Genf II beginnt mit Schlagabtausch

Viele der Vertreter aus den 40 Teilnehmerländern betonten, dass Russland eine entscheidende Rolle bei der Organisation von Genf II gespielt hatte. Foto: Reuters

Viele der Vertreter aus den 40 Teilnehmerländern betonten, dass Russland eine entscheidende Rolle bei der Organisation von Genf II gespielt hatte. Foto: Reuters

Die internationale Syrienkonferenz Genf II im schweizerischen Montreux, mit der die größten Hoffnungen auf eine Beendigung des blutigen Konflikts verbunden sind, hat begonnen. Die russischen Mitinitiatoren der Schlichtung zeigen sich verhalten optimistisch.

Zur Eröffnung der Konferenz zählte Uno-Generalsekretär Ban Ki-moon erschreckende Fakten auf: Während des fast dreijährigen Konflikts in Syrien sind mehr als 100 000 Menschen ums Leben gekommen, 6,5 Millionen wurden obdachlos, 2,3 Millionen, davon die Hälfte Kinder, flohen in Nachbarländer und über 9,3 Millionen Menschen benötigen dringend humanitäre Hilfe.

Da ist es nicht verwunderlich, dass Ban Ki-moon den Vertretern der Regierung aus Damaskus und der syrischen Opposition, die endlich den Weg an den Verhandlungstisch gefunden haben, seinen Dank aussprach. „Ich danke der syrischen Delegation für ihr Kommen", sagte er. „Ihre Anwesenheit gibt uns Hoffnung auf eine Lösung des Konflikts."

Danach sprachen jeweils sieben Minuten lang die Initiatoren des lange herbeigesehnten Forums, der russische Außenminister Sergej Lawrow und sein amerikanischer Amtskollege John Kerry.

„Uns ist klar, dass die Gespräche zwischen den syrischen Parteien schwierig und langwierig werden. Es gibt nicht wenige Kräfte, die Genf II zwar mit Worten unterstützt haben, tatsächlich aber auf ein Scheitern der Gespräche hoffen", sagte Lawrow. „Und dennoch bietet die Konferenz, wenn auch keine hundertprozentige Sicherheit, so doch eine realistische Chance auf einen Frieden in Syrien. Wenn uns eine Befriedung gelingt, dann wäre das nicht nur für die befreundete syrische Bevölkerung ein Segen, es würde der Beruhigung der Lage in der ganzen Region und der internationalen Lage insgesamt sowie einer Festigung der Prinzipien einer fairen und gleichberechtigten Partnerschaft in Angelegenheiten von globaler Bedeutung zugutekommen."

 

Herausragende Rolle Russlands wird gelobt

Viele der Vertreter aus den 40 Teilnehmerländern betonten, dass Russland eine entscheidende Rolle bei der Organisation von Genf II gespielt habe. Ihrer Meinung nach sei es vor allem der russischen Diplomatie zu verdanken, dass die syrischen Parteien den Weg nach Montreux und Genf gefunden haben.

„Bereits ganz am Anfang der Syrienkrise ist Russland konsequent davon ausgegangen, dass eine militärische Lösung nicht zielführend ist und dass eine Beilegung des Konflikts nur im Einvernehmen zwischen den Konfliktparteien herbeigeführt werden kann", sagte Lawrow. Genau dieser Ansatz lag auch dem Genfer Kommuniqué vom 30. Juni 2012 zugrunde, das, wenn auch mit erheblicher Verzögerung, durch den UN-Sicherheitsrat in der Resolution 2118 als internationaler Rechtsrahmen für die Befriedung Syriens gebilligt wurde.

Im Rahmen seiner Vermittlungsbemühungen hat Russland mehrfach Delegationen empfangen, darunter eine offizielle Delegation aus Damaskus

sowie auch solche der inner- und außersyrischen Opposition. Vor einer Woche erst hatte Lawrow in Paris den Vorsitzenden der Nationalen Koalition der syrischen Revolutions- und Oppositionskräfte Ahmad al-Dscharba von der Notwendigkeit der Teilnahme an Genf II überzeugt.

Und so kam al-Dscharba nach Montreux und forderte die Regierungsvertreter aus Damaskus auf, zu bestätigen, dass sie in Syrien eine Übergangsregierung schaffen wollen. „Ich rufe die syrische Delegation dazu auf, unverzüglich das Genfer Kommuniqué zu unterzeichnen, damit Präsident Assad alle seine Vollmachten abgibt, einschließlich der Exekutivgewalt und der Befehlsgewalt über die Armee", erklärte er. Das müsse der erste Schritt beim Aufbau eines „neuen Syriens" sein.

Der Leiter der syrischen Delegation, Außenminister Walid al-Muallim, erinnerte den Anführer der Exil-Opposition und Außenminister Kerry daran, dass niemand außer dem syrischen Volk das Recht habe, die syrische Regierung für legitim oder illegitim zu erklären. „Unsere Aufgabe hier ist es, allen den Willen des Volkes zu überbringen, und nicht sein Schicksal zu bestimmen", unterstrich er. Außerdem soll in Syrien ein nationales Referendum zu den Ergebnissen von Genf II durchgeführt werden. „Auf diese Weise hat das syrische Volk das letzte Wort und kann sein Schicksal selbst bestimmen", sagte der syrische Außenminister.

Einige hundert Syrer aus verschiedenen europäischen Ländern waren nach Montreux gekommen, um al-Muallim zu unterstützen. Am Mittwochmorgen versammelten sie sich mit Fahnen und Porträts von Assad in den Händen an der Zufahrt zum Pressezentrum der Konferenz. Die Polizei griff nicht ein. Dafür dauerte der Schlagabtausch zwischen den beiden syrischen Lagern, der sowohl im Sitzungssaal als auch hinter den Kulissen stattfand, den ganzen Tag.

 

Die Verhandlungen werden Zeit brauchen

Zu den Ergebnissen des ersten Tages des Forums sagte Sergej Lawrow den russischen Journalisten gegenüber, dass die Konferenz „erwartungsgemäß" verlaufen sei. „Niemand gab sich der Illusion hin, dass bereits in der Anfangsphase Vereinbarungen erzielt werden", sagte er. „Die Konfliktparteien haben in ihren emotionalen Reden wie erwartet Anschuldigungen gegeneinander erhoben. Das Wichtigste jedoch ist, dass die beiden syrischen Delegationen und alle Teilnehmer der Konferenz bestätigten, dass es nur eine politische Lösung geben kann, und sie den schnellstmöglichen Beginn der innersyrischen Gespräche aktiv unterstützen."

Am 24. Januar treffen sich die beiden syrischen Delegationen im Völkerbundpalast in Genf, um ein Programm zur Umsetzung der Vereinbarungen von Genf I auszuarbeiten. Dies schließt die Schaffung einer

Übergangsregierung mit ein. Es wird erwartet, dass die erste Runde der Gespräche zwischen sieben und zehn Tage beanspruchen wird, woraufhin eine Unterbrechung möglich ist. Die Vermittlerrolle wird von einem erfahrenen Verhandlungsführer übernommen: dem Syrien-Sonderbeauftragten der Uno und der Arabischen Liga Lakhdar Brahimi. „Mit ihm werden Mitarbeiter der Auswärtigen Ämter von Russland und den USA koordiniert zusammenarbeiten. Sie werden den syrischen Verhandlungsparteien zur Seite stehen", verlautbarte die russische Delegation gegenüber Russland HEUTE.

Die übrigen Teilnehmer des Forums in Montreux sind nach Hause gefahren, von wo aus sie den Verlauf der Verhandlungen in Genf aufmerksam verfolgen werden. Am Rande haben Ban Ki-moon, John Kerry und der französische Außenminister Laurent Fabius erklärt, dass sie nach Davos fahren werden, wo am Mittwoch das 44. Weltwirtschaftsforum begann. Dort soll nach Informationen von Russland HEUTE ein eindrucksvolles Paket an Dokumenten diskutiert werden, das die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Russland und den USA auf ein wesentlich höheres Niveau bringen soll.

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