Russlands UN-Botschafter Witalij Tschurkin beim Meinungsaustausch mit seiner US-amerikanischen Kollegin Samantha Power bezüglich der Krim-Krise während der Sitzung des UN-Sicherheitsrats im März. Foto: Reuters
Der US-amerikanische Präsident Barack Obama hat ein Gesetz zur Unterstützung der Souveränität der Ukraine unterzeichnet. Die Reaktion Moskaus auf dieses Vorgehen fiel äußerst negativ aus: „Die US-Administration ist die Geisel ihres eigenen fehlerhaften Denkansatzes. Sie lässt sich von ihrer realitätsfernen Vorstellung darüber, was in der Ukraine und auf der Krim vor sich geht und wie man die ukrainische Krise bewältigen kann, leiten“, erklärte der stellvertretende Außenminister der Russischen Föderation, Sergej Rjabkow, gegenüber der Nachrichtenagentur „Itar-Tass“. Rjabkow zufolge könnten „keinerlei Sanktionen, weder die bereits eingeleiteten noch jene, die in nächster Zeit ausgesprochen werden, für Washington den gewünschten Effekt bringen – weder gegenwärtig noch in der Zukunft“.
Obama hatte noch vor Unterzeichnung des neuen Gesetzes betont, dass weitere Wirtschaftssanktionen als nächster Schritt zur Erhöhung des Drucks auf die Russische Föderation möglich seien. Russische Experten nehmen allerdings an, dass Washington von dieser Option zumindest in der nächsten Zeit keinen Gebrauch machen wird: „Das vierte Sanktionspaket,
das sich gegen die führenden Wirtschaftszweige der Russischen Föderation richtet, wurde als Antwort auf das mögliche weitere Vordringen Russlands in den Osten der Ukraine angekündigt. Gegenwärtig sieht es nicht so aus, als ob Russland vorhat, irgendwohin vorzudringen“, sagte der Vorsitzende des russischen Rats für Außen- und Verteidigungspolitik Fjodor Lukjanow und fügte hinzu: „Anstatt neue Sanktionen einzuführen, werden die USA allmählich ihre Zusammenarbeit mit der Russischen Föderation einstellen.“
Faktisch ist bereits heute nicht mehr viel von den bilateralen Beziehungen beider Länder übrig. Nachdem die Amerikaner von dem geplanten Krim-Referendum erfahren hatten, erklärte Washington die Einstellung der militärischen Zusammenarbeit mit Moskau sowie den Abbruch der Verhandlungen über Abkommen im Bereich der Wirtschaft. Nachdem die Krim Russland beigetreten war, stellte Washington die Zusammenarbeit mit Moskau im Kampf gegen den internationalen Drogenhandel sowie die Zusammenarbeit bei einer Reihe von Projekten zur friedlichen Nutzung der Kernenergie ein. Daneben kündigte die Nationale Luft- und Raumfahrtbehörde der USA (NASA) den Stopp aller gemeinsamen Projekte an – abgesehen von der ISS, da die Amerikaner hier auf die russischen Sojus-Raumfähren angewiesen sind. Den empfindlichsten Schlag für die bilateralen Beziehungen versetzte das Weiße Haus jedoch gestern, als es seinen Ausstieg aus der russisch-amerikanischen Präsidentenkommission erklärte.
Ein neuer Hauch des Kalten Kriegs
Diese Kommission wurde im Juli 2009 während des Staatsbesuchs des US-Präsidenten in Moskau gegründet – auf dem Höhepunkt der „Peresagruska“, des Neustarts der Beziehungen zwischen Moskau und Washington. In dieser Kommission waren zwanzig Arbeitsgruppen tätig, einschließlich der Expertengruppen für Atomenergie, für Waffenkontrolle, für den Kampf gegen Terrorismus, für die Entwicklung der Geschäfts-, Wirtschafts- und Handelsbeziehungen, für Landwirtschaft sowie für Gesundheitswesen.
Vor einem Jahr begann es zu kriseln, als Russland mit einem neuen Gesetz gegen Nichtregierungsorganisationen vorging. Als Zeichen des Protests verließen die USA die Arbeitsgruppe für Bürgergesellschaften. Im Juni 2013 wurde allerdings eine neue Gruppe für Zusammenarbeit bei der internationalen Informationssicherheit initiiert. In dieser Kommission arbeiteten mehr als sechzig russische und amerikanische Staatsbeamte mit. Über 500 gemeinsame Treffen, Austausche und Schulungen wurden seither durchgeführt.
US-amerikanische Experten sagen, dass die bilateralen Beziehungen mit Russland für die USA keine übergeordnete Bedeutung hätten. Angela Stent, Leiterin des Zentrums für Eurasien-, Russland- und Osteuropaforschungen an der Georgetown-Universität, sagte jedoch, dass „Moskau weiterhin ein wichtiger Ansprechpartner“ sei. „Dies gilt für die Nichtweitergabe von Atomwaffen, der Afghanistanfrage, die Entwicklungen im Iran und für den Arabischen Frühling.“ Das sagte auch der frühere Botschafter der USA in der Russischen Föderation Michael McFaul gegenüber der Zeitung „Kommersant“. Indem Barack Obama die bilaterale
Zusammenarbeit mit Moskau herunterfährt, entgeht er dem Vorwurf, zu weich zu sein – ohne jedoch dabei Auswirkungen auf die Weltwirtschaft zu riskieren, die durch schärfere Sanktionen gegen Russland entstehen würden.
Der Sprecher des Außenministeriums der Russischen Föderation, Alexander Lukaschjewitsch, kommentierte die jüngste Entscheidung Washingtons, die Arbeit in der Präsidentenkommission einzustellen, indem er unter anderem daran erinnerte, dass diese „mit Rücksicht sowohl auf die russischen als auch auf die amerikanischen Interessen als ein Instrument des direkten Dialogs zwischen den Behörden, den Geschäftskreisen und den Bürgergesellschaften der beiden Länder geschaffen wurde“. Der Diplomat moniert: „Jetzt, da die Situation auf der Krim und in der Ukraine sich nicht so gestaltet, wie die USA es gerne hätten, reagieren die Amerikaner äußerst emotional und denken dabei offenbar nicht über die Folgen nach.“
Mit Verwunderung hat man die Entscheidung des Weißen Hauses auch im Kreml aufgenommen. „Wir haben auf dieses Vorgehen und dem Einstellen der Aktivitäten der USA in der Kommission mit Bedauern reagiert“, erklärte der Sprecher des Präsidenten der Russischen Föderation Dmitrij Peskow. „Wir verlieren faktisch die bilateralen Kanäle in verschiedenen Fachbereichen.“ Auf die Frage, ob denn Moskau zur Wiederaufnahme der Arbeit in der Kommission eine neue Initiative starten werde, antwortete Peskow: „Das ist zurzeit ausgeschlossen. Ein freundliches Verhalten kann nicht erzwungen werden.“
Dieser Beitrag erschien zuerst bei Kommersant
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