Europäischer Gerichtshof: Chodorkowski ist kein politischer Gefangener

In seinem Urteil stuft der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte Chordorkowski nicht als politischen Gefangener ein. Foto: RIA Novosti

In seinem Urteil stuft der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte Chordorkowski nicht als politischen Gefangener ein. Foto: RIA Novosti

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte wies die Klage der ehemaligen Top-Manager des Unternehmens YUKOS, Michail Chodorkowski und Platon Lebedew, ab: Ihr Strafverfahren wurde nicht als politisch motiviert anerkannt.

Am Donnerstag gab der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte seine Entscheidung zum Einspruch der ehemaligen YUKOS-Geschäftsführer gegen das erste Urteil von 2005 bekannt. Wie es in dem Urteilsspruch heißt, befinde das Gericht, dass „nicht gegen Paragraph 18 der Europäischen Menschenrechtskonvention (Begrenzung der Rechtseinschränkungen) bezüglich der Klage Chodorkowskis und Lebedews verstoßen wurde" und die Strafverfolgung nicht politisch motiviert gewesen sei. Außerdem stellte der Europäische Gerichtshof keine Verletzung des Rechts Chodorkowskis und Lebedews auf ein faires Gerichtsverfahren fest, wie Interfax mitteilte.

Chodorkowskij war im Jahr 2005 der Steuerhinterziehung und des Betrugs für schuldig befunden wurden, das Unternehmen YUKOS wurde in der Folge abgewickelt. 2010 kam es zu einem weiteren Gerichtsverfahren, in dem der Unternehmer ebenfalls schuldig gesprochen wurde. Diese Gerichtsverfahren erfuhren teils sehr kritische Wertungen in der öffentlichen Diskussion. Amnesty International stuft Chodorkowski als einen „Gewissensgefangenen" ein, was ihrer Definition nach ein gewaltloser, politischer Gefangener ist. Chodorkowskis Kollege Platon Lebedew wurde als Mittäter verurteilt. Chodorkowski selbst soll am 25. Oktober 2014 aus der Haft entlassen werden.

Bereits im Mai 2011 hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seinem Urteil auf Verfahrensfehler bei der Festnahme hingewiesen und festgestellt, dass die Menschenwürde der Kläger während der Haft im Rahmen der Voruntersuchung, der gerichtlichen Beweisaufnahme sowie

Michail Chodorkowski, russischer Unternehmer und Person des öffentlichen Lebens, verbüßt zurzeit eine elfjährige Haftstrafe in einer Arbeitskolonie mit allgemeinem Strafvollzug. Von 1997 bis 2004 war er Miteigentümer und Geschäftsführer des Erdölkonzerns YUKOS. 2003, zum Zeitpunkt der Festnahme, galt sein Vermögen als eines der größten der Welt.

der Überprüfung seiner Beschwerde gegen die Inhaftierung verletzt worden seien. Auch damals kam der Europäische Gerichtshof bereits zu dem Schluss, dass kein zweifelsfreier Nachweis für politische Motive der Regierung an der Strafverfolgung Chodorkowskis erbracht worden sei. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ordnete zudem an, dass die russische Regierung Chodorkowski 10 000 Euro zu zahlen habe, aber stellte auch fest, dass dem Ex-Geschäftsführer der internationalen Finanzvereinigung MENATEP, Platon Lebedew, hingegen keinerlei Entschädigungszahlungen zustehen.

Nikolaj Swanidse, bekannter Journalist und Mitglied der Gesellschaftlichen Kammer der Russischen Föderation, sagte nun, dass dieses Urteil dem Image des russischen Staates mehr schade als nütze. „Der Europäische Gerichtshof hält sich an strikte Regeln. Offensichtlich war es nach diesen nicht möglich, politische Absichten festzustellen. Aber entsprechend diesen Regeln wurden einige der Anträge, zum Beispiel die Zerschlagung von JUKOS, als ungesetzlich gewertet. Laut dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs werden wohl große Teile des Urteils aus dem ersten YUKOS-Verfahren neu aufgerollt werden müssen. Das Gerichtsverfahren war inkorrekt. Uns enttäuscht das Urteil ganz und gar nicht, denn für die Regierung hat es mehr negative als positive Folgen", so der Publizist.

Swanidse erklärte zudem, dass solche Gerichtsverfahren ein negatives Bild des russischen Gerichtssystems zeichneten. „Die Gerichtsverfahren werden

ständig in Frage gestellt. Den Richtern wird entweder ein politisches Engagement oder aber Bestechlichkeit vorgeworfen. Und das Entscheidende hierbei ist nicht das Image Russlands nach außen hin, sondern die Atmosphäre im Land. Das Gericht wird als reiner Erfüllungsgehilfe der Vollzugsorgane aufgefasst und nicht als unabhängige Institution. Unterm Strich sind die Meinungsfreiheit und der freie Wettbewerb in der Wirtschaft in Gefahr", resümierte der Journalist.

Die Leiterin der Moskauer Helsinki-Gruppe, Ljudmila Alexejewa, zweifelt nicht daran, dass Chodorkowski ein politischer Gefangener sei, und zeigte sich verwundert über das Urteil. „Der Europäische Gerichtshof hat nicht das Recht zu entscheiden, ob Chodorkowski ein politischer Gefangener ist oder nicht. Die beiden Unternehmer wurden bereits von Amnesty International als ‚Gewissensgefangene' anerkannt. Ich vertrete den Standpunkt, dass diese Nichtanerkennung des Status als politischer Häftling der erste Fall ist, in dem der Europäische Gerichtshof ein ungerechtes und feiges Urteil gefällt hat", sagte Alexejewa und fuhr fort: „Ein solches Urteil wird sich auch auf das Image des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte negativ auswirken, der sich bei den Russen bisher eines sehr hohen Ansehens erfreut hat."

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