Ostukraine-Referendum: Moskau fordert Kiew zum Dialog auf

Russland erkennt die Ergebnisse des Referendums in Donezk und Lugansk an. Foto: Reuters

Russland erkennt die Ergebnisse des Referendums in Donezk und Lugansk an. Foto: Reuters

Moskau hat die Ergebnisse des Referendums in den ukrainischen Verwaltungsgebieten Donezk und Lugansk anerkannt. Russland fordert, dass nun die Genfer Vereinbarungen in einen direkten Dialog zwischen den ukrainischen Parteien umgesetzt werden.

„In Moskau respektiert man den Willen der Bevölkerung in den Verwaltungsgebieten Donezk und Lugansk und geht davon aus, dass die praktische Umsetzung der Ergebnisse des Referendums auf eine friedliche Weise durchgeführt werden kann – ohne Gewaltausbrüche und in einem gemeinsamen Dialog mit Vertretern aus Kiew, Donezk und Lugansk", lautet die Mitteilung des Pressedienstes des russischen Präsidenten, die am Montag veröffentlicht wurde.

Maxim Schewtschenko, Mitglied des Menschenrechtsrats beim russischen Präsidenten, war als Beobachter bei den Abstimmungen in Slawjansk und Kramatorsk vor Ort. Er erklärte, dass die Bevölkerung im Südosten der Ukraine von ihren eigenen und nicht von oben eingesetzten Vertretern repräsentiert werden möchte. „Die Menschen in der Ostukraine wollen, dass sich die Situation ändert. Sie wollen nicht mehr Politiker wählen, die sie betrügen. Vielmehr wollen sie eine Selbstverwaltung, eine selbstständige Haushaltskontrolle und veränderte Beziehungen zu Kiew. Die Menschen wollen, dass zukünftig ihre eigenen und nicht von oben eingesetzten Vertreter an die Macht kommen", sagte Schewtschenko im Interview mit der Nachrichtenagentur RIA Novosti.

Einige Beobachter gehen davon aus, dass Moskau das Referendum dazu nutzen könnte, Kiew noch einmal zum Dialog mit den Vertretern des Südostens der Ukraine zu bewegen. „Um einen solchen Dialog in Gang zu setzen, sind alle Vermittlungsbemühungen willkommen, auch seitens der OSZE", berichtet der Pressedienst des russischen Präsidenten. Die ukrainische Übergangsregierung hatte den Vorschlag der OSZE angenommen, den deutschen Ex-Diplomaten Wolfgang Ischinger mit dem Amt des Vermittlers im innerukrainischen Dialog zu betrauen.

Der russische Außenminister Sergej Lawrow betonte im Rahmen einer Pressekonferenz am 12. Mai, dass es keinen Sinn habe, eine zweite Genf-Konferenz abzuhalten, ohne die Vertreter des Südostens der Ukraine dazu einzuladen. „Momentan sind keine neuen Treffen zum Ukraine-Konflikt geplant, aber wir möchten, dass der Dialog weitergeführt wird. Ohne die Einbeziehung der Regierungsgegner kann es jedoch keinen Ausweg aus der Krise geben", erklärte Lawrow und betonte: „In diesem Punkt stimmen mir meine Gesprächspartner zu, darunter auch der US-amerikanische Außenminister John Kerry und der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier, die dafür plädieren, dass die Prinzipien der Genfer Konferenz in einen direkten Dialog zwischen den ukrainischen Parteien umgesetzt werden."

 

Das Referendum öffnete die Büchse der Pandora

Russische Experten nehmen an, dass der Kreml die Ergebnisse des Referendums nicht sofort anerkennen werde. „Russland wird die Ergebnisse der Abstimmung in Donezk und Lugansk eher als Verhandlungsmittel nutzen", sagte Dmitrij Polikanow, Vize-Vorsitzende des Moskauer PIR-Zentrums für politische Studien, im Interview mit der Zeitung „Kommersant". „Die Situation ist nicht so wie auf der Krim. Es ist nicht im Interesse Moskaus, die Ergebnisse des Referendums anzuerkennen – denn noch ist unklar, wie man weiter mit ihnen umgehen soll."

Der Kreml wolle die Situation nicht verschärfen, sich aber auch nicht von westlichen Politikern leiten lassen, meint Professor Sergej Tschernjyhowski. „In der Krise der Beziehungen zwischen dem Westen und Russland ist jetzt die Phase der Frontalkollision erreicht: Wer zur Seite springt, verliert."

Der ukrainische Politologe Rostislaw Ishenko, Leiter des Zentrums für systematische Analysen und Prognosen in Kiew, meint, dass man von der ukrainischen Übergangsregierung keine außerordentliche Reaktion auf das

Referendum erwarten dürfe. „Kiew behauptet, dass sich im Südosten der Ukraine ausschließlich russische Truppen und Terroristen aus Russland aufhalten. Diese werden den Krieg weiterführen und die Verantwortung für ihre Taten Russland zur Last legen. Nichts wird sich ändern. Die Situation bleibt so, wie sie ist, weil Kiew kein selbstständiger Akteur ist. So lange sich die amerikanische Einstellung nicht ändert, wird auch die Position Kiews unverändert bleiben", betonte Ishenko.

Polikanow glaubt, dass weder die Amerikaner und Europäer noch die Russen die Situation in der Ukraine völlig unter Kontrolle haben. „Weder der Westen kontrolliert seine Leute, noch Russland kann hundertprozentig seine Anhänger beeinflussen. Die Büchse der Pandora ist bereits geöffnet, und es wird sehr schwierig sie wieder zu verschließen", erklärte der Vizevorsitze des PIR-Zentrums.

 

Als Quellen wurden Berichte der Gazeta.ru, der Zeitung Kommersant sowie der Nachrichtenagenturen ITAR-TASS und RIA Novosti verwendet.

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