Mehreren Quellen zufolge stand Sergej Gurijew häufig in Kontakt mit Untersuchungsrichtern des Yukos-Falls. Foto: Kommersant
Mit der Situation vertrauten Quellen zufolge steht der Rücktritt des 41-Jährigen im Zusammenhang mit den gegen ihn erhobenen Anschuldigungen der russischen Ermittlungsbehörden.
Andere Quellen hatten schon zuvor vermutetet, dass der bei Konferenzen häufig auftretende Top-Ökonom als Rektor der Hochschule, an der unter anderem Vizepremier Arkadi Dworkowitsch, G20-Sherpa und Kreml-Chefexpertin Xenia Judajewa sowie viele Großunternehmer studiert haben, zurücktreten wird.
Eine Assistentin Gurijews teilte mit, dass der renommierte Wirtschaftsexperte bis zum 7. Juni im Urlaub weile. Die Meldung über seinen Rücktritt wollte sie nicht bestätigen.
Die 1992 auf Initiative von weltweit anerkannten Ökonomen gegründete Russische Wirtschaftshochschule ist die einzige auf die Wirtschaft spezialisierte Bildungsanstalt Russlands, die international angesehen ist.
Eine andere Quelle berichtete, dass Gurijew nicht am bevorstehenden Internationalen Wirtschaftsforum in St. Petersburg teilnehmen werde. Dennoch bleibe er Mitglied des Expertenrats der russischen Regierung.
„Solange Persönlichkeiten wie Sergej Gurijew als Regierungsexperten auftraten, blieb wenigstens ein Funke Hoffnung", sagte der Gründer der Bank KIT Finance und Mitbesitzer der Mediaholding Doschd (Regen), Alexander Winokurow, der Agentur PRIME.
Die Sberbank, Russlands größtes Geldhaus, wird am 31. Mai einen neuen Aufsichtsrat wählen. Gurijew gehört dem aktuellen Gremium als unabhängiger Direktor an. Gegenüber PRIME bestätigte der Top-Ökonom, dass er in einem Schreiben an die Sberbank gebeten habe, ihn „aus persönlichen Gründen" von der Kandidatenliste zu streichen. Auf Einzelheiten ging Gurijew nicht ein.
„Wir sind sehr enttäuscht, weil er ein sehr guter unabhängiger Direktor ist. Er war unser Kandidat", sagte der Vorsitzende des Sberbank-Ausschusses für Kontakte mit den Minderheitsaktionären, Anton Danilow-Daniljan.
Experte im zweiten Yukos-Fall
2011 war Gurijew als so genannter „Gesellschaftsexperte" im zweiten Yukos-Fall aufgetreten. Er arbeitete an einem Bericht des Präsidentenrats zur Entwicklung der Zivilgesellschaft und der Menschenrechte mit. Gurijew dementierte die Schuld des einstigen Yukos-Chefs Michail Chodorkowski.
Auch in seinen zahlreichen Reden vor ausländischen Investoren warnte Gurijew häufig, dass ein zweiter Yukos-Fall äußerst negative Folgen für Russlands Investitionsattraktivität haben würde.
Der Vorsitzende des Ermittlungskomitees, Wladimir Markin, hatte am 1. April
2012 erklärt, dass „einige Organisationen", deren Vertreter später an der mit der Untersuchung des Chodorkowski-Urteils beauftragten Arbeitsgruppe beteiligt waren, zwischen 2003 und 2004 von der Stiftung „Offenes Russland" finanziert worden seien, die mit Yukos-Geldern gegründet worden sei.
Einen Tag später wurden auf der Nachrichten-Webseite Life News Zahlungsbelege veröffentlicht, denen zufolge die Russische Wirtschaftshochschule diese Gelder tatsächlich erhalten hatte. Gurijew gab dazu allerdings keine Kommentare ab. Die Stiftung „Offenes Russland" wurde 2006 geschlossen.
Mehrere Quellen teilten PRIME mit, dass Gurijew seit geraumer Zeit Probleme im Zusammenhang mit den Ermittlungen zu Spenden aus dem Yukos-Umfeld für die Hochschule habe. Den Quellen zufolge stand Gurijew häufig in Kontakt mit Untersuchungsrichtern, obwohl offiziell keine Anklage gegen ihn erhoben wurde.
Gurijews Rücktritt sei „ein sehr schlechtes Zeichen für junge, gebildete und fortgeschrittene Menschen, die hofften, etwas Positives in diesem Land zu schaffen", sagte Irina Jassina, früheres Führungsmitglied der Oppositionsbewegung „Anderes Russland". „Das ist nicht nur für Unternehmer, sondern vor allem für Analysten, Ökonomen und Juristen ein schlechtes Zeichen – für Menschen also, die die russische Wirtschaft voranbringen und auch in der Geschäftswelt erfolgreich sein wollen." Für sie sei Gurijew „eine Kultfigur" gewesen, so Jassina.
Am vergangenen Dienstag waren Vertreter des Ermittlungskomitees nicht für eine Stellungnahme zu dem Vorgang zu erreichen.
Gurijew hatte früher zugegeben, 10 000 Rubel (umgerechnet 250 Euro) für die vom Oppositionsaktivisten Alexej Nawalny gegründete Stiftung für
Korruptionsbekämpfung gespendet zu haben. Außerdem habe er Nawalny für ein Studium an der Yale University (USA) empfohlen.
Viele russische Wirtschaftsexperten können nur hoffen, dass ihr Kollege Gurijew nach Russland zurückkehren und seine Arbeit fortsetzen kann.
„Hoffentlich wird Gurijew keinen Ärger bekommen und werden keine unvorhergesehenen Zwischenfälle passieren", sagte der Berater des Instituts für moderne Entwicklung, Nikita Maslennikow, der Agentur PRIME.
Dieser Beitrag erschien zuerst bei RIA Novosti.
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