Der ehemalige Abgeordnete der Partei Gerechtes Russland Ilja Ponomarjow und die Fernsehmoderatorin Xenia Sobtschak. Foto: RIA Novosti
Die Diskussionen begannen mit dem Klirren der Kaffeetassen und dem recht weit gefassten Thema „Die Zukunft Asiens". Redner, die sich mit der englischen Sprache schwer taten, hinterließen bei den Zuhörern kaum bleibenden Eindruck. Hinzu kam, dass alle auf den nächsten Programmpunkt warteten, dessen Krönung ein Auftritt von Xenia Sobtschak werden sollte.
Opposition tritt offensiv auf
Sie enttäuschte nicht – weder hinsichtlich ihrer Erscheinung noch in Bezug auf ihre Standpunkte, die sie mit drastischen Formulierungen darlegte. Ihr Beruf als Fernsehjournalistin kam ihr zugute und stellte einen Gegensatz zu den meisten anderen Rednern des Waldai-Clubs dar, die größtenteils der Welt der Akademiker angehören. Xenia Sobtschak war der Stargast einer Diskussion, in der es um die „Unterschiedlichkeit der Werte" ging.
Drei Mitglieder der Opposition nahmen daran teil: Gennadi Gudkow und Ilja Ponomarjow, ehemalige Abgeordnete der Partei Gerechtes Russland, die abtrünnig geworden waren, sowie Xenia Sobtschak, deren politische Tätigkeit sich aus der Protestbewegung Ende 2011 entwickelte. Sie ist es gewohnt, aufgrund ihrer vorangegangenen Tätigkeit als Moderatorin von Reality-Fernsehshows, in die Schranken gewiesen zu werden, und trat auf als Sprecherin einer „Generation, die keine Angst mehr vor der Macht hat und sich unabhängig fühlt, da sie es schon immer gewöhnt ist, sich ausschließlich auf sich selbst zu verlassen".
Sie idealisierte die Generation der 20- bis 45-Jährigen und behauptete: „Wir leiden nicht an einem postimperialistischen Komplex, die Fragen der Grenzen und politischen Einflussbereiche langweilen uns. Wir wollen Putins Bevormundung nicht mehr und unsere Interessen werden von der Regierung nicht repräsentiert."
Im direkten Anschluss sprach der ausgesprochen links orientierte Wirtschaftswissenschaftler Michail Deljagin und ließ wie erwartet eine ganze Tirade der Verwünschungen gegenüber einer „Regierung von Betrügern" los. Diese seien nur „eine Maschinerie, die Gemeingut in Privateigentum einer Handvoll Politiker verwandelt."
Seiner Ansicht nach sei es vor allem die Propaganda staatlicher Fernsehsender, die von den Massenmedien unentwegt herabgewürdigte russische Sprache, der Rubel und die Erinnerung an den KGB, was die Russen miteinander verbinde. Deljagin war allerdings von seiner Nachbarin sichtlich beeindruckt, warf ihr unentwegt Blicke zu und ließ seinen Antiamerikanismus ruhen, nachdem er Sobtschak zugehört hatte, ohne sich über sie lustig zu machen.
Kreml-kritische Opposition findet auch Zeit, interne Streitigkeiten auszutragen
Der Politologe Nikolai Slobin führte die Diskussion wieder zu den Werten zurück, indem er auf die Literatur zu sprechen kam. „Europa ist durch die
große Philosophie geformt worden, während Russland keine Philosophen hatte, und seine Werte wurden von den bedeutenden Schriftstellern des 19. Jahrhunderts geprägt". Für ihn ist es undenkbar, ohne ein Wertesystem zu leben. „Man muss für Ordnung in den Köpfen sorgen, und genau das ist Putins Mission in seiner dritten Amtszeit", erläuterte er.
Slobin sorgte für Wirbel unter jenen, die „unentwegt dummes Zeug reden, wie die alte Leier, Russland sei nicht vernehmbar, oder den Mythos eines besonderen Entwicklungsweges Russlands." Ilja Ponomarjow, dessen Aura innerhalb der Opposition mit Alexej Nawalnys Erscheinen zunehmend verblasst, bemühte sich, Sobtschaks Idealismus im Hinblick auf die junge russische Generation zu relativieren. Er betonte, dass eine große Mehrheit apolitisch bleibe oder sowieso konservative Werte teile. Zwei Soziologen, die an der Diskussion teilnahmen, unterstützten diese Sichtweise.
Russische Politprominenz tritt auf
Es folgten drei weitere Veranstaltungen des Waldai-Clubs: Auftritte von Sergej Iwanow, Vorsitzender der russischen Präsidialverwaltung, des Außenministers Sergej Lawrow und schließlich von Iwanows Stellvertreter
Wjatscheslaw Wolodin, der für die Innenpolitik zuständig ist. Die im Publikum anwesenden Oppositionellen machten Iwanow heftige Vorwürfe in Bezug auf die Vetternwirtschaft und die Korruption, die das Land ihrer Meinung nach vergiften. Leider verpflichten die Regeln des Waldai-Clubs die wenigen anwesenden Journalisten, die Antworten der Amtsträger nicht zu verbreiten. Als Fazit können wir jedoch ziehen, dass diese Antworten keine bahnbrechenden Erkenntnisse mit sich brachten.
Der große Erfolg des Waldai-Clubs bestand eher darin, Opposition und Regierung eine Diskussionsplattform zu bieten. Ein erster Dialog hat stattgefunden, und die Herren Iwanow und Wolodin haben versprochen, diesen fortzusetzen.
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