EU-Russland: Im Dickicht der Diplomatie

Auf dem EU‑Russland‑Gipfel betonte Wladimir Putin, dass der Vertrag zwischen Russland und Syrien zur Lieferung von S‑300‑Flugabwehrraketen noch nicht realisiert wurde. Foto: Reuters

Auf dem EU‑Russland‑Gipfel betonte Wladimir Putin, dass der Vertrag zwischen Russland und Syrien zur Lieferung von S‑300‑Flugabwehrraketen noch nicht realisiert wurde. Foto: Reuters

Die EU und Russland üben sich in diplomatischer Disziplin. Der Syrienkonflikt muss laut Putin am Verhandlungstisch gelöst werden. Eine Militärintervention käme dagegen einer humanitären Katastrophe gleich. Die Visafrage zwischen Russland und der EU soll 2013 geklärt werden.

Auf dem EU‑Russland‑Gipfel in der Uralmetropole Jekaterinburg zeigten sich beide Parteien bereit, ihre Positionen hinsichtlich der geplanten internationalen Syrienkonferenz abzustimmen, auch wenn nach wie vor Uneinigkeit über die Lösung des Syrienkonfliktes vorherrscht. Hinsichtlich der bilateralen Zusammenarbeit, insbesondere der Abschaffung der Visumpflicht, verlieren sich Moskau und Brüssel bislang noch in technischen Details.

 

Die Syrische Frage

Der russische Präsident Putin brachte erneut seine Enttäuschung darüber zum Ausdruck, dass die EU das Waffenembargo gegen Syrien aufhebt. Auf einer Pressekonferenz zum Abschluss des EU‑Russland‑Gipfels wiederholte er, was die russische Seite im Laufe der Verhandlungen stets betont hatte: „Jeder Versuch, auf die Situation mit Gewalt, durch eine unmittelbare Militärintervention einzuwirken, ist zum Scheitern verurteilt und hätte unausweichlich schwerwiegende humanitäre Folgen."

Gleichzeitig betonte der Präsident, der Vertrag zwischen Russland und Syrien zur Lieferung von S‑300‑Flugabwehrraketen sei noch nicht realisiert worden. Medienberichten zufolge soll Russland im Rahmen von Verträgen, die noch vor dem Konflikt mit der syrischen Regierung abgeschlossen wurden, die erste Partie von S‑300‑Raketen nach Syrien geliefert haben.

Wie Putin ergänzte, werden Russland und die EU ihre Bemühungen für eine erfolgreiche internationale Syrienkonferenz „Genf 2", deren Initiatoren Russland und die USA sind, noch effektiver bündeln.

 

EU unterstützt „Genf 2"-Initiative

Der Präsident des Europäischen Rats van Rompuy betonte, die EU unterstütze die Initiative, eine Syrienkonferenz abzuhalten, und werde alles daran setzen, das Land vor einem Zerfall zu bewahren. Vielmehr möchte die EU die Etablierung eines demokratischen Systems in Syrien erreichen.

„Die Entwicklungen in Syrien stellen eine humanitäre Katastrophe dar, und obwohl wir hoffen, dass die zweite Beratungsrunde in Genf uns einige

Der Präsident des Europäischen Rates fügte hinzu, dass sich viele Mitgliedstaaten der EU dazu entschlossen hätten, keine Waffen an Vertreter der syrischen Opposition zu liefern, um dem Verhandlungsprozess eine realistische Chance auf Erfolg zu geben.

 

Visafrage Russland-EU in Details verfangen

Vor Beginn des offiziellen Teils der Veranstaltung erklärte der Präsident der Europäischen Kommission Barroso, dass ein Abkommen über Visumserleichterungen zwischen Russland und der EU in nächster Zeit unterzeichnet werden könne, lediglich einige technische Aspekte seien noch zu klären.

Auf einer Arbeitssitzung der Teilnehmer des EU‑Russlandgipfels bemerkte Barroso, es sei den Parteien gelungen, in der Visafrage einige Schritte voranzukommen. Die noch offenen technischen Fragen, die einer Unterzeichnung des Abkommens zum gegenwärtigen Zeitpunkt im Wege stehen, betreffen seinen Worten nach die Übermittlung von Flugpassagierdaten. „Ich hoffe, den russischen Behörden gelingt es, die noch aktuellen Befürchtungen aus dem Weg zu räumen", sagte Barroso.

Er wies außerdem auf die Bedeutung eines neuen Basisabkommens

zwischen Russland und der EU hin. Sowohl Moskau als auch Brüssel sind daran interessiert, den Prozess so schnell wie möglich abzuschließen. Das bisherige Abkommen wurde vor 20 Jahren konzipiert und gilt als veraltet. Der Präsident der Europäischen Kommission äußerte sich zuversichtlich, dass das neue Abkommen richtige Akzente für die Entwicklung der Beziehungen setzt.

Wie der ständige Vertreter Russlands bei der EU Wladimir Tschischow nach dem Gipfel gegenüber Journalisten erklärte, soll die Verhandlungsrunde zum neuen Basisabkommen zwischen Russland und der EU in der zweiten Jahreshälfte wieder aufgenommen werden.

 

Expertenmeinungen zum EU‑Russland‑Verhältnis

Nach Einschätzung von Fjodor Lukjanow, dem Vorsitzenden des Rates für Außen- und Sicherheitspolitik, handelt es sich bei der Erklärung des Kommissionspräsidenten Barroso, wonach die Unterzeichnung eines Vertrages zur Visumserleichterung mit Russland unmittelbar bevorstünde, um nichts als leere Worthülsen. „Dass ein solcher Vertrag bald unterschrieben werde, kündigt Barroso durchaus nicht das erste Mal an", sagte Lukjanow.

Den Syrienkonflikt kommentierte die Leiterin des Asien- und Nahostzentrums am Russischen Institut für strategische Forschungen Jelena Suponina: „Heute sind mehr als je alle Parteien daran interessiert,

eine friedliche Lösung des Syrienkonfliktes zu erreichen". „Die Uneinigkeiten bleiben weiter bestehen. Das bedeutet, dass die Chancen für eine friedliche Lösung bislang nicht sehr groß sind", sagte die Expertin.

„Aber ich möchte daran erinnern, dass sich Russland, die USA und sogar Europa zu keinem Zeitpunkt in den letzten drei Jahren – die der Syrienkonflikt bereits andauert – dahingehend einig waren, dass eine Fortsetzung des Bürgerkrieges in Syrien katastrophale Folgen nicht nur für dieses Land, sondern für die ganze Region hätte."

Besonders die Franzosen und Engländer reagierten sehr argwöhnisch auf die Möglichkeit, dass die Russen und die Amerikaner Verhandlungen mit Syrien aufnehmen könnten, so die Expertin weiter. „Das Treffen der russischen Führung und der europäischen Regierungen war sehr wichtig, um die Europäer bei diesen Versuchen mit ins Boot zu holen und sie vielleicht auch ein wenig zu beruhigen", so Suponina.

 

Die ungekürzte Fassung dieses Beitrags erschien zuerst bei RIA Novosti.

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