Wahlen in Russland: Opposition verzeichnet Teilerfolg

Der kommissarisch amtierende Bürgermeister Moskaus, Sergej Sobjanin erhielt 51,33 Prozent der Stimmen. Foto: Reuters

Der kommissarisch amtierende Bürgermeister Moskaus, Sergej Sobjanin erhielt 51,33 Prozent der Stimmen. Foto: Reuters

In vielen Regionen Russlands wurde am Sonntag gewählt. Während in Moskau die Opposition einen Achtungserfolg erlangte, ging in Jekaterinburg das Bürgermeisteramt überraschend an einen Oppositionspolitiker über.

Am vergangenen Sonntag fanden in verschiedenen Regionen Russlands Wahlen statt. Es wurden Abstimmungen auf verschiedenen Ebenen durchgeführt, darunter auch Wahlen der Gouverneure in acht Föderationssubjekten und der Abgeordneten der regionalen gesetzgebenden Versammlungen in 16 Föderationssubjekten der Russischen Föderation.

Mit größter Spannung wurde den Bürgermeisterwahlen in Moskau entgegengesehen. Der kommissarisch amtierende Bürgermeister Moskaus, Sergej Sobjanin, erhielt 51,33 Prozent der Stimmen, der Kandidat der Opposition von der demokratischen Partei RPR-Parnas, Alexej Nawalny, 27,27 Prozent. Dieser Wert weicht sehr deutlich von den Prognosen ab. Zu Beginn des Wahlkampfes hatten Experten den Kandidaten 60 beziehungsweise neun Prozent vorausgesagt.

Somit wird es in Moskau keinen zweiten Wahlgang geben, der amtierende Bürgermeister Sergej Sobjanin wurde in seinem Amt als Oberhaupt der russischen Hauptstadt bestätigt. Die Anhänger Nawalnys beabsichtigen jedoch, das offiziell bekannt gegebene Ergebnis der Stimmenauszählung anzufechten, und organisierten bereits am Montag eine Demonstration zur Unterstützung ihres Kandidaten.

Die Wahlbeteiligung lag in Moskau nach vorläufigen Angaben mit 33 Prozent auf einem äußerst niedrigen Niveau. Vor zehn Jahren, als die Moskauer zum letzten Mal ihr Stadtoberhaupt wählten, fand mehr als die Hälfte der Wahlberechtigten den Weg in die Wahllokale.

 

Die Menschen verlieren den Glauben an ihren Einfluss

Wie der Direktor der Stiftung Petersburger Politik, Michail Winogradow, bemerkte, sei die niedrige Wahlbeteiligung die Folge von zwei Faktoren gewesen: dem ungünstigen Wahltag und der Apathie der Wähler. „Das Desinteresse der Wähler war zu spüren, und zwar nicht nur das der regierungsfeindlich gesinnten, sondern das aller Wahlberechtigten. Die Menschen glauben, dass von ihnen nichts abhängt, und verzichten deshalb darauf, zur Wahl zu gehen", erklärte der Politologe.

Die Wahlen in Moskau wurden besonders gründlich vorbereitet, da man Störungen erwartete. Zu Problemen kam es allerdings nicht. Der Großteil der Wähler kam recht früh ins Wahllokal. Urteilt man nach den Einträgen in den sozialen Netzwerken, erwiesen sich die Anhänger Nawalnijs als die diszipliniertesten.

Aus dem gesamten Land wurden bei der Zentralen Wahlkommission am Wahltag insgesamt lediglich 54 Verstöße gegen die Wahlordnung gemeldet, 17 davon aus Moskau, die restlichen verteilen sich auf 16 Regionen. Gegenwärtig wird der Fall einer SMS-Spam-Aktion untersucht, mit deren Hilfe ein Kandidat aus dem Gebiet Swerdlowsk unterstützt wurde. Im Gebiet Jaroslawl wurde der Kauf von Wählerstimmen registriert.

Vertreter der Vereinigung gemeinnütziger Organisationen zum Schutz der Wählerrechte Graschdanskij Kontrol (Bürgerkontrolle) merkten an, dass der aktuelle Wahlkampf ohne Zwischenfälle und mit weitaus weniger Wahlverstößen verlaufen sei als die letzten Duma- oder auch die Präsidentschaftswahlen.

 

Die saubersten Wahlen seit vielen Jahren

Der Vize-Präsident des Zentrums für politische Technologien, Alexej Makarkin, gab zu Protokoll, dass die jüngsten Wahlen die bisher saubersten in der jüngsten Geschichte Russlands gewesen seien. Seiner Meinung nach sei das der Erfolg der Protestaktionen im Dezember 2011, als die Menschen auf die Straße gingen, um für freie Wahlen zu demonstrieren.

Die größte Überraschung allerdings war das Ergebnis der Bürgermeisterwahlen in der Ural-Metropole Jekaterinburg. Dort erhielt der Oppositionskandidat, der Präsident der Stiftung Gorod bes Narkotikow („Stadt ohne Drogen") Jewgenij Rojsman die Mehrzahl der Stimmen. Auf ihn entfielen 30,11 Prozent der Stimmen, womit er den Kandidaten der Partei Einiges Russland Jakow Silin hinter sich ließ.

Auch bei der Wahl der Abgeordneten in die regionalen gesetzgebenden Versammlungen gab es, ungeachtet der Vorherrschaft der Regierungspartei Einiges Russland, einige Überraschungen. So landete zum Beispiel in Krasnojarsk die gemäßigte Linkspartei Patrioten Russlands an der Spitze. In einigen Regionen wurden die Kommunisten, die bei den Wahlen bisher traditionell den zweiten Platz belegt hatten, von Schirinowskijs LDPR überholt.

 

Kluft zwischen Großstadt und Land

Unterm Strich hat der Wahlkampf gezeigt, dass sich die verschiedenen Regionen Russlands unterschiedlich schnell entwickeln.

„Auf der einen Seite haben wir die Regionen, bei denen alles wie immer ausgefallen ist: überwältigende Ergebnisse für die Regierungspartei, keine Unterschiede zu vorangegangenen Wahlen. Aber auf der anderen Seite

haben wir auch Großstädte, in denen die Situation eine völlig andere ist, und hier hat das Abstimmungsverhalten einen ganz verschiedenen Charakter", so Makarkin. „Der Opposition gelingt es hier, ihre Anhänger zu mobilisieren, und die Regierung hat kein leichtes Spiel. Heutzutage reicht es nicht mehr aus, die ‚administrativen Ressourcen' zu nutzen."

Letzten Endes kämen nur die Anhänger der Regierung in das Wahllokal, die auch wirklich ihre Stimme für diese abgeben wollten. Die anderen zögen es bei dem schönen Spätsommerwetter vor, sich außerhalb der Stadt zu erholen. „Auch deshalb fiel das Ergebnis für die die Partei Einiges Russland so gering aus. Die Anhänger der Regierung waren der Meinung, dass von ihnen nichts abhänge", erklärte der Experte.

 

Geringe Wahlbeteiligung nützte Einiges Russland nichts

In der Vergangenheit ging man davon aus, dass eine niedrige Wahlbeteiligung für die Regierungspartei von Vorteil sei, die jetzigen Wahlen haben jedoch das Gegenteil gezeigt.

„Eine niedrige Wahlbeteiligung nützt der Regierung, wenn sie ihre ‚administrativen Ressourcen' aktivieren kann, anderenfalls wirkt sich die niedrige Wahlbeteiligung positiv für die Opposition aus", sagt Makarkin. „Die Anhänger Nawalnys sind von vornherein davon ausgegangen, dass sie für einen Kandidaten stimmen, der ohnehin nicht Bürgermeister werden wird, und deshalb haben all die kritischen Bemerkungen über seine mangelnde Erfahrung für die Verwaltung der Millionenstadt niemanden sonderlich gerührt."

Der Experte ist sich sicher, dass die Vertreter der Regierung nach der Auswertung des Wahlergebnisses nun die Protestwählerschaft nicht mehr werden ignorieren können und die Interessen aller Wähler berücksichtigen müssen.

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