Maria Romanowa: „Das Zarenhaus beschäftigt sich nicht mit Politik“

Großfürstin Maria Romanowa: "Ich bin überzeugt, dass eine Rückkehr der Krim in das Hoheitsgebiet Russlands gesetzmäßig und unumgänglich ist". Foto: Grigori Sysojew/RIA Novosti

Großfürstin Maria Romanowa: "Ich bin überzeugt, dass eine Rückkehr der Krim in das Hoheitsgebiet Russlands gesetzmäßig und unumgänglich ist". Foto: Grigori Sysojew/RIA Novosti

Das Oberhaupt des russischen Zarenhauses, Ihre kaiserliche Hoheit Großfürstin Maria Wladimirowna Romanowa, im Gespräch über die Krim, die Ukraine und die Besitztümer der Zarenfamilie auf der Krim.

Iswestija: Sie haben vor Kurzem Ihre Verwandtschaft darum gebeten, ihren gesamten Einfluss geltend zu machen, um eine Eskalation des Konfliktes zwischen Russland und dem Westen zu verhindern. Was kann Ihre Familie in dieser Beziehung ausrichten?

Maria Romanowa: Heutzutage können die Oberhäupter und Mitglieder der Königshäuser, selbst in den Staaten mit einer konstitutionellen Monarchie, keinen wesentlichen Einfluss auf die Politik ihres Landes ausüben. Deshalb wäre es eine Illusion, grundlegende oder sensationelle politische Schritte vonseiten der europäischen Monarchen und Oberhäupter der ehemaligen Herrscherhäuser zu erwarten. In moralischer und soziokultureller Beziehung jedoch haben sich alle Königshäuser – nicht nur die herrschenden, sondern auch jene, die vor langer Zeit abdanken mussten – einen nicht unbedeutenden Einfluss bewahrt. Dem Radikalismus und der Hysterie Einhalt gebieten sowie zur Ausgewogenheit und zur Besonnenheit im Handeln aufrufen können vernünftig handelnde Menschen selbst in einem solchen Falle, wenn sie nicht oder nicht ganz mit dem einverstanden sind, was passiert ist. Aus dem Mund von Vertretern der Herrschaftshäuser klingen solche Aufrufe viel gewichtiger, da ihre Äußerungen nicht durch die Zwänge der Tagespolitik geprägt sind, sondern sich vom historischen Prozess leiten lassen.

Und wie sieht gegenwärtig das Verhältnis der Mitglieder der europäischen Häuser gegenüber Russland aus?

Sowohl vor der Revolution als auch heutzutage waren beziehungsweise sind die Begeisterung für die russischen kulturellen Errungenschaften und die Sympathie für den russischen Nationalcharakter nicht ausreichend, um die Konkurrenz und die Konfrontation zwischen den Mächten zu überwinden. Jedes Land hat sein eigenes Verständnis über seinen Platz in der Welt und die eigenen Interessen, und die Herrscherhäuser teilen die Position ihres jeweiligen Staates. Dabei ist jedoch der monarchistischen Weltanschauung jeglicher Radikalismus fremd. Die Erfahrung der beiden Weltkriege des 20. Jahrhunderts zeigt, dass eine eindeutig gegen jemanden – gleich, um wen es sich dabei handelt – gerichtete Einstellung sich nicht nur auf jene zerstörerisch auswirkt, gegen den diese Einstellung gerichtet ist, sondern auch auf alle, die dazu neigen, sich von ihren Emotionen leiten zu lassen und das Gespür für das richtige Maß verloren haben. Bisher ist mir nicht zu Ohren gekommen, dass ein Mitglied der Königshäuser sich mit einer eindeutig antirussischen Erklärung an die Öffentlichkeit gewandt hätte.

Wie bewerten Sie das Vorgehen der russischen Regierung in Bezug auf die Krim?

Als die ersten besorgniserregenden Meldungen aus der Ukraine zu uns drangen, habe ich sogleich deren Bürger dazu aufgerufen, sich die Folgen

der Revolution und des Bürgerkriegs in Erinnerung zu rufen und einen Bruderkrieg zu vermeiden. Sie sollten alle Anstrengungen zur Bewahrung der territorialen Unversehrtheit des ukrainischen Staates unternehmen. Und wenn die Lage in der Ukraine anders wäre, hätte ich nicht eine so feste Überzeugung, dass eine Rückkehr der Krim in das Hoheitsgebiet Russlands gesetzmäßig und unumgänglich ist. Aber die Ereignisse haben sich entsprechend dem denkbar schlechtesten Szenario entwickelt. In Kiew ist es zu einem Staatsstreich gekommen und die neue Regierung ist unter die Kontrolle extremer Nationalisten geraten. Die legitime Regierung der Krim hatte nicht nur das Recht, sondern war verpflichtet, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen, um die Krimbewohner vor einem Aufruhr zu schützen. Das Parlament auf der Krim hat nicht über die Köpfe der Bürger hinweg entschieden, sondern eine Volksbefragung durchgeführt.

In den Medien auf der ganzen Welt heißt es häufig, dass Moskau beabsichtige, das Russische Kaiserreich wieder auferstehen zu lassen...

Weder das Russische Kaiserreich noch die Sowjetunion können in der Form wiederhergestellt werden, in der sie einst existiert haben. Eine Integration ist möglich, aber in einer neuen Form – und zwar unter Berücksichtigung der positiven Erfahrungen des Russischen Kaiserreiches und der Sowjetunion sowie mit einer Analyse der begangenen Fehler, die zu deren Untergang geführt haben. Ich glaube fest daran, dass sich auf dem Gebiet des ehemaligen Kaiserreichs bis heute ein gemeinsamer Gesellschaftsraum bewahrt hat. Dieser ist wesentlich wertvoller als jede staatliche und politische Einheit, die in der Regel recht kurzlebig und angreifbar ist. Eine zivilisatorische Einheit, die sich durch geistige, kulturelle und soziale Faktoren über viele Jahrhunderte herausgebildet hat, greift viel tiefer.

Können die Sanktionen des Westens gegen Russland zu einem positiven Ergebnis führen?

Es ist vollkommen klar, dass Russland – welche Sanktionen auch gegen das Land gerichtet werden sollten – die Angliederung der Krim an sein

Gebiet nicht rückgängig machen wird – wie ja auch die USA und die Länder Europas nicht die Anerkennung der Unabhängigkeit des Kosovo in Zweifel stellen werden. Das bedeutet, dass die Überwindung der Widersprüche und die Abstimmung der Standpunkte nicht auf der Grundlage von Drohungen und Sanktionen, sondern gleichberechtigter Gespräche geführt werden sollten. Es können und müssen natürlich Zugeständnisse in einzelnen Fragen erfolgen, gewisse zusätzliche gegenseitige Garantien, die besänftigend auf die Vertragsparteien wirken.

Beabsichtigen Sie, während Ihres nächsten Russlandbesuchs, der für August geplant ist, die Krim zu besuchen? Werden Sie die Frage des Familienbesitzes der Romanows auf der Krim ansprechen?

Weder ich noch mein Sohn, der Großfürst Georgij Michailowitsch, beschäftigen uns mit Politik. Das ist eine permanente und prinzipielle Position des russischen Zarenhauses. Wir haben natürlich unsere eigene Sicht auf die aktuellen Ereignisse, und wir haben alles Recht, diese Meinung zu äußern – so wie alle anderen Bürger auch. Aber wir beteiligen uns nicht an politischen Auseinandersetzungen. Unsere Aufgabe besteht darin, den interkonfessionellen, zwischennationalen und zivilrechtlichen

Beziehungen zu dienen, die historischen Traditionen zu bewahren und die Bedürftigen zu unterstützen, soweit dies in unseren Kräften steht. Ich hoffe, dass das alle verstehen und deshalb auch einsehen, dass es zum gegenwärtigen Zeitpunkt von meiner Seite nicht vernünftig wäre, der Krim einen Besuch abzustatten.

Was den Familienbesitz betrifft, so habe ich mehrfach öffentlich und offiziell unsere unabänderliche Position verkündet: Das russische Zarenhaus hat sich prinzipiell gegen jegliche Restitutionen ausgesprochen und erhebt keinerlei Ansprüche auf seinen ehemaligen Besitz. Wir freuen uns, dass die von unseren Vorfahren erschaffenen Werte dem Volk dienen, und stellen keinerlei Forderungen. Der herrliche Liwadija-Palast, der von den Zaren Alexander III. und Nikolai II. so geliebt wurde, sowie die anderen Gebäude und Anwesen der Mitglieder unserer Dynastie müssen im Besitz des Staates verbleiben und allen Landsleuten als historisch-kulturelle Einrichtungen und Heilstätten zur Verfügung stehen.

 

Dieser Beitrag erschien zuerst bei der Zeitung Iswestija.

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