Petersburger Dialog: Gespräche mit Reformbedarf

Der russische Präsident Wladimir Putin und die Bundeskanzlerin Angela Merkel während des Treffens beim Petersburger Dialogs in Moskau im November 2012.  Foto: AFP/EastNews

Der russische Präsident Wladimir Putin und die Bundeskanzlerin Angela Merkel während des Treffens beim Petersburger Dialogs in Moskau im November 2012. Foto: AFP/EastNews

Die Stimmen, die nach Reformen des Forums rufen, werden lauter: Sowohl russische als auch deutsche Vertreter monieren einen Mangel an gesellschaftlichem Dialog und einer zu großen Fokussierung auf politische Themen. Die Regierungsgespräche entfallen dieses Jahr.

Wenn am Mittwoch die Vertreter der deutschen und russischen Zivilgesellschaften zum 13. Petersburger Dialog in Kassel zusammenfinden, wird es ungewöhnlich ruhig sein um das Treffen. Weil in Deutschland die Regierungskoalition noch nicht steht, fallen die deutsch-russischen Regierungsgespräche, die gewöhnlich an das Forum angeschlossen sind, aus. Noch im vergangenen Jahr war es beim Abschlusstreffen in Moskau zum verbalen Schlagabtausch zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel und Russlands Präsident Wladimir Putin gekommen. Während Putin etwa Deutschland bei der Russland-Politik zu wenig Eigenständigkeit innerhalb der EU vorwarf, kritisierte Merkel die Haftstrafen für die Frauen von Pussy Riot.

Dieses Mal wird es nicht zum Treffen von Putin und Merkel kommen. Auch wenn dadurch die Aufmerksamkeit der Medien und auch einiger Geldgeber merklich gedämpft sein dürfte, könnte diese Abwesenheit für das Treffen selbst sogar zuträglich sein. Vor allem aus Deutschland kam in den letzten Jahren immer wieder Kritik, der Dialog werde von der Politik überschattet. Mehrere deutsche Nichtregierungsorganisationen (NGO) verabschiedeten sich von dem Forum, zuletzt die Körber-Stiftung, die den Dialog jährlich mit 50 000 Euro gefördert hatte. Der Ton auf russischer Seite mache ein Gespräch unmöglich, zudem müsse die Organisationsstruktur von oben nach unten reformiert werden.

 

Das Format stammt aus harmonischeren Zeiten

Der Petersburger Dialog wurde 2001 vom damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder und Wladimir Putin gegründet. Die deutsch-russischen Beziehungen steuerten gerade auf ihren Höhepunkt zu. Der russische Präsident sollte noch im gleichen Jahr eine Rede im Bundestag halten. In deutscher Sprache betonte er, dass der Kalte Krieg längst vorbei sei. Die Petersburger Gespräche sollten auch im Bereich abseits der hohen Politik das Verhältnis zwischen beiden Ländern fördern. Zwölf Jahre später regt sich vor allem in Deutschland Kritik an dem Format.

„Vielen deutschen Organisationen passt nicht, dass die russische Seite handverlesene Gesellschaftsvertreter hinschickt und auch die Rolle der Wirtschaft bei den Gesprächen sehr groß ist", sagt Stefan Meister, Russlandexperte beim European Council on Foreign Relations. Es entstehe der Eindruck, dass es sich dabei um eine rein staatliche Veranstaltung handele. Zunehmend werden Stimmen laut, der Petersburger Dialog müsse reformiert werden. „Wäre er auch künftig nicht mehr an Regierungskonsultationen angeschlossen, bliebe mehr Freiraum für einen Dialog der echten Zivilgesellschaften", erklärt Meister. Das Problem liege

allerdings nicht nur in der Auswahl der russischen Teilnehmer. Auch auf deutscher Seite gibt es Reformbedarf. „Die Leitungsstruktur müsste dringend verjüngt werden, außerdem gibt es auch auf der deutschen Seite eine gewisse Erwartungshaltung, dass die Russen so werden sollten wie wir, ohne Rücksicht darauf, wer die treibenden Akteure sind und in welchem Zeitraum das passieren soll", so Meister. Man dürfe nicht nur bei prowestlichen Organisationen in Russland Gesprächsbereitschaft zeigen.

„Die Gespräche werden mit der Erwartung überfrachtet, dass sie Probleme, die auf politischer Ebene existieren, lösen könnten", sagt auch Martin Hoffmann, einer der Organisatoren des Petersburger Dialogs und Vorstandsmitglied im Deutsch-Russischen Forum. Die Kooperation auf gesellschaftlicher Ebene sei dabei viel besser, als die offiziellen Beziehungen auf zwischenstaatlicher Ebene vermuten lassen. Ein Beispiel seien etwa die Themen, bei denen die zahlreichen Städtepartnerschaften eine Rolle spielten und die von kommunaler Feuerwehr über Bürgerinitiativen bis hin zur Budgetkontrolle reichten. Auch kritische Punkte wie das verschärfte NGO-Gesetz in Russland würden ehrlich angesprochen und diskutiert. „Für dieses Jahr erhoffen wir uns von dem Treffen ein Signal für die kommende Bundesregierung, dass das gegenseitige Vertrauen auf zivilgesellschaftlicher Ebene auch als Motivation für die deutsche Russlandpolitik dienen kann", erklärt der Experte.

 

Reformen sind in Sicht

Dass es beim Dialog allerdings Reformbedarf gibt, sehen auch die Organisatoren selbst. So gab es in diesem Jahr eine Ausschreibung für

junge Russen und Deutsche, die sich an dem Petersburger Dialog beteiligen sollen. Zudem soll in den Arbeitsgruppen Diskussionen über besonders schwierige Themen mehr Zeit eingeräumt werden. „Durchdachte Reformen brauchen aber auch Zeit, es wäre jedoch grundfalsch zu sagen, wir hätten bereits das Optimum erreicht", so Hoffmann.

Probleme bei den deutsch-russischen Beziehungen wurden auch beim Treffen der Arbeitsgruppe Wirtschaft des Petersburger Dialogs im Oktober diskutiert. Am bayrischen Tegernsee warnten Wirtschaftsvertreter vor einem Rückschritt in den deutsch-russischen Beziehungen. Dieser zeige sich etwa in sinkenden Handelszahlen oder in fehlenden Ergebnissen bei der Visa-Liberalisierung, wobei die Vertreter von Wirtschaft und Nichtregierungsorganisationen sich in diesem Punkt einig sind. „Die Visa-Freiheit für Russland wäre die beste Werbung für eine zivilgesellschaftliche Verflechtung mit Russland", glaubt Martin Hoffmann. „Mehr kann man gar nicht tun."

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