial für einen Gegenschlag ist gegeben", schätzt der Parlamentarier im Gespräch mit Russland HEUTE. Auch wenn man von Hysterie sprechen könne, habe Nordkorea erreicht, was es wollte: Die USA nehmen ihre Erklärung ernst, meint Puschkow. Amerika werde die Position Pjöngjangs in Zukunft bei der Planung weiterer Schritte berücksichtigen.

„Russland beobachtet die Situation mit großer Sorge. Es ist eine Sache, ein Signal zu setzen und politischen Druck auszuüben. Einen Konflikt mit militärischen Mitteln zu lösen, ist aber inakzeptabel und unzulässig", erklärt der Vorsitzende des Duma-Ausschusses für internationale Angelegenheiten.

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