Zum 20-jährigen Jubiläum der Verfassung soll es eine großangelegte Amnestie für Strafgefangene geben – wohl auch für die Pussy-Riot-Sängerinnen. Foto: AFP/East News
Im Rahmen der Amnestie sollen Personen entlassen werden, die keine gewaltsamen Verbrechen begangen haben, Frauen mit Kindern und Häftlinge, die den größeren Teil der Haft abgesessen haben. Dies wird wohl auch für die Mitgliederinnen der skandalösen Punk-Gruppe Pussy Riot gelten.
Am Mittwoch haben sich Menschenrechtler mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin getroffen, um die kommende Amnestie zu besprechen. Das Oberhaupt des Rats für Menschenrechte (RMR) Michail Fedotow und der Bevollmächtigte zu Fragen der Menschenrechte Wladimir Lukin erklärten, wen sie freilassen würden. Im Gespräch mit ihnen äußerte sich das Staatsoberhaupt allerdings sehr mehrdeutig: „Die Amnestie kann nur auf Personen angewandt werden, die keine schweren Verbrechen begangen haben. Das gilt nicht für Verbrechen, die mit Gewalt gegenüber Staatsvertretern verbunden waren, wobei man hier in erster Linie von
Vertretern der Vollzugsorgane sprechen kann", sagte der Präsident.
Nach Ansicht von Michail Fedotow werde die Amnestie übergreifenden Charakter haben. „Nach Schätzungen unseres Rats sprechen wir hier von ungefähr 100 000 betroffenen Personen", sagte er. Wladimir Lukin hingegen meint, dass nur knapp über 50 000 Gefangene in Frage kämen.
Der Aussage des Staatsoberhaupts nach zu schließen, werde unter die Amnestie auch eine Angeklagte aus der Protestbewegung 2012 fallen, schreibt Gazeta.ru. Das Schicksal aller anderen ist aber offen. Ebenso wenig klar ist, dass andere bekannte Inhaftierte wie Michail Chodorkowski oder Pussy Riot freikommen werden: Chodorkowski und Pussy Riot werden zwar Verbrechen beschuldigt, die nicht gewalttätiger Natur sind, jedoch als schwere Verbrechen eingestuft wurden.
Eine Quelle aus dem Umfeld des Staatsoberhaupts sagte „Gazeta.ru", dass die inhaftierten Pussy-Riot-Mitgliederinnen vermutlich Amnestie erhalten würden. Denn sie könnten unter die Amnestie für Frauen mit minderjährigen Kindern fallen.
Für genaue Aussagen ist es zu früh
Michail Fedotow ist sicher, dass der Präsident mit dem vorgeschlagenen Amnestiekonzept einverstanden sei. „In seinen Vorschlägen ging das RMR davon aus, dass die Rede von gewaltfreien Verbrechen ist, unabhängig davon, in welche Kategorie sie im Strafgesetzbuch fallen. Wie ich verstanden habe, war Putin insgesamt mit unserem Konzept einverstanden", sagte er gegenüber Gazeta.ru.
Doch der Vorsitzende des RMR beschwichtigt: „Es ist noch zu früh, über die genaue Gestaltung des Amnestieprojekts zu sprechen. Ich will nicht mit irgendwelchen Prognosen Hoffnungen wecken, die sich dann nicht erfüllen. Es wäre besser, wenn die Realität unsere Erwartungen übersteigt."
Wie Wladimir Grib, Mitglied der Gesellschaftskammer, erläuterte, ist die Amnestie ein Verfahren, in dem Entscheidungen nicht für einzelne Straffälle getroffen werden, sondern für ganze Kategorien von Gefangenen. Darum werde die Freilassung dieser Menschen auch ausschließlich ein juristisches Verfahren sein, ohne Einmischung vonseiten der Politik. „Wenn Pussy Riot unter die Kriterien fallen, werden sie garantiert freigelassen, und mit ihnen auch die restlichen 99 Prozent der betroffenen Gefangen, die uns unbekannt sind", sagte er.
Das sagt auch Wladimir Osetschkin, Mitglied des Rats zur Entwicklung der gesellschaftlichen Kontrolle in der Staatsduma der Russischen Föderation. Er ist überzeugt, dass die jungen Frauen aus der Punk-Gruppe Pussy Riot freigelassen werden: „Sie fallen unter eine Reihe von Kriterien: erstmals
verurteilt, Haftstrafe von unter fünf Jahren, und sie haben minderjährige Kinder. Natürlich kann man nichts sicher sagen, bevor die Staatsduma das Amnestieprojekt nicht angenommen hat, aber die Wahrscheinlichkeit ihrer vorzeitigen Freilassung ist hoch", betonte der Rechtschützer. Viel würde das den Musikerinnen allerdings nicht nützen, denn nach dem geltenden Urteil kommen die Mitglieder der Punk-Gruppe ohnehin im März 2014 frei. Von der Amnesie profitieren könnten hingegen Michail Chodorkowski und Platon Lebedew. Osetschkin glaubt, dass die beiden Inhaftierten vorzeitig freikommen könnten. „Sie haben zwei Drittel ihrer Strafe abgesessen, und es wäre unschön, sie hinter Gittern zu lassen", kommentierte der Menschenrechtler.
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