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Im Gespräch mit Russland HEUTE erklärte der Präsident des Nahost-Instituts, Jewgenij Satanowskij, dass die schnellste und effektivste Lösung der Syrien-Krise darin bestünde, „Doha, Riad und Ankara, die die Terroristen finanzieren, zu bombardieren".
Russland HEUTE: Warum tritt Russland gegen eine militärische Einmischung der USA in Syrien ein?
Jewgenij Satanowskij: „Russland hält die Absicht der USA im besten Falle für eine Dummheit und im schlimmsten Falle für eine Provokation. Die Vorfälle mit den Chemiewaffen hängen mit dem Versuch der Opposition, einen militärischen Schlag gegen Assad zu provozieren, zusammen. Dessen Armee hat es nicht nötig, Chemiewaffen in der Hauptstadt einzusetzen, zumal in Anwesenheit der Uno-Inspektoren, während er auch so schon dabei ist, den Bürgerkrieg zu gewinnen. Für Assad ist das politischer Selbstmord. Für die unterlegene Opposition ist es hingegen die einzige Chance. Sie kann selbst mit der Unterstützung der terroristischen Dschihadisten aus der ganzen Welt den Krieg nicht gewinnen."
Das heißt, es kann nicht die Rede davon sein, dass dieser Bürgerkrieg im Namen der Demokratie geführt wird?
Kriege im Nahen Osten haben nichts mit dem Aufbau der Demokratie zu tun – weder in der Vergangenheit noch in der Gegenwart oder in der Zukunft. Der Krieg wird dort von Islamisten gegen das säkulare autoritäre Regime geführt, von der gesamten islamischen Welt gegen Israel oder von Schiiten gegen Sunniten und Sunniten gegen Schiiten. Der Sturz Assads bringt keine Demokratie, sondern Völkermord an den Christen, Schiiten (Alaviten, Dschafariten, Ismailiten, Drusen und anderen), sowie an den ethnischen Minderheiten, den Turkomanen und Kurden.
Worin sehen Sie die Ursache des Konflikts?
In der aggressiven Politik des islamistisch sunnitischen Blocks, der Türkei und der beiden wahhabitischen Monarchien, Katar und Saudi-Arabien, zur Neuaufteilung der islamischen, vor allem aber der arabischen Welt und im Versuch, ein neues Kalifat zu errichten. Für Doha und Riadа besteht ein zusätzlicher Grund für den Krieg gegen Assad in dessen Bündnis mit dem schiitischen Iran. Darüber hinaus gelten die Alaviten, die in Syrien an der Macht sind, vom Standpunkt der wahhabitischen Ulama als Kätzer, die gestürzt und vernichtet gehören.
Es ist eine verbreitete Meinung, dass Russland gegen eine amerikanische Intervention eintritt, um seine Waffenlieferungen an Assad fortsetzen und seine Militärbasis in Syrien aufrechterhalten zu können.
Das ist vollkommener Unsinn. Russland hat keine und hatte nie eine Militärbasis in Syrien. Es existiert lediglich ein Stützpunkt zur materialtechnischen Versorgung in Tartus: zwei schwimmende Anlegeplätze und eine Baracke auf einer Fläche von anderthalb Hektar, in
der Wasser und Treibstoff gelagert werden, sowie technisches Personal, das dort stationiert war. Wenn die russischen Schiffe nicht mehr in Syrien anlegen können, werden sie im zyprischen Limasol oder im israelischen Haifa tanken und die Wartungsarbeiten durchführen lassen, was in der Vergangenheit bereits vorgekommen ist. Vom russischen Standpunkt aus ist eine Intervention in Syrien unzulässig, wie sie auch in Libyen, im Irak oder in Jugoslawien unzulässig gewesen ist. Im Falle von Libyen war Russland auf den Vorschlag des Westens eingegangen, weil es angenommen hatte, dass dieser keine Intervention vorsieht, und es wurde betrogen. Noch einmal wird so etwas nicht vorkommen.
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Jewgenij Satanowskij: Kriege im Nahen Osten haben nichts mit dem Aufbau der Demokratie zu tun Foto: ITAR-TASS |
Die Verschlechterung der Situation in Syrien und die angespannte Lage im Nahen Osten führt zu einem Preisanstieg beim Erdöl. Russland wird dafür kritisiert, dass es keine Beilegung des Konflikts in der Region anstrebt, da für das Land eine solche Situation von Vorteil ist. Wie ist Ihre Meinung dazu?
Der Konflikt in der Region wird von Katar, Saudi-Arabien und der Türkei geschürt. Sie sind es auch, die einen Nutzen daraus ziehen. Die ersten beiden ziehen zudem auch einen Vorteil durch die steigenden Preise für Erdöl und Erdgas. Der Türkei geht es um ihre geopolitischen Ambitionen. Russland heizt im Nahen Osten keine Konflikte an. Aber es hat auch nicht vor, den Terroristen zu helfen, die dort vom Westen unterstützt werden. Für Russland sind diese Leute Feinde. Warum die USA, Frankreich und Großbritannien jedoch die Türkei, Saudi-Arabien und Katar unterstützen, obwohl diese die wichtigsten Geldgeber der islamistischen Terroristen sind, bleibt tatsächlich zu klären. Der Grund liegt wahrscheinlich in den persönlichen Interessen der Staatsführer dieser Länder, die von der Situation profitieren wollen.
Die meisten Ausländer glauben momentan, dass Russland absichtlich eine Entscheidung der UNO zur Syrien-Frage hinauszögert.
Russland hat seinen Standpunkt zu Syrien. Und dieser Standpunkt stimmt mit dem Standpunkt Chinas überein. Im UN-Sicherheitsrat haben fünf Länder ein Vetorecht. Drei davon sind für eine Intervention, zwei sind
dagegen. Wenn die russische und die chinesische Position berücksichtigt werden, gibt es keine Fragen. Wenn nicht, ist das nicht das Problem Russlands. Was eine schnelle Lösung betrifft, so ist nichts sinnloser als die Vernichtung eines stabilen Landes zugunsten islamistischer Terroristen, unabhängig davon, wie reich ihre Geldgeber sind und die den Bürgerkrieg in Syrien organisieren. Die schnellste und effektivste Lösung für dessen Beendigung wäre es, Doha, Riad und Ankara zu bombardieren.
Ist ein amerikanischer Militärschlag gegen Syrien denn noch zu vermeiden?
Nein. Die amerikanische Führung hat entschieden, einen Militärschlag gegen Syrien auszuführen, ansonsten verlieren die von ihren türkischen und arabischen Partnern unterstützen Terroristen den Krieg. Nach der Syrien-Frage stellt sich die Frage eines militärischen Schlags gegen den Iran. Für Saudi-Arabien ist das die einzige Chance zum Überleben. Eine direkte Auseinandersetzung mit dem Iran, die immer näher heranrückt, könnte das Land vernichten, wenn die USA vorher nicht den Iran angreifen.
Welchen Ausweg aus der entstandenen Situation sehen Sie?
Die unverzügliche Einstellung der Finanzierung und Versorgung der Kämpfer mit Waffen. Die Einstellung der Anwerbung von Terroristen in
der gesamten islamischen Welt, die von Doha und Riad durchgeführt wird. Die Vernichtung terroristischer Lager auf dem Territorium der Türkei und Jordaniens. Verhandlungen mit denen, die bereit sind, zusammen mit Assad und der Regierung in Damaskus Syrien wiederaufzubauen. Alles andere führt zu einem Zusammenbruch Syriens, zum Völkermord an den Alaviten und aller anderen Schiiten, zur Vernichtung der Christen, zum Krieg der syrischen Kurden und Drusen gegen die arabischen Sunniten und zu einer Verwandlung Syriens in ein neues Libanon, mit einem Bürgerkrieg zwischen den Gemeinschaften auf Jahrzehnte hinaus.
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