Kreml fördert gemeinnützige Organisationen

 Das Menschenrechtszentrum Memorial erhielt 31 000 Euro für seinen vierteljährlichen Newsletter „Die Lage im Nordkaukasus aus Menschenrechtsperspektive" und 136 400 Euro für das Programm zur Rehabilitierung von Opfern politischer Repressionen.  Auf dem Bild: Memorial-Ratvorsitzender Oleg Orlow. Foto: Reuters

Das Menschenrechtszentrum Memorial erhielt 31 000 Euro für seinen vierteljährlichen Newsletter „Die Lage im Nordkaukasus aus Menschenrechtsperspektive" und 136 400 Euro für das Programm zur Rehabilitierung von Opfern politischer Repressionen. Auf dem Bild: Memorial-Ratvorsitzender Oleg Orlow. Foto: Reuters

Die russische Regierung unterstützt nichtkommerzielle Projekte. Welche sich über finanzielle Zuwendungen freuen dürfen, wurde nun bekannt gegeben. Einige renommierte Organisationen gingen leer aus.

Am Dienstag, den 27. August, wurde eine Liste mit russischen Nichregierungsorganisationen (NGO) veröffentlicht, die mit finanziellen Zuwendungen des Präsidenten rechnen dürfen. Insgesamt standen 50 Millionen Euro zur Verfügung, die durchschnittliche Förderung je Organisation beträgt etwa 50 000 Euro. Experten erläuterten, nach welchen Kriterien die Gelder verteilt wurden.

 

Insbesondere regionale NGOs werden gefördert

Bewilligt wurden 1 087 der 5 855 gestellten Anträge und damit deutlich mehr als im Vorjahr, als lediglich 64 Organisationen in den Genuss einer Förderung kamen. Die vom Präsidenten für diesen Zweck bereitgestellte Summe dagegen war in diesem Zeitraum nur unwesentlich gestiegen. Die zahlenmäßig stärkste Gruppe der Fördermittelempfänger bilden regionale Organisationen. Einigen russlandweit tätigen Organisationen wurden Gelder speziell für ihre regionalen Projekte bewilligt.

Für große Überraschung sorgte die Tatsache, dass die bekannte und in Russland anerkannte NGO, die Wahlbeobachtungsorganisation Golos, vollkommen leer ausging. Die Moskauer Helsinki-Gruppe (MHG) und die Organisationen Sa prawa tscheloweka („Für Menschenrechte") hatten jeweils mit einem Antrag Erfolg, zwei der laufenden Projekte dieser Organisationen erhalten vorerst keine Finanzierung.

Die Menschenrechtsorganisation Agora bekam 29 200 Euro für ihre Arbeit in Tatarstan, wo sie Opfer von Behördenwillkür unterstützt. Das Menschenrechtszentrum Memorial erhielt 31 000 Euro für seinen vierteljährlichen Newsletter „Die Lage im Nordkaukasus aus Menschenrechtsperspektive" und 136 400 Euro für das Programm zur Rehabilitierung von Opfern politischer Repressionen. Einen Antrag in Höhe von ebenfalls 136 400 Euro brachte das Zentrum außerdem für ein Projekt im Gebiet Iwanowo durch. In einigen Regionen bekamen auch Zweigstellen des Komitees der Soldatenmütter und des Russischen Roten Kreuzes kleinere Förderbeträge.

 

Höchste Förderung für virtuelle Historie der Verfassung

Die größte Summe von insgesamt 341 000 Euro ging an ein der Russischen Akademie der Wissenschaft und der Lomonossow-Universität angeschlossenes Forschungszentrum. Dieses ist mit der Erstellung eines Internetmuseums für die Geschichte der Verfassung betraut, die in diesem Jahr ihr 20-jähriges Jubiläum feiert.

Oppositionelle NGOs, von denen sich einige im Verzeichnis des russischen Justizministeriums als ausländische Agenten registrieren mussten, hätten die Ergebnisse der Ausschreibung mit gemischten Gefühlen zur Kenntnis genommen, so die Zeitung Kommersant. Ljudmila Alexejewa, Vorsitzende der Moskauer Helsinki-Gruppe, ist nach eigener Aussage bereit, ihre Sammlung von Keramik aus Gschel zu versteigern, um die Arbeitsschwerpunkte ihrer Organisation finanziell abzusichern. Die Menschenrechtlerin plant außerdem, in Russland weitere Geldquellen zu erschließen.

Die Akquise von Fördermitteln innerhalb Russlands ist für diese Organisationen außerordentlich wichtig. Bekommt ein politisches Projekt

Geld aus dem Ausland, muss die betreffende Organisation sich im Verzeichnis sogenannter „ausländischer Agenten" registrieren – ein Schritt, den kein Menschenrechtler freiwillig tun möchte.

Dieser Tage erklärte der Sprecher der Staatsduma Sergej Naryschkin, es werde derzeit darüber diskutiert, das Gesetz über „ausländische Agenten" zu überarbeiten. Ein präziserer Begriff der „politischen Betätigung" solle den NGOs eine effektivere Arbeit ermöglichen.

 

Widerstand gegen Registrierung verhindert Förderung

Die Organisation Golos wurde von Behörden des Inneren und der Justiz kürzlich als „ausländischer Agent" bezeichnet, sie selbst erkennt diesen Status aber nicht an. Wie der Leiter des Instituts für politische Forschungen, Sergej Markow, in einem Gespräch mit Russland HEUTE erklärte, war eben dieser Konflikt ausschlaggebend dafür, dass Golos nicht mit Fördermitteln bedacht wurde. „Es gibt den Beschluss, dass alle Organisationen, darunter auch ‚ausländische Agenten', Fördermittel erhalten können. Eine Organisation jedoch, die als ‚ausländischer Agent' eingestuft wurde und sich einer Registrierung widersetzt, ist von finanziellen Zuwendungen des Staates ausgeschlossen. Das ist bei Golos der Fall", erläuterte der Experte.

Das Mitglied der Gesellschaftskammer der Russischen Föderation Nikolai Swanidse hält Golos für eine bedeutende und unbedingt förderungswürdige Organisation. „Der Verein Golos überwacht die Ordnungsmäßigkeit und Transparenz von Wahlen. Er braucht Fördermittel aus Russland, um kein Geld im Ausland akquirieren zu müssen und dann aus ausländischer Agent bezeichnet zu werden", sagte er.

 

Transparentes Punktesystem für Mittelvergabe

Wie Markow erklärte, ist das System der Vergabe staatlicher Gelder relativ einfach und objektiv. „Die Bewilligung von Fördermitteln erfolgt anhand bestimmter Kriterien. Zunächst werden alle Anträge nach den folgenden Parametern bewertet: Aktualität des Themas, seine Realisierbarkeit, Erfahrung der Organisation auf dem betreffenden Gebiet und Transparenz im Budget. Die Projekte erhalten in diesen Kriterien Punkte von 1 bis 5. Dann beurteilen Experten die Anträge und vergeben ebenfalls Punkte. Später werden alle Punkte zusammengezogen und diejenigen Projekte, die am besten abschneiden, gefördert", erklärte er.

Die insgesamt zur Verfügung stehenden Fördermittel wurden außerdem geteilt, so der Experte weiter. Eine Hälfte sei für russlandweit tätige Organisationen vorgesehen gewesen, die andere für regionale Projekte. Die von den lokalen Initiativen beantragten Fördersummen allerdings seien

geringer gewesen als die der föderalen Projekte. Daher habe man den Eindruck gewinnen können, dass den Regionen mehr Geld bewilligt wurde.

„Es wurden eine Menge Anträge von Sozialarbeitern bewilligt, außerdem behandelte man soziale Initiativen mit Priorität, mit denen Bürger vor Ort bestimmte Probleme lösen wollen", so Markow. „Die finanzielle Unterstützung sollte noch weitaus großzügiger gestaltet werden. In Russland erhalten diese Organisationen weniger Geld als in anderen Ländern, und das nicht nur im Vergleich zu den USA, zu Deutschland oder Frankreich. Selbst in der Türkei und in Polen werden sie mit mehr Zuwendungen bedacht. Bei uns können Unternehmen die Organisationen nur aus ihrem Gewinn nach Steuern finanzieren, nicht steuerwirksam aus den Einnahmen. Daher ist der russische Staat in der Pflicht, diese für NGOs nachteilige Situation mit Fördergeldern zu kompensieren."

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