Michail Gorbatschow begrüßt den Beitritt der Krim zur Russischen Föderation. Foto: Photoshot / Vostock Photo
Michael Gorbatschow hat die Ereignisse rund um das Referendum aufmerksam beobachtet und ist überzeugt, dass die Bewohner der Krim russische Pässe erhalten möchten. „Jetzt ist auf der Krim alles so geschehen, wie die Menschen es sich gewünscht und worum sie gebeten hatten", sagt der ehemalige Politiker.
„Es ist gut, dass dieser Weg – der Weg des Referendums – gegangen wurde. Die Menschen haben gezeigt, dass sie nach Russland zurückkehren möchten und sich von niemandem irgendwohin schicken lassen. Die Bewohner der Krim müssen nun verantwortungsvoll und geschickt über ihr erlangtes Glück verfügen. Ich denke, dass das ein freudiges Ereignis ist, und man muss es auch als solches wahrnehmen."
Zugleich habe das Referendum auf die Souveränität der Krim hingewiesen, und „dass die Krim ihre Souveränität zurückerlangt, ist die Hauptsache", meint Gorbatschow. „Das ist Wahlfreiheit, die immer und überall unabdingbar ist."
„Wir leben alle in einem Dorf"
Der ehemalige Präsident der UdSSR meint, dass die Bewohner der Krim in
den vergangenen Jahren auf der Seite Russlands und nicht der Ukraine gestanden hätten. „Ich persönlich bin der Meinung – wie auch alle anderen Anhänger einer Rückkehr der Krim nach Russland –, dass die Krim sich Russland nur aus eigenem Antrieb, demokratisch und frei anschließen kann. Und auf keinen Fall darf Blut vergossen werden – wir haben ja gesehen, wohin das führt. Aber genau das kann von vielen Raubtieren um Russland herum provoziert werden. Die Ukraine und die Krim sind ihnen nicht wichtig; sie lassen die Realisierung der Pläne, die Russland in den letzten Jahren entwickelt hat, aus Prinzip nicht zu", erklärt Gorbatschow. „Der größte Fehler wäre es, wenn es den Gegnern der Wiedervereinigung von Russland und der Krim gelingen würde, Russland und die Ukraine gegeneinander aufzubringen. Denn dass Russen gegen Ukrainer gegeneinander kämpfen, wäre absurd."
Der Friedensnobelpreisträger ist der Ansicht, dass man in den die Krim betreffenden Fragen einen Kompromiss finden müsse. „Der Westen, Russland und die Ukraine müssen verstehen, dass wir in einer großen, aber engen Welt leben. Im Grunde genommen leben wir in einem großen Dorf, und alle, die darin wohnen, sind voneinander abhängig und füreinander verantwortlich. Man muss lernen, in einer globalisierten Welt zu leben", sagt Gorbatschow und fügt hinzu: „Die einzelnen Länder sind immer stärker miteinander verbunden, und wer das außer Acht lässt, ist ein Dummkopf."
„Die USA müssen ihre eigene Perestroika durchführen"
Er widerspricht dem US-amerikanischen Präsidenten, der das Referendum für illegitim hält und nicht anerkennt. „Als Obama das Amt übernommen hat, habe ich ihn unterstützt und sehr begrüßt. Doch jetzt muss er seine
Haltung, die Vereinigten Staaten seien allen anderen Nationen überlegen, überdenken", fordert Gorbatschow. „Diese Haltung schadet den USA bereits seit Ende des Kalten Kriegs", sagt er und führt aus: „Als der Kalte Krieg zu Ende ging, gab es viele, die eine neue Weltordnung forderten, vor allem die US-Amerikaner. Schließlich hat die USA aber eine andere Politik gewählt: Sie sind bei ihrer Haltung, Amerika sei allen anderen Völkern überlegen, geblieben. Zunächst hat das auch funktioniert, getreu dem Motto: Warum sollen wir etwas ändern? Wenn wir bleiben, wie wir sind, ordnet die Welt sich uns unter und wir sind die einzige Supermacht. Gott selbst hat uns schließlich dazu gemacht! Und die Amerikaner sind mit diesen Gedanken in die Zukunft gegangen und haben sich vor der ganzen Welt blamiert. Die anderen Länder haben die US-Politik nicht akzeptiert."
Michail Gorbatschow mahnt: „Die US-Amerikaner müssen unbedingt diese Komplexe überwinden und ihre eigene Perestroika durchführen. Vor ihnen liegt ein langer Weg. Aber so etwas ist nicht einfach und braucht seine Zeit. Ich selbst habe die Perestroika der Sowjetunion 25 Jahre lang geplant."
Doch auch der russische Präsident Wladimir Putin steht in seiner Kritik, obwohl er ihn anfangs unterstützt habe: „In den ersten Jahren seiner
Präsidentschaft hat Putin mir sehr gefallen, im Westen habe ich ihn immer unterstützt. Aber allmählich hat er sich zu einer Art Großfürst entwickelt. Das Volk kehrt sich wieder von der Politik ab und man vertraut ihm nicht mehr", klagt der ehemalige Präsident der Sowjetunion. „Möglicherweise ist mir auch nicht alles bekannt, was er bezüglich der Krim unternommen hat. Ich bin krank und ständig im Krankenhaus, deshalb kann ich nicht alles genau verfolgen." Doch er ist sich mit Putin in einem Punkt einig: „Wenn ich das richtig verstehe, ist Putin der Meinung, dass die Ukraine und die Krim frei sein sollen. Sie sollen frei sein und ihr Schicksal mithilfe des Referendums selbst bestimmen. Diese Meinung Putins begrüße ich."
Auch zur weiteren Entwicklung äußert Gorbatschow eine Anregung: Die Bevölkerung im Süden der Ukraine sei hauptsächlich russischsprachig und könne ihr Schicksal ebenfalls selbst bestimmen. Als Beispiel könnte den Menschen das Referendum auf der Krim dienen.
Dieser Beitrag erschien zuerst bei Slon.ru
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