Angela Merkel und Wladimir Putin während des Treffens in Moskau am 16. November 2012. Foto: Reuters/Vostock Photo
Das Treffen zwischen der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin am 7. April in Hannover wird für beide Seiten nicht leicht. Unangenehme Themen, wie die Menschenrechtsproblematik in Russland oder die Aussichtlosigkeit der Finanzkrise auf Zypern werden die deutsch-russischen Gespräche bestimmen, vermuten Experten.
Ursprünglich sollte die Hannover-Messe eine schöne Kulisse für die Reise von Wladimir Putin nach Deutschland und dann weiter in die Niederlande
Durchsuchungen deutscher NGOs: "Es ist reine Willkür"
darstellen. In diesem Jahr kommen insgesamt 160 Aussteller aus Russland nach Niedersachsen – mehr als jemals zuvor. Die Russische Föderation ist das offizielle Partnerland der weltweit bedeutendsten Industriemesse. Es werden eine ganze Reihe von Vertragsunterzeichnungen erwartet. Unter anderem ein Abkommen in Milliardenhöhe zwischen dem russischen Maschinenbaufirma „Uralwagonzawod" und dem kanadischen Anbieter für Schienenverkehrstechnik „Bombardier Transportation". Das High-Tech-Unternehmen soll Niederflurstraßenbahnen für Russland bauen. Und das ist bei weitem noch nicht alles. Dutzende Balletttänzerinnen des staatlichen Mariinski-Theaters in St.Petersburg sollten Medienberichten nach extra nach Hannover reisen, um vor der Eröffnungsrede des russischen Präsidenten eine Tanzaufführung darzubieten, welche die „industrielle Integration der Länder der Welt" künstlerisch darstellt.
Diese intensiven Vorbereitungen werden ihr Ziel wahrscheinlich verfehlen. Wladimir Putin kommt zu einer sehr ungünstigen Zeit nach Deutschland. Vor wenigen Tagen durchsuchten Staatsanwaltschaft und Polizei in mehreren russischen Städten diverse NGOs – der offiziellen Erklärung nach, um die Richtigkeit der bei der Anmeldung angegebenen Informationen zu überprüfen.
Unter anderem stellten auch die Repräsentanzen deutscher parteinaher Stiftungen Ziele dieser Razzien dar. Ein Schlag ins Gesicht der deutsch-russischen Beziehungen, findet der Leiter des Moskauer Büros der Heinrich-Böll-Stiftung Jens Siegert. „In Verbindung mit dem Erscheinen der Staatsanwaltschaft in zwei Büros deutscher politiknaher Stiftungen in Russland und der Beschlagnahme der Computer des Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung in St. Petersburg, wurden sie (die Razzien, Anm. d. R.) zu einem zwischenstaatlichen Problem. Übergriffe auf die politiknahen Stiftungen können von keiner Bundesregierung ignoriert werden. Hinzu kommt, dass sich die lange Zeit eher positive Meinung der deutschen Öffentlichkeit gegenüber Präsident Putin im vorigen Jahr gewandelt hat. Mir scheint, dass der Prozess gegen die russische Punkrock-Band Pussy Riot sowie die homophone Gesetzgebung in Russland, wenn nicht der Grund so doch ein Katalysator dafür waren", sagte Jens Siegert gegenüber Russland HEUTE.
Die Untersuchungen in den Büros deutscher Stiftungen – und insbesondere die Art und Weise dieser Aktionen – markierten ein Wendepunkt der eher zurückgehaltene Politik Angela Merkels gegenüber Russland, behauptet der Russland-Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik, Professor Hans-Henning Schröder: „Es handelt sich, wie man oft lesen kann, nicht um ‚Razzien' sondern um reguläre Prüfungen durch die Registrierungsbehörden und die Staatsanwaltschaft. Insofern ist das in Berlin gelassen zur Kenntnis genommen worden. Die Beschlagnahme von vier Computern des Petersburger Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung – ausgeführt durch das Strafverfolgungskomitee der Russischen Föderation – hat dann allerdings den Bogen überspannt. Es ist davon auszugehen, dass die Kanzlerin das Vorgehen gegen die parteinahen Stiftungen bei ihrem Treffen mit Präsident Putin zur Sprache bringen wird. Insbesondere das Vorgehen der russischen Behörden gegen die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung, 14 Tage vor dem Deutschlandbesuch, hat das provoziert", sagte Hans-Henning Schröder gegenüber Russland HEUTE.
Besonders im Vorfeld der kommenden Bundestagswahlen kann Bundeskanzlerin Angela Merkel die Stimmen aus der Opposition nicht weiter ignorieren. Sie ist nicht mehr in der Lage ihren eher weichen Kurs gegenüber dem russischen Partner weiter zu verfolgen, meint der Politologe und Chefredakteur der Zeitschrift „Russia in Global Affairs", Fjodor Lukjanow. „Angela Merkel wird nicht mehr in der Lage sein, diese Problempunkte so sanft anzugehen, wie sie es offensichtlich früher gemacht hat. Der politische Druck ist zu groß" sagte Fjodor Lukjanow gegenüber Russland HEUTE.
Doch trotz des politischen Spannungsverhältnisses wird das Treffen zwischen Wladimir Putin und Angela Merkel einen wichtigen Ausgangspunkt für Russlands künftige Europa-Politik darstellen, meint Herr Lukjanow. „Für Putin wird es ohne Zweifel sehr wichtig sein, ein Bild von Angela Merkels zukünftiger Europa-Strategie zu bekommen. Im Kreml nimmt man wahr, dass Deutschland eine immer aktivere Rolle in Europa einnimmt. Putin wird deswegen wissen wollen, wohin die deutsche Bundeskanzlerin Europa steuern will", - sagte Herr Lukjanow. Wie wichtig es ist, die deutschen Stimmungen zu verstehen, habe die jüngste Finanzkrise auf den Zypern deutlich gezeigt, meint Fjodor Lukjanow.
Sowohl für Putin als auch für Merkel ist diese Sondierung von großer Wichtigkeit, da beide offensichtlich bis zum Jahr 2017 miteinander zu tun haben werden, sagt Professor Hans-Henning Schröder von Stiftung Wissenschaft und Politik. „Die Wahrscheinlichkeit ist sehr hoch, dass Angela Merkel auch nach den Wahlen wieder die Regierung führen und eine wichtige Rolle im EU-Raum spielen wird. Das wird auch Putin klar sein. Dennoch wird sie fünf Monate vor den Wahlen keine Fehler begehen. Zeichen einer Annäherung an eine russische Regierung, die von der deutschen Öffentlichkeit als autoritär und fremdenfeindlich wahrgenommen wird, wäre kein guter Schachzug im Vorwahlkampf" sagte der Politologe.
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