Black Box Kaukasus

Der russische Präsident Wladimir Putin und sein armenischer Kollege Sersch Sargsjan. Armenien ist Russlands strategischer Bündnispartner im Kaukasus. Foto: ITAR-TASS

Der russische Präsident Wladimir Putin und sein armenischer Kollege Sersch Sargsjan. Armenien ist Russlands strategischer Bündnispartner im Kaukasus. Foto: ITAR-TASS

Einzig Armenien, das kleinste Land im Kaukasus, steht treu an Russlands Seite. Aserbaidschan und Georgien verfolgen eine andere Außenpolitik. Was kann Russland in den kommenden Jahren von den Nachbarn im Süden erwarten?

Aserbaidschan: Kooperation nach dem Ölboom?

Die Regierung in Baku demonstriert seit Langem eine Ablehnung gegenüber allen Integrationsbemühungen. Sie beschränkt sich auf die Mitgliedschaft in der amorphen GUS und auf die Teilnahme am Türkischen Konzil. Weiteren internationalen Gremien gehört sie nicht an. Übrigens werden im Türkischen Konzil bislang größtenteils nur humanitäre Projekte realisiert, die keine großen wirtschaftlichen Opfer oder politischen Entscheidungen erfordern. Wie sich Aserbaidschan verhalten wird, wenn in der Allianz ökonomische Faktoren eine Rolle spielen werden, kann man bisher nicht vorhersehen.

Das Desinteresse Bakus an internationalen Bündnissen kann sich mit der fehlenden Bereitschaft zur Rücksichtnahme auf „multilaterale Interessen" erklären. Die würde schließlich in der Regel zu einer gewissen Beschneidung der eigenen Souveränität führen. Präsident Ilham Aliyev erklärte unzweideutig, dass eine eurasische Integration für Aserbaidschan nicht interessant sei und eine europäische keinen lukrativen Weg für sein Land darstelle. Gleichzeitig ist Baku bereit, bilaterale Beziehungen auf gleichberechtigter Ebene mit praktisch jedem Land aufzunehmen.

Wegen des Bergkarabachkonflikts ist Aserbaidschan manchmal gezwungen, mit Rücksicht auf Russland zu agieren und Drohgebärden in Richtung Moskau zu vermeiden. Als weitere Hemmungsfaktoren der Außenpolitik dienen der russische Markt, der traditionellerweise mit einem großen Teil der aserbaidschanischen Agrarprodukte beliefert wird, sowie die mindestens eine Million Gastarbeiter Aserbaidschans, die sich in Russland aufhalten. Diese Faktoren kann man als Druckmittel Moskaus gegen Baku ansehen. Experten neigen zu der Ansicht, dass das Interesse Aserbaidschans an internationalen Bündnissen umgekehrt proportional von der inländischen Fördermenge der fossilen Energieträger abhängen könnte. Sobald in der Erdgasförderung ein Rückgang verzeichnet wird, was einer Reihe von Prognosen nach zum Jahr 2022 passieren könnte, würde das Interesse an multilateralen Bündnissen stark ansteigen. Die Eigenständigkeit des aserbaidschanischen Staates würde sich verringern – die internationale Vernetzung würde zunehmen.

Russland würde Aserbaidschan natürlich gerne in der Eurasischen Union sehen. Es kann aber nicht verstehen, dass jede kleinste Unterredung mit Baku es nur noch weiter in die Arme von Ankara treibt und dass scharfe Reaktionen jedweder Art vonseiten der Türkei es Russland schlichtweg unmöglich machen, in Aserbaidschan einen Partner zu finden. Dabei können die bilateralen russisch-aserbaidschanischen Beziehungen durchaus als sehr freundschaftlich bezeichnet werden. Sie wurden selbst von der Weigerung Aserbaidschans, den Pachtvertrag der Radarstation Gabala mit Russland zu verlängern, entgegen aller Prophezeiungen nicht überschattet. Moskaus Diplomatie in Baku ist als normal und natürlich zu bezeichnen.

 

Armenien: Blockade-Hilfe für den Bündnispartner

Mit der Regierung in Jerewan hat Moskau keinerlei Probleme. Das kurze neuerliche Hin und Her der armenischen Regierung zwischen Europäischer und Eurasischer Union endete mit der Entscheidung für das prorussische Bündnis. In Armenien befindet sich eine große Militärbasis der Russischen Föderation. Im Gegenzug garantiert Russland die Sicherheit

seines strategischen Bündnispartners im Kaukasus. Und rechnet man noch hinzu, dass praktisch in der ganzen armenischen Wirtschaft in hohem Maße russisches Kapital steckt, dann erreicht die Abhängigkeit Jerewans von Moskau zwar kein absolutes, aber doch ein sehr hohes Niveau.

Der Westen verhielt sich angesichts der schwierigen Lage Armeniens aufgrund der aserbaidschanisch-türkischen Blockade loyal zu dessen außenpolitischer „Mehrvektorenpolitik", obwohl dieses Russland zugeneigt war. Doch nachdem die Regierung Armeniens Russlands Vorgehen in der Ukraine rückhaltlos unterstützte, gab der Westen zu verstehen, dass er sein Verhältnis zu Armenien überdenken wolle. Das könnte bedeuten, dass dem Hauptverbündeten der Russischen Föderation im Südkaukasus hinsichtlich der inneren Stabilität keine leichten Tage bevorstehen.

 

Georgien: Neue Führung – alte Außenpolitik

In Georgien ist die Lage konträr zu der in Armenien – selbst wenn man unbeachtet lässt, dass auch in der georgischen Wirtschaft russisches Kapital in bedeutendem Umfang vertreten ist. Das Hauptproblem Moskaus ist das faktische Nichtvorhandensein eines „prorussischen Aufmarschgebiets" auf georgischem Territorium. Durch die Anerkennung

der Unabhängigkeit Abchasiens und Südossetiens hat sich Russland automatisch effizienter geostrategischer Druckmittel gegen Tiflis beraubt. Die wiederholte Verhängung eines Handelsembargos durch Georgien zur Erreichung der eigenen Ziele erscheint als zweifelhafte Maßnahme. Die reelle Praxis zeigt, dass der russische Markt für Georgien natürlich wichtig ist, aber sein Verlust nicht unbedingt fatal wäre.

Tiflis hat sich schon lange zum Befürworter des Westens erklärt. Der Machtwechsel im vergangenen November hatte keine Revision des außenpolitischen Kurses zur Folge. Aber in der Gesellschaft kann man sehr deutlich eine Enttäuschung vom Westen spüren. Ebenso lässt sich eine gewisse Aktivierung prorussischer Kräfte bei einigen NGOs und gemeinnützigen Organisationen beobachten. Aber man kann sie nicht als maßgebend und meinungsbildend bezeichnen, zumindest nicht in der gegenwärtigen Situation.

Georgien will, wie auch Moldawien, im Sommer ein Assoziierungsabkommen mit der EU unterzeichnen. Im Hinblick auf die Ereignisse in der Ukraine und den bitteren Lehren vom August 2008 versucht Tiflis schon heute, die mit Russland verbundenen Risiken

abzuschätzen. Die größte Bedrohung geht nach Meinung von inländischen Experten von Abchasien und Südossetien aus, wo Provokationen auf lange Sicht möglich sind. Wenig erfreuliche Nachrichten kommen auch aus Samzche-Dschawachetien, einer Region mit hohem Armenieranteil. Angaben der georgischen Seite zufolge ist die Zahl der Menschen, die die russische Staatsbürgerschaft erhalten haben oder erhalten wollen, angestiegen. Das muss Tiflis beunruhigen, nachdem es schon öfter mit den kontinuierlich wachsenden separatistischen Tendenzen in dieser Region konfrontiert war. Nicht geringer ist die Sorge der georgischen Regierung über die Macht der früheren Regierung, die ihre revanchistischen Pläne nicht verheimlicht und jetzt sogar ganz offen zur Androhung eines „ukrainischen Majdan" in Tiflis übergegangen ist.

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