Wladimir Putin hat den ehemaligen Jukos-Chef Michail Chodorkowski begnadigt. Foto: Reuters
Am Donnerstag hatte Putin bekannt gegeben, dass er einen Begnadigungsantrag für den ehemaligen Jukos-Chef Michail Chodorkowski unterschreiben wolle. Experten meinen, dass diese Begnadigung sich nicht auf die Beziehungen mit dem Westen auswirken werde und dass der Freigekommene in Zukunft unternehmerische Erfolge erzielen könne.
„Er verbrachte über zehn Jahre hinter Gittern, das ist eine lange Zeit und ich finde, dass eine Begnadigung mittlerweile angemessen ist", sagte der Staatschef nach der Pressekonferenz am Donnerstag. „Gemäß dem Gesetz muss Chodorkowski einen Gnadenersuch unterschreiben, was er bisher nicht gemacht hatte. Vor Kurzem hat er sich an mich mit der Bitte um Begnadigung gewandt", berichtete Putin.
Den Worten des Präsidenten zufolge beruft sich der bekannte Häftling auf humanitäre Gründe: „Er hat eine kranke Mutter. Daher denke ich, dass man eine positive Entscheidung treffen und in der näheren Zukunft das Dekret über seine Begnadigung unterzeichnet werden kann." Putin versprach: „Demnächst wird seinem Antrag stattgegeben."
Chodorkowskis Anwälte hingegen bestehen darauf, dass es keinen Amnestieantrag gegeben habe. Wie Reuters berichtete, sagte einer seiner Anwälte, Wadim Kljuwgant, Chodorkowski habe nicht um eine Begnadigung gebeten: „Das ist nicht passiert und auch unmöglich." Die Pressestelle von Chodorkowski und Lebedew gaben bislang keinen Kommentar.
Während der Pressekonferenz sagte der russische Präsident, er sehe keinen Sinn in einer „dritten Verhandlung" zu Jukos, über die man neuerlich begonnen hat zu sprechen. „Was die ‚dritte Verhandlung' anbelangt, so will ich nicht in Details gehen, aber ehrlich gesagt sehe ich da keine Perspektive", verriet Putin. „Ich wüsste nicht, was noch verhandelt werden sollte."
Was ist der Nutzen der Begnadigung?
Wie der Experte der Alfa-Bank zu Strategiefragen Chris Wiever im Gespräch mit „Russia Direct" sagte, ist die Begnadigung vermutlich mit der Notwendigkeit verbunden, das Image und die Investitionsattraktivität des Landes vor den anstehenden Olympischen Spielen zu verbessern. „Gemeinsam mit der Nachricht über die amnestierten Greenpeace-Aktivisten wird die Nachricht über Chodorkowski zu einem weiteren
positiven Argument für eine Zusammenarbeit mit Russland", sagte er.
Igor Bunin, Präsident des Zentrums für politische Technologien, ist anderer Meinung. Er glaubt, dass Putin gegenüber Chodorkowski schon mehrmals signalisiert habe, eine Begnadigung sei möglich, wenn er darum gebeten werde. „Seine Begnadigung hängt ausschließlich mit der Unterzeichnung des Antrags zusammen. Hätte er keine Bitte eingereicht, hätten ihn weder eine Imageverbesserung noch eine Erhöhung der Investitionsattraktivität befreit", sagt der Politikwissenschaftler. Der Experte ist sicher, dass die Öffnung der Gefängnistüren des Ex-Jukos-Chefs sich nicht allzu stark auf die Beziehungen Russlands mit dem Westen auswirken werde. Zugleich sind schon heute die Aktien russischer Firmen auf den Börsen um 1,5 Prozent gestiegen.
Der Direktor des Instituts für Politische Studien und Mitglied der Gesellschaftskammer Sergej Markow ist überzeugt, dass auch Ausländer Chodorkowskis Verbrechen sehen. „Hier verschwindet ein Element des politischen Kampfs. Ich denke, dass die Finanzierung der antirussischen Aktionen im Ausland zurückgehen wird. Ich denke, diese Begnadigung ist eine Antwort auf das Versprechen der Befürworter Chodorkowskis, die Russland-Hetze auf ausländischen Plattformen nicht weiter finanzieren zu wollen", sagte er. Markow erklärte weiterhin, dass der Ex-Chef von Jukos heute kein politisches Gewicht habe und deshalb keine sichtbaren Veränderungen in der Innenpolitik passieren würden – „vielleicht nur, dass die radikale Opposition ein Argument für die Kritik an der Regierung verliert", beonte Markow. „Chodorkowski ist ein begabter Mensch. Er ist kein Arbeiter, der Handschuhe näht, sondern Geschäftsmann. Vermutlich sehen wir ihn in zehn Jahren wieder an der Spitze eines großen Unternehmens."
Am 31. Mai 2005 wurden Chodorkowski und sein Geschäftspartner Platon Lebedew im Rahmen der „ersten Jukos-Verhandlung" in einem gemeinsamen Urteil des Regionalgerichts Meschtschanskij zu je neun Jahren Freiheitsentzug verurteilt. Später wurde die Haftstrafe auf acht Jahre heruntergesetzt. Sie wurden des Betrugs, der Veruntreuung von staatlichen Finanzmitteln, des Raubs von wertvollen Rohstoffen in großem Maßstab, mehrerer Nichterfüllungen von Schiedsgerichtsbeschlüssen und der Steuerhinterziehung sowohl als Privatpersonen als auch als juristische Personen schuldig gesprochen.
Ende 2010 verurteilte das Gericht Lebedew und Chodorkowski zu je 14 Jahren Strafgefangenenlager, nachdem sie wegen der Entwendung von 200 Millionen Tonnen Erdöl und der Geldwäsche angeklagt wurden, unter Berücksichtigung der Haftstrafe von 2005, die durch das Meschtschanskij-Gericht angeordnet wurde. Das Urteil wurde dann um ein Jahr reduziert. Das Präsidium des Stadtgerichts Moskau hatte am 20. Dezember des vergangenen Jahres die Haftstrafe von 13 auf elf Jahre abgesenkt.
Der Geschäftsmann selbst hatte versucht, alle Anklagen gegen ihn als politisch motiviert darzustellen. Doch 2011 hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte keine politischen Hintergründe festgestellt, auch wenn es eine Reihe von Prozessverstößen festgestellt hatte.
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