Russland: Ende der Blog-Freiheit?

Einer der populärsten Blogger Russlands Ilja "Zyalt" Warlamow. Foto: ITAR-TASS

Einer der populärsten Blogger Russlands Ilja "Zyalt" Warlamow. Foto: ITAR-TASS

Blogs sollen bald wie Presseerzeugnisse behandelt werden. Das hat Konsequenzen: Informationen müssen überprüft und Vorgaben der staatlichen Telekommunikations- und Medienaufsicht eingehalten werden.

Das russische Parlament hat ein Gesetz verabschiedet, nach dem Blogs künftig wie Presseerzeugnisse behandelt werden. Laut dem Gesetz muss man alle Informationen auf beliebten Blogs auf deren Wahrheitsgehalt hin überprüfen, und die Blogger müssen ihre wirklichen Namen offenlegen. Kritiker befürchten, dass dies ein Versuch des Staates sein könnte, das Internet unter Kontrolle zu bekommen. Andere begrüßen das Gesetz, weil sie sich einen Vertrauensgewinn unter ihren Lesern erhoffen.

 

Blogger neu definiert

Sobald das Gesetz vom Präsidenten unterzeichnet ist, werden alle natürlichen und juristischen Personen die Telekommunikations- und Medienaufsicht Roskomnadzor benachrichtigen müssen, wollen sie Informationen im Internet veröffentlichen. Innerhalb eines halben Jahres müssen sie dann alle Daten zu ihrer Informationsübertragung speichern. Die neuen Regeln sollen nicht für Privatpersonen gelten, die ihre Webseiten für private, häusliche und familiäre Zwecke nutzen.

Dabei soll im Gesetz der Begriff „Blogger" neu definiert werden. Die Abgeordneten schlagen vor, in dieser Kategorie alle zu erfassen, auf deren Webseiten oder Profilseiten in den sozialen Netzwerken mindestens 3 000 Besucher am Tag gezählt werden, wie die Nachrichtenagentur ITAR-TASS berichtet. Roskomnadzor wird eine spezielle Software entwickeln, um die Anzahl von Besuchern zu prüfen.

Dabei werden die erfassten Blogger in einem Sonderregister erfasst und können mit Werbung Geld verdienen. In Zukunft könnten die Blogger je nach Besucheranzahl in die Kategorien „Blogger", „Superblogger" und „Starblogger" eingeteilt werden, sagt Alexej Mitrofanow, einer der Co-Autoren dieses Gesetzentwurfs und Vorsitzender des Komitees für Informationspolitik der Staatsduma.

Wenn die Blogs bei einer staatlichen Stelle zukünftig angemeldet werden müssen, wird ein Blogger, der ein Online-Tagebuch schreibt, die Informationen in seinen Beiträgen überprüfen, sich an die Regeln von

Wahlkampagnen halten und Altersbeschränkungen für die Leser veröffentlichen müssen. Außerdem wird er keine Informationen über das Privatleben von anderen Personen und keine extremistischen Inhalte verbreiten dürfen. Das heißt, es wird zwischen einem Blog und einem Presseerzeugnis keinen Unterschied mehr geben.

Verstöße gegen diese Regelungen werden mit Bußgeldern geahndet: Für natürliche Personen werden zwischen 100 und 200 Euro und für juristische Personen zwischen 200 und 1 000 Euro fällig. Blogger, die gegen die Vorschriften von Roskomnadzor wiederholt verstoßen, werden mit Bußgeldern in Höhe von bis zu 10 000 Euro oder einer Sperrung des Blogs für 30 Tage belangt.

 

Wie kann der Wahrheitsgehalt überprüft werden?

Der bekannte TV-Journalist Nikolai Swanidse ist der Meinung, dass dieser Gesetzentwurf ein Versuch des Staates sei, das Internet zu kontrollieren. „Damit wird die Meinungsfreiheit eindeutig unter Druck gesetzt. Jeder Blog von bekannten Persönlichkeiten gewinnt problemlos 3 000 Leser, und dieser muss sich nun dem Gesetz zufolge praktisch wie ein Presseerzeugnis verhalten. Wie aber ein nicht professioneller Journalist Informationen überprüfen soll, ist unklar", erklärt der Experte.

Swanidse sieht einen gravierenden Unterschied zwischen Journalisten und Bloggern: „Der Blogger kann angeben, dass er etwas in einer Zeitschrift

gelesen oder von seinem Nachbarn gehört hat. Aber man kann doch niemanden, der das Handwerk eines Journalisten nicht versteht, dazu zwingen, für diese Informationen geradezustehen und dabei Gefahr zu laufen, Strafen ausgesetzt zu werden." Der Journalist ist überzeugt, dass es recht schwierig sein wird, sich an dieses Gesetz zu halten, und dieses deshalb willkürlich angewandt werden könne. „Gesetze, die schwer einzuhalten sind, sind gefährlich, weil man nie weiß, wann sie plötzlich angewandt werden. Dieses Gesetz wird wie ein Damoklesschwert über jedem Blogger hängen."

Der Fotograf Iwan Dementijewskij betreibt einen eigenen Blog, der über 6 000 Leser hat. Wenn dieses Gesetz verabschiedet wird, muss auch er wie ein Pressemedium handeln. Er aber glaubt, dass dieses Gesetz dem Status eines Bloggers gut tun werde. „Eine offizielle Gleichstellung eines Blogs mit den Massenmedien wird sich auf die öffentliche Meinung auswirken. Man wird Bloggern mehr Vertrauen schenken", meint Dementijewskij.

Der Fotograf ist der Überzeugung, dass man bereits heute Informationen, die man veröffentlicht, prüfen müsse. „Ich stoße in den sozialen Netzwerken häufig auf unüberlegte Postings und Verlinkungen mit völlig falschen Informationen, und zuweilen schreiben die Leute von sich aus Unsinn", sagt der Blogger. „Wenn aber dieses Gesetz dazu beitragen

würde, die große Anzahl von Desinformationen im Internet zu reduzieren, dann wäre das nur gut. Auf mich persönlich trifft das weniger zu, weil ich mich zu keine politischen Themen äußere. Aber gerade im politischen Bereich finden heutzutage echte Informationskriege statt."

Was die Anmeldung bei einer staatlichen Stelle angeht, macht sich Dementijewskij nur Sorgen darum, wie schwierig dieser Vorgang werden wird: „Leider wissen wir alle nur zu gut, dass man in unserem Land mit bürokratischen Hürden zu tun hat. Aber wenn die Anmeldung nicht allzu zeitraubend sein wird, warum sollte man sich da nicht anmelden?"

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