Von links nach rechts: Der russische Vizeaußenminister Gennadi Gatilow, die US-Vizeausenminsterin Wendy Sherman, der russische Vizeaußenminister Michail Bogdanow. Foto: Reuters
Australien, Jordanien und Luxemburg haben mit dem Segen der USA und anderer Länder des Westens den Entwurf einer Resolution des UN-Sicherheitsrats ausgearbeitet, die ihren Schwerpunkt auf humanitäre Hilfeleistungen für die Zivilbevölkerung Syriens legt. Ihre politische Absicht liegt allerdings nicht allzu tief unter der Oberfläche verborgen. Das Projekt sieht Sanktionen gegenüber jenen vor, die sich der Leistung humanitärer Hilfe für Syrien in den Weg stellen. Es ist eine fünfzehntägige Frist zur Erfüllung des Forderungskatalogs vorgesehen. Der Resolutionsentwurf verlangt unter anderem die Einstellung „aller Formen der Gewalt", der Verletzungen des internationalen Rechts – darunter auch der Luftangriffe auf die Zivilbevölkerung und der Angriffe auf humanitäre Helfer – sowie die Aufhebung der Blockade von Städten.
Eine Resolution mit doppeltem Boden
Die Einstellung Russlands zu diesem Dokument ist eindeutig negativ. „Der Katalog hat einen politischen Hintergrund, und sein ganzer Sinn ist darauf ausgerichtet, im Falle der Nichterfüllung von in dieser Liste enthaltenen Forderungen die Grundlage für anschließende militärische Aktionen gegen die syrische Regierung zu schaffen", kommentierte der stellvertretende Außenminister Russlands, Gennadi Gatilow, den Entwurf. Umstände, unter denen man der Regierung die Nichterfüllung von Verpflichtungen vorhalten könne, ließen sich bei Bedarf immer finden. Deshalb werde diese Resolution nicht nur von Moskau, sondern auch von Peking blockiert.
Dennoch setzt sich die verbale Auseinandersetzung fort. Der US-amerikanische Präsident Barack Obama übte auf einer gemeinsam mit dem französischen Präsidenten François Hollande veranstalteten Pressekonferenz Kritik an Russland. Er warf dem Land vor, die Versorgung der Bevölkerung mit humanitären Hilfsleistungen zu blockieren.
Der Außenministers Russlands, Sergej Lawrow, erklärte seinerseits auf einer Pressekonferenz in Moskau am vergangenen Dienstag: „Wir haben den Eindruck, dass das Thema der humanitären Hilfeleistungen zu einem Vorwand werden soll, den politischen Prozess zu untergraben. Die gesamte Schuld soll dem Regime in Damaskus zugeschoben werden. Dasselbe Ziel hatte auch schon vor nicht allzu langer Zeit das Thema der Chemiewaffen.
Zudem wird damit ein Grund geliefert, zur militärischen Lösung des Konflikts zurückzukehren, um einen Regimewechsel in Damaskus herbeizuführen. Wir sind der Meinung, dass das absolut kontraproduktiv ist."
Außerdem legte Russland einen eigenen Resolutionsentwurf vor, der die Prioritäten Moskaus widerspiegelt. Der ständige Vertreter Russlands bei der Uno, Witalij Tschurkin, stellte am Mittwochabend das Dokument den ständigen Mitgliedern des Sicherheitsrats zur Diskussion vor.
Wie Gatilow gegenüber Journalisten in Genf erklärte, sei der Entwurf auf den Kampf gegen den Terrorismus in Syrien ausgerichtet. Nach Angaben von James Clapper, Nationaler Geheimdienstdirektor der Vereinigten Staaten, sind in Syrien zwischen 20 000 und 26 000 bewaffnete Extremisten aktiv. „Die extremistischen Gruppierungen verfügen über sehr großen Einfluss, da sie über die am besten ausgebildeten Kämpfer verfügen", betonte Clapper.
Die Situation des Vorjahres wiederholt sich
Im Großen und Ganzen erinnert die Situation an jene, die sich am Vorabend des G-8-Treffens in Irland im Sommer des vergangenen Jahres ergeben hatte: Eine großangelegte Kampagne, die über Medien und diverse diplomatische Kanäle gestartet worden war, sollte Moskau veranlassen, den vom Westen angestrebten militärischen Druck auf Damaskus zu akzeptieren. Ziel des Ganzen war, Präsident Baschar al-Assad zum Rücktritt zu bewegen.
Damals gelang es in Lough Erne jedoch nicht, Putin zu überzeugen. Vielmehr wurde auf dem Gipfel eine durchaus ausgewogene Resolution zu Syrien verabschiedet, in deren Mittelpunkt die Bekämpfung der in das Land einströmenden Dschihadisten stand.
Bei allen Ähnlichkeiten zwischen damals und heute – die Situation hat sich inzwischen spürbar verändert. Wie der Außenminister der USA, John Kerry, vor einer Woche eingestand, konnte Präsident Assad seine Position im Land etwas festigen. Zu dieser Überzeugung ist auch James Clapper gekommen. Die Seiten des bewaffneten Konflikts in Syrien verfügten nicht über die militärische Stärke, einen endgültigen Sieg zu erzielen, erklärte er im Rahmen seines Auftritts vor dem Ausschuss des Senats für die parlamentarische Kontrolle des US-Verteidigungsministeriums. Als Fazit sagte James Clapper eine „anhaltende Pattsituation" in Syrien voraus.
Die Genfer Verhandlungen stecken in der Sackgasse
Ähnlich ist die Situation in der Schweiz, wo zurzeit die zweite Runde der Genf-II-Konferenz zu Syrien tagt. Deren erste Runde wurde alleine schon deshalb als Erfolg gewertet, weil die Konfliktparteien sich endlich gemeinsam an den Verhandlungstisch gesetzt hatten. Doch es ist bereits abzusehen, dass die zweite Runde noch nicht einmal solche symbolischen Ergebnisse liefern wird.
Assad ist ganz offensichtlich nicht zu einem Kompromiss mit den wenigen Vertretern der syrischen Opposition, die die Genf-II-Delegation bilden,
bereit. Die Opposition ihrerseits, eine durch die Freunde Syriens handverlesene Gruppe, die weder von den gemäßigten noch von den im Inneren des Landes agierenden radikalen, bewaffneten Gruppierungen anerkannt wird, kämpft um ihr politisches Überleben und versucht deshalb, die Verhandlungen hinauszuziehen. Es ist ein weiteres Anzeichen für die Ausweglosigkeit der ganzen Situation.
Wohl aufgrund dieser Umstände haben die USA beschlossen, noch einmal Druck auf Moskau auszuüben. So erklärte Obama erneut, dass er eine militärische Lösung für Syrien nicht ausschließen könne. Die USA nötigen jedoch mit ihrer Forderung gegenüber Moskau nach einer Unterstützung der humanitären Resolution Russland de facto dazu, eines der grundlegenden Prinzipien der Außenpolitik des Landes aufzugeben: den Widerstand gegen einen Regimewechsel unter Anwendung von Mechanismen der Uno. Putin wird wohl kaum von seinen Prinzipien abrücken und die mit viel Mühe erkämpften Positionen aufgeben.
Die Abstimmung zu den beiden Resolutionsentwürfen erfolgt nicht vor nächster Woche.
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