Waldai-Club: Religiöse Toleranz hat es schwer in Russland

Der Publizist Alexander Prochanow und der Rabbi Aaron Gurewitsch (rechts) w;hrend des Treffens von Waldai-Club im Iwerski-Kloster. Foto: RIA Novosti

Der Publizist Alexander Prochanow und der Rabbi Aaron Gurewitsch (rechts) w;hrend des Treffens von Waldai-Club im Iwerski-Kloster. Foto: RIA Novosti

Am zweiten Tag haben sich 200 Intellektuelle und Experten des Waldai-Clubs mit Orthodoxen, Moslems und Laizisten diskutiert, um über Modalitäten nachzudenken, die allen ein besseres Zusammenleben ermöglichen könnten.

Man brauchte einen heiligen Ort, um über religiöse Fragen zu sprechen. Das Treffen des Clubs wurde deshalb für einen Tag in das Iwerski-Kloster verlegt, um sich mit interreligiösen Beziehungen zu befassen. Die morgendlichen Diskussionen begannen unter einer Christus-Ikone und einer gewölbten Decke. Zwei Redner, die den beiden wichtigsten russischen Kirchen Orthodoxie und Islam angehören, sprachen vor den Zuhörern über das Thema „Interreligiöser und interethnischer Dialog als Spiegel der spirituellen Situation der Gesellschaft".

 

Orthodoxe Kirche predigt Toleranz und Einflussnahme

Der Metropolit Ilarion, auch als Komponist bekannt, wählte eine historische Perspektive, um daran zu erinnern, dass das Reich der Dynastie moslemischen Völkern gegenüber Toleranz gezeigt habe. Die Orthodoxie sei ihnen nicht aufgezwungen worden, sondern die Toleranz habe sich auf die Loyalität der örtlichen Eliten gegenüber dem Zaren gestürzt.

Die Polen- und Judenfragen seien nicht gelöst worden, merkte der Metropolit an, ohne jedoch eine Erklärung zu liefern. Nach dem wachsenden Einfluss des Patriarchats auf die Regierung befragt, antwortete Ilarion ganz offen, dass er sich eine weitere Ausdehnung dieses Einflusses wünschen würde.

Als Reaktion darauf erklärte der informelle Sprecher der orthodoxen Geistlichen, Wsewolod Chaplin, dass die Kirche sich das Recht nehme, die aktuellen Wertvorstellungen global zu analysieren – bis hin zu der Art, wie man seine Geschäfte führt oder Beamten ausbildet. Die beiden Kirchenmänner forderten die westlichen Länder auf, die Andersartigkeit Russlands zu akzeptieren und diesem Land aufmerksamer zuzuhören.

 

Moslems prangern Ausgrenzung an

Der Vertreter der Moslems, Mufti Damir-Hasrat Muchetdinow, beklagte die wachsende Islamophobie. „Ein muslimischer Nachbar wird als Fremder betrachtet, nicht als Landsmann", betonte er und erinnerte an die jahrtausendelange Präsenz des Islams in Russland. „Warum löst die Lesginka (kaukasischer Volkstanz, Anm. d. Red.) in den Straßen Moskaus ablehnende Reaktionen aus, während die Lesginka in den Straßen Berlins 1945 für Stolz sorgte?", fragte der Mufti.

Er erläuterte, dass heutzutage 27 bis 28 Millionen Moslems, einschließlich der Immigranten, auf russischem Territorium leben, um damit zu zeigen, dass es unmöglich sei, eine so bedeutende Minderheit zu ignorieren. Muchetdinow blieb politisch äußerst korrekt und vermied es, die Obrigkeit oder die orthodoxen Geistlichen zu kritisieren; dennoch stellte er klar, dass die Bemühungen in den Bereichen Bildung und Toleranz nicht ausreichten.

 

Radikaler Islam wird von allen Seiten abgelehnt

Einige der Zuhörer beteiligten sich an der Diskussion, um diese aus dem allzu „korrekten" Rahmen herauszuführen. Der Publizist Alexander Prochanow warf der Orthodoxen Kirche vor, die Russen in „Rote" und „Weiße" zu spalten. Darauf antwortete Ilarion, dass es nicht darum gehe, die Verbrechen der Geschichte zu vergessen, die von den Sowjets verübt worden seien, dass aber Wiedergutmachung durch christliches Verzeihen erforderlich sei.

Von dem Oppositionellen Gennadi Gudkow zum radikalen Islam und der Art befragt, mit der die muslimische Umma gedenke, gegen diese Gefahr zu kämpfen, antwortete Muchetdinow, dass Bildungsarbeit für die jungen

Moslems unerlässlich, damit diese nicht auf russischem Boden unter den Einfluss „ausländischer und nicht-traditioneller" Tendenzen gerieten. Mit salafistischen oder wahhabitischen Strömungen zu verhandeln oder sich mit ihnen zu verständigen, schloss er entschieden aus. „Wenn Sie mit ihnen nicht einer Meinung sind, gibt es zwei Möglichkeiten: Man wird vernichtet oder man konvertiert. Und alle Mittel sind recht." Niemand wollte dieser Beobachtung widersprechen. Allerdings muss man fairerweise anmerken, dass es keine salafistischen Vertreter in den Reihen des Waldai-Clubs gibt.

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