Beresowski versuchte, die Funktionen eines Spin Doctors in einer Hand zu konzentrieren. Er hat jedoch das Spiel, das er sich selbst ausgedacht und gespielt hat, verloren. Foto: Reuters
Boris Beresowski war ein Spieler und Manipulator, der sich an Einflussnahme, Netzwerken und den verschiedenen Rollen, die er innehatte und die ihm zugeschrieben wurden, ergötzte. Er wurde zum Prototypen eines Buch- oder Filmhelden und mal mit Faust, mal mit Frankenstein verglichen. Am Ende verwandelte er sich in den unglücklichen König Lear. Der Schachspieler hatte seine eigene Endspieltaktik nicht gut genug durchdacht.
Doch sein Nachlass ist absolut real. Und Beresowski hat dies erkannt. Ein Jahr vor seinem Tod, am russischen „Sonntag des Verzeihens", postete er
auf Face book eine Beichte, in der er jene Besonderheiten seines Nachlasses ansprach: Er bereue, dass er zu einem der Urheber informeller Regeln in der postsowjetischen Politik und Geschäftswelt geworden sei. Wie die meisten Oligarchen der ersten Welle trieb er die Herausbildung allgemeingültiger Spielregeln voran, die den Schutz der Menschen- und Eigentumsrechte in Abhängigkeit zu allmächtigen Führungspersonen stellten. In den 90ern war er selbst eine solche Führungsperson,später führte eben diese Technik zu seinem Niedergang: Die Sichtweise politischer und geschäftlicher Prozesse als Schaltkreise, bedient von einem „Meister", überlebte zwar die 90er-Jahre, wurde Beresowski aber zum Verhängnis.
Für ihn war Politik ein Geschäft, in dem die Player und das Resultat käuflich waren. Geschäfte waren für ihn Mittel zur Gelderzeugung, die wiederum für gezielte Einflussnahme nötig war. Das Ausmaß an Beresowskis Einfluss wird allerdings oft überschätzt. Sein großes Selbstvertrauen führte bereits in den 90ern zu Niederlagen. Er scheiterte damit, 1997 den Einzug von Boris Nemzow und Sergej Kirijenko in die Regierung zu verhindern, er unterlag bei der Privatisierung des Telekomriesen Swjasinwest, und er versuchte vergeblich, Wiktor Tschernomyrdin nach dem Finanzkollaps 1998 wieder auf den Sessel des Premiers zu hieven.
Auch überschätzte er seine Rolle bei der Auswahl des Jelzin-Nachfolgers, bei der Gründung des Parteienbündnisses Jedinstwo (später Einiges Russland); er hatte beschlossen, dass die Ereignisse nach seinem Drehbuch abzulaufen hatten. Er hielt sich weiterhin für einen Strippenzieher und bemerkte nicht, dass sich die durch seine finanzielle Hilfe und mediale Unterstützung siegreichen „Marionetten" zwangsläufig aus seiner
Bevormundung herauslösen und seine Waffen gegen ihn selbst richten würden.
Er versuchte, die Funktionen eines Spin Doctors – eines in der Öffentlichkeit stehenden Politikers mit ungeheuren Befugnissen, eines Mannes, der die Schicksale von Ministern und Gouverneuren lenkt sowie eines Verfügungsberechtigten über Haushaltsmittel – in einer Hand zu konzentrieren. Die Ironie besteht darin, dass Beresowski, der seinem eigenen Prinzip treu blieb, keinerlei Prinzipien zu dulden und sich statt auf Regeln nur auf persönliche Kontakte zu verlassen, schlechte Vorsorge für seine eigene finanzielle Situation getroffen hat – ganz im Gegensatz zu seinen Mitstreitern, die er für seine Anhänger und Freunde hielt. Er hat das Spiel, das er sich selbst ausgedacht und gespielt hat, verloren.
1946. Boris Beresowski wird in Moskau geboren. Die Mutter ist Laborantin, der Vater Ingenieur. Beresowski studiert Elektrotechnik und mathematische Mechanik. Zwischen 1975 und 1989 arbeitet er als Wissenschaftler im Institut für Steuerungsprobleme der Akademie der Wissenschaften. Erste Kontakte zum Autoriesen AwtoWAZ.
1989. Beresowski gründet den Autohändler LogoWAZ, der innerhalb von vier Jahren zu einem der wichtigsten Unternehmen Russlands wird. 1993. LogoWAZ schließt einen Vertrag mit der Daimler AG und eröffnet eine Devisenstelle für Wartungsarbeiten an Mercedes-Fahrzeugen. Beresowski wird in die Familie Jelzin eingeführt.
1994. Bombenattentat auf Beresowski im Zentrum Moskaus. Beresowskis Fahrer wird durch die Explosion getötet, er selbst und sein Leibwächter werden verletzt.
1995. Der Geschäftsmann beteiligt sich an dem Sender ORT (heute 1. Kanal) und tritt in den Aufsichtsrat ein. Beresowski gründet mit Roman Abramowitsch das Ölunternehmen Sibneft.
1996. Beresowski vereint die wichtigsten Wirtschaftsbosse und verhilft mit deren finanzieller und medialer Unterstützung dem höchst unpopulären Jelzin zur Wiederwahl. Nach der Wahl dankt Jelzin ihm „für die aktive Beteiligung bei der Organisation und Durchführung der Wahlkampagne“. Er ernennt Beresowski zum stellvertretenden Sekretär des Russischen Sicherheitsrats. Beresowski kauft den Fernsehsender TW-6 und das Verlagshaus Kommersant. Im Dezember zieht er als parteiloser Abgeordneter in die Duma ein.
2000. Beresowski gibt seinen Abgeordnetensitz vorzeitig ab und erklärt, er wolle sich nicht „am Verfall Russlands und der Etablierung eines autoritären Machtsystems beteiligen“. Er übergibt die ORT-Aktien an einen Miteigentümer, verkauft seinen Anteil an Sibneft für 1,3 Milliarden Dollar an Abramowitsch und verlässt Russland.
2003. Großbritannien gewährt Beresowskij politisches Asyl.
2005. In den Medien tauchen Informationen auf, der Oligarch habe die „orange Revolution“ in der Ukraine mit 15 Milliarden Dollar gesponsert. Beresowski verkauft den Kommersant.
2007. Ein Moskauer Gericht verurteilt ihn wegen Unterschlagung von 215 Millionen Rubel der Fluggesellschaft Aeroflot in Abwesenheit zu sechs Jahren Haft.
2012. In London verliert Beresowski den „Jahrhundertprozess“ gegen Abramowitsch. Er hatte 5,6 Milliarden Dollar gefordert, konnte das Gericht jedoch nicht davon überzeugen, dass ihm Anteile von Sibneft und Rusal gehören. Die Richterin bezeichnet seine Aussagen als „widersprüchlich und nicht vertrauenswürdig“ im Gegensatz zu den „genauen und detaillierten“ Antworten von Abramowitsch.
2013. Boris Beresowski stirbt am 23. März in seinem Haus in der Nähe der englischen Ortschaft Ascot.
Dieser Beitrag erschien zuerst bei Vedomosti.ru
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