Warschau: Angriff auf die russische Botschaft

Nach einem Angriff auf die russische Botschaft in Warschau fordert Moskau eine Entschuldigung. Foto: Reuters

Nach einem Angriff auf die russische Botschaft in Warschau fordert Moskau eine Entschuldigung. Foto: Reuters

Am vergangenen Montag attackierten Teilnehmer des „Unabhängigkeitsmarsches“ in Warschau die russische Botschaft. In einem Exklusivinterview spricht der russische Botschafter in Warschau über die Ereignisse.

Die Ausschreitungen in den Straßen Warschaus am Polnischen Tag der Unabhängigkeit, auch vor dem Gebäude der russischen Botschaft, zogen ernsthafte politische Konsequenzen nach sich.

Am Dienstag wurde der Botschafter der Republik Polen in Moskau Wojciech Zajaczkowski ins russische Innenministerium bestellt. Wegen der Ausschreitungen Tausender aggressiver Teilnehmer des sogenannten „Unabhängigkeitsmarsches" vor der russischen Botschaft in Warschau sprach man einen „scharfen Protest" aus. „Der diplomatischen Einrichtung wurde Sachschaden zugefügt und ein normaler Geschäftsbetrieb war de facto für mehrere Stunden unmöglich, was einen gröbsten Verstoß gegen die Wiener Konvention über die diplomatischen Beziehungen darstellt", empörte sich das russische Innenministerium.

Nach Angaben der städtischen Behörden Warschaus hatten am Montag bis zu 20 000 Personen an dem bereits zur Tradition gewordenen „Unabhängigkeitsmarsch" teilgenommen. Wie bereits in den Vorjahren zerstörten auch dieses Mal die Teilnehmer des Marsches alles, was ihnen in den Weg kam. Die Polizei setzte Tränengas, Gummigeschosse und Gummiknüppel ein; 72 Teilnehmer des Marsches wurden festgenommen. Die Stadtbehörden gaben bekannt, dass die durch den Marsch verursachten Schäden sich auf 28 300 Euro belaufen. 19 Personen, darunter zwölf Polizisten, wurden verletzt.

 

Eine historische Missachtung der diplomatischen Etikette

Das eklatanteste Ereignis war eindeutig der Angriff der Teilnehmer des Marsches auf die Botschaft der Russischen Föderation. Mit antirussischen Parolen warfen die Hooligans Steine und Knallkörper auf das Gelände und setzten das Wachhäuschen in Brand.

Gestern bekannte der polnische Innenminister Bartlomiej Sienkiewicz in einem Interview mit dem Radiosender „Polskie Radio": „In den 24 Jahren der Unabhängigkeit Polens haben vor Botschaften schon ganz verschiedene Demonstrationen stattgefunden, doch wir hatten es jetzt erstmals mit einem Angriff auf eine ausländische diplomatische Einrichtung zu tun. Eine solche Barbarei hat es bisher noch nicht gegeben. Keiner konnte vorhersehen, dass wir es mit einer solchen Rohheit zu tun haben würden." Der polnische Außenminister schrieb auf Twitter: „Die Bande der Nationalisten, die die Unantastbarkeit von Botschaften verletzt, lässt uns vor der ganzen Welt beschämt erscheinen. Es ist ein Verbrechen und eine Schande und kein Patriotismus."

 

Der russische Botschafter in Polen im Exklusivinterview

In einem exklusiven Interview mit der Zeitung „Rossijskaja Gazeta" sagte der russische Botschafter in Polen Alexandr Alexejew, dass die antirussischen Stimmungen in Wirklichkeit von bestimmten politischen Kräften aufgeheizt würden: „Ich denke nicht, dass das einfach eine Handlung einzelner Hooligans war. Die Marschroute wurde so verlegt, dass die Botschaft von drei Seiten durch die Teilnehmer umzingelt war. Das an sich ist schon ungewöhnlich. Bislang waren wir alle Zeugen einer Verdichtung von antirussischen Stimmungen, in erster Linie in den Massenmedien. Man nehme nur die Geschichte mit dem ‚Denkmal' des sowjetischen Soldaten, der eine schwangere Polin vergewaltigt, welches rechtswidrig in Danzig aufgestellt wurde. Offen gesagt waren wir nicht völlig überrascht. Wir hatten uns darauf vorbereitet, dass das alles in einer derartigen Aktion münden würde."

„Rossijskaja Gazeta": Wenn man bedenkt, dass die Route des Marsches im Voraus bekannt war, wurde der Schutz der Botschaft verstärkt? Denn diese Aufgabe obliegt ja der polnischen Seite.

Alexandr Alexejew: Ja, doch man muss bedenken, dass das Sicherheitspersonal nur minimal aufgestockt wurde. An der Demonstration haben Zehntausende von Menschen teilgenommen. Deshalb kann man die Verstärkung des Sicherheitspersonals lediglich als symbolisch betrachten. Tatsächlich hätte man uns entsprechend der Wiener Konvention den Schutz garantieren müssen.

Normalerweise umzäunt man in solchen Fällen die Botschaft mit speziellen Polizeiabgrenzungen, doch in diesem Fall ist das nicht geschehen. Deshalb konnte man ganz frei an unsere Botschaft herantreten. Die Anzahl der Polizisten um das Gebäude herum war ungenügend, und zusätzlich herangezogene Sicherheitskräfte sind erst etwa eine halbe Stunde nach Beginn der Ausschreitungen angerückt.

War das eine Ausschreitung von Hooligans oder finden Sie, dass die Situation ernster ist?

Ich denke nicht, dass das einfach nur Rowdytum ist. Die Demonstranten unternahmen den Versuch, auf das Gelände der Botschaft vorzudringen. Am Einfahrtstor wurde gerüttelt und die Alarmanlage gestört, wir reparieren

das alles gerade. Und es gibt noch viele andere Dinge, die Fragen aufwerfen. Schauen Sie nur: In der letzten Zeit wurde die russische Botschaft nur in Libyen angegriffen. Und nun plötzlich in Polen.

Sind Ihrer Meinung nach die antirussischen Stimmungen heute in der polnischen Gesellschaft stark?

Ich glaube, dass sie von den politischen Kräften in den Massenmedien geschürt wurden.

Wie sehen die nächsten Schritte der russischen Seite aus?

Ich plane einen Besuch im polnischen Innenministerium, wo ich alles vortragen werde, was wir über dieses eklatante Ereignis denken. Wir werden offizielle Entschuldigungen fordern, einen Ersatz des Sachschadens und, was das Wichtigste ist, Maßnahmen zur Verhinderung von solchen Situationen in der Zukunft."

Was meinen Sie, wird das Geschehene ernüchternd auf Hitzköpfe wirken?

Es müsste wirken. Solche Sachen darf man nicht zulassen. Wenn sich die Sicherheitssituation der Diplomaten in Polen verschlechtern sollte, würde es nicht das beste Licht auf die Polen werfen.

 

Dieser Beitrag erschien zuerst bei Rossijskaja Gaseta.

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