Tschetschenen kämpfen in Syrien

Das russische Außenministerium erklärte, dass aufseiten der radikalen Gruppierungen in Syrien Freiwillige aus Tschetschenien im Einsatz seien. Foto: AP

Das russische Außenministerium erklärte, dass aufseiten der radikalen Gruppierungen in Syrien Freiwillige aus Tschetschenien im Einsatz seien. Foto: AP

Tschetschenische Wahhabiten entsenden Kämpfer nach Syrien. Mittlerweile werden sie als Teilnehmer des Syrienkriegs anerkannt. Angeworben werden die Kämpfer von Chefideologen tschetschenischer Extremisten in Syrien.

Das russische Außenministerium hat die tschetschenischen Warlords de facto als Teilnehmer des Syrienkriegs anerkannt. In einer Erklärung der Behörde heißt es, dass eine der gegen Bashar Assad kämpfenden Islamisten-Gruppierungen von dem aus Tschetschenien stammenden Abu-Musab angeführt werde. Wie die Zeitung Kommersant berichtete, sind in Syrien mehr als einhundert tschetschenische Kämpfer im Einsatz. Angeworben wurden sie von Chefideologen der tschetschenischen Extremisten, die mittlerweile in Syrien aktiv sind.

Das russische Außenministerium erklärte, dass aufseiten der radikalen Gruppierungen in Syrien Freiwillige aus Tschetschenien im Einsatz seien. Die Erklärung wurde veröffentlicht, nachdem die im Norden des Landes kämpfenden Islamisten ein Gemetzel unter den einheimischen Kurden angerichtet hatten, als Rache für die Gefangennahme des Anführers Abu-Musab, der sich als Tschetschene zu erkennen gegeben hatte und dessen Freigabe die Islamisten gefordert hatten. Sie metzelten die Zivilbevölkerung nieder, schnitten unbeteiligten Bewohnern den Kopf ab und nahmen bis zu 500 Kurden als Geiseln, vor allem Frauen, Alte und Kinder. Abu-Musab wurde freigelassen, aber trotzdem halten die Islamisten noch immer ungefähr 200 Zivilpersonen als Geiseln fest und setzen sie als lebendigen Schild ein.

„In Moskau wird die Gräueltat der Terroristischen Internationale im Nordosten Syriens auf das Schärfste verurteilt“, heißt es in der Erklärung des Außenministeriums der Russischen Föderation. Der Vorfall wird dort als „blutige, auf die Teilung des Landes gerichtete Provokation mit dem Ziel der Schaffung eines internationalen Brückenkopfes für den Terrorismus“ bezeichnet.

Der richtige Name des als Abu-Musab bezeichneten tschetschenischen Warlords ist nicht bekannt. Die Verwendung von Pseudonymen hat bei den zum Wahhabismus konvertierten Kämpfern Tradition. Seinerzeit nannte der Terrorist Nr. 1, Schamil Basajew, sich Abu-Idris. Und der Bomben-Attentäter von Boston, Tamerlan Zarnajew, war im Kreise seiner Gleichgesinnten als Muas Sejfullah – im Arabischen so viel wie „Schwert Allahs“ – bekannt.

 

Mehr als 100 tschetschenische Kämpfer sind in Syrien

Einer der in einem westeuropäischen Land wohnenden Anhänger der Unabhängigkeit Tschetscheniens, Usman Ferzauli, der sich als Außenminister Itschkerias vorgestellt hat, bestätigte gegenüber der Zeitung Kommersant, dass in den Reihen der syrischen Opposition tschetschenische Kämpfer aktiv seien. „Es lässt sich nur schwer sagen, wie viele Tschetschenen genau dort kämpfen, aber ich denke, es sind garantiert mehr als einhundert“, schätzte Ferzauli. Seinen Worten nach stammten die meisten der in Syrien kämpfenden Tschetschenen aus dem Nordkaukasus, obwohl es dort auch „europäische Tschetschenen“ gebe:

Kinder derer, die während des ersten und zweiten Tschetschenienfeldzugs nach Europa geflohen waren, um sich vor dem Krieg zu retten. Usman Ferzauli glaubt, dass sie über die Türkei nach Syrien gelangten.

Die Tschetschenen würden Ferzauli zufolge von Anhängern der in der Russischen Föderation verbotenen terroristischen Organisation „Kaukasus-Emirat“, die vom Führer des bewaffneten Untergrunds im Nordkaukasus, Doku Umarow, angeführt wird, zum Krieg aufseiten der syrischen Opposition aufgerufen. Um die Anwerbung der Tschetschenen für den Kampf auf der Seite der syrischen Oppositionellen kümmert sich Isa Umarow, der Cousin des Chefideologen des „Kaukasus-Emirats“ Mowladi Udugow. Die beiden sind als Organisatoren des djihadistischen Umsturzes gegen den damaligen Präsidenten Aslan Maschadow im Jahre 1999 in die Geschichte der selbsternannten Republik Itschkeria eingegangen. „Isa Umarow befindet sich in Syrien, übermittelt von dort Nachrichten für Udugows Internetseite und überquert, wenn nötig, ohne Probleme die russische Grenze, um neue Kämpfer anzuwerben“, erklärte Usman Ferzauli.

Es sei daran erinnert, dass vor einem Jahr der Sohn des in der Vergangenheit bekannten tschetschenischen Warlords Ruslan Galajews in Syrien ermordet wurde. Nach der Version, die auf den Internetseiten der Kämpfer verbreitet wird, fiel er im Kampf aufseiten der Opposition. Verwandte des Verstorbenen jedoch behaupten, dass Galajew jr. sich in Syrien zum Studium aufhielt und in einer Moschee bei deren Beschuss durch die Luftstreitkräfte der Regierung ums Leben kam.

Vor einem Jahr sorgte noch eine andere Geschichte für Furore: die des britischen Fotografen John Cantlie und seines niederländischen Kollegen

Jeroen Oerlemans. Sie waren von einer Gruppierung radikaler Islamisten im Norden Syriens gekidnappt worden und verbrachten ungefähr eine Woche in Gefangenschaft. Nach seiner Rückkehr in die Heimat erklärte Cantlie, dass sich unter seinen Entführern „alle möglichen Kämpfer befanden, nur keine Syrer“, vielmehr auch Tschetschenen. Es gelang den Fotografen aus der Geiselhaft zu entfliehen, nachdem sich Soldaten der „Freien Syrischen Armee“ eingemischt hatten.

Usman Ferzauli zufolge sei die Regierung Itschkerias gegen eine Beteiligung tschetschenischer Kämpfer am Syrienkrieg. „Isa Umarow und Mowladi Udugow verfechten jedoch die Idee eines weltweiten Djihads“, erklärte er gegenüber der Zeitung Kommersant. „Der Itschkerischen Führung sind solche Positionen fremd.“

 

Dieser Beitrag erschien zuerst bei Kommersant.

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