Präsidentschaftswahlen in der Ukraine: Der Kandidaten-Check

Zwei Spitzenkandidaten bei den Präsidentenwahlen in der Ukraine: der Schokoladen-König Pjotr Poroschenko (links) und ehemalige Premierministerin der Ukraine Julia Timoschenko (rechts). Foto: AP

Zwei Spitzenkandidaten bei den Präsidentenwahlen in der Ukraine: der Schokoladen-König Pjotr Poroschenko (links) und ehemalige Premierministerin der Ukraine Julia Timoschenko (rechts). Foto: AP

In der Endphase des Wahlkampfs für die Präsidentschaftswahlen in der Ukraine ist Moskau der Schwarze Peter für die meisten Kandidaten. Einige würden jedoch ohne die Hilfe von Russland nicht da stehen, wo sie jetzt sind.

Pjotr Poroschenko

Der „Schokoladen-König“ Pjotr Poroschenko. Foto: AP

Der Spitzenkandidat bei den ukrainischen Präsidentschaftswahlen Pjotr Poroschenko verfügt über umfangreiche und vielseitige Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit Russland. Der Multimillionär machte einen Großteil seines Vermögens im benachbarten Land, nicht nur durch den Handel mit Kakaobohnen und später mit der Schokolade aus seiner eigenen Produktion, der er seinen Spitznamen „Schokoladen-König“ zu verdanken hat. Sein Imperium, das offiziell von seinem Vater geleitet wird, umfasst darüber hinaus Konditoreiwaren, Automobilfertigung, Schiffbau und Medien.

2006 eröffnete er unter großer medialer Aufmerksamkeit ein Werk zur Automobilproduktion an Russlands Industriestandort Nischnij Nowgorod und versprach, die Stadt an der Wolga in ein russisches Detroit zu verwandeln. In gewisser Hinsicht hielt er sein Versprechen tatsächlich, denn die russische Großstadt ereilte dasselbe Schicksal wie die bankrotte US-amerikanische Autostadt.

Im Dezember 2010 erwarb er die Aktienmehrheit am Sewastopolskij Morskoj Sawod, einer der größten Werften in der Ukraine und sicherlich die größte auf der Krim. Ganze acht Monate lang stand er unter Beschuss durch den Premierminister Asarow, weil er versucht hatte, Einfluss auf die Vergabe eines staatlichen Auftrags zu nehmen. Nachdem er sich auf diese Weise seine Finger in Kiew verbrannt hatte, ging er in den Osten des Landes und handelte 2013 mit der russischen Schwarzmeerflotte einen Vertrag über 100 Millionen Euro für die Wartung der russischen Kriegsschiffe aus. Ein cleverer Deal, wenn man an die aggressive Rhetorik Poroschenkos denkt.

Seine ersten Sporen in der Politik hat er sich in der Partei von Viktor Medwedtschuk verdient, der allgemein als eine Art graue Eminenz der sogenannten prorussischen Splittergruppe in der ukrainischen Elite gilt – vielleicht weil Präsident Putin Pate von Medwedtschuks Tochter Daria ist.

Aber während Poroschenko sein Vermögen in Russland erwirtschaftete, entschied er sich dafür, sein politisches Kapital im pro-europäischen Lager zu verdienen. Als Wahlkampfmanager des späteren Präsidenten Juschtschenko stand er dem Paten seiner zwei Töchter während der Orangen Revolution 2004 zur Seite, und es wurde erwartet, dass er mit dem Posten des Ministerpräsidenten belohnt werden würde. Doch es stellte sich heraus, dass das Amt ohne das Wissen Poroschenkos bereits Julia Timoschenko, der Zweitplatzierten in den Meinungsumfragen zur gegenwärtigen Präsidentschaftswahl, versprochen worden war. Er musste sich in den folgenden Jahren mit kleineren Regierungsposten abgeben.

Poroschenko kann sich aber auf seine Fahnen schreiben, die Idee der Assoziation der Ukraine mit der Europäischen Union während der Orangen Revolution ins Spiel gebracht zu haben. In den folgenden Jahren konnte er damit in der EU hausieren gehen. Das „Hauptverkaufsargument“ dieser Idee gegenüber den Ukrainern bestand in dem Versprechen, dass sie Arbeit in den EU-Ländern finden werden – etwas, was die Westukrainer in den letzten Jahren in großer Zahl, wenn auch nicht ganz legal, ohnehin schon getan haben.

Im Vorfeld des verhängnisvollen EU-Gipfeltreffens in Vilnius im November 2013, auf dem Präsident Janukowitsch den Assoziierungsvertrag abschließen sollte, bekam der Pro-EU-Lobbyist Poroschenko Schwierigkeiten mit seinem Schokoladen-Export nach Russland. Aber so leicht konnte ihm die Tür ins Nachbarland nicht versperrt werden, hatte er doch mit seiner Schokoladenproduktion in Russland bereits Fuß gefasst.

Poroschenkos russische Geschäftsverbindungen werden von Julia Timoschenko, seiner Konkurrentin im Präsidentschaftswahlkampf, eifrig als Argument gegen ihn genutzt. Wegen dieser Verbindungen, so sagt sie, sei Poroschenko nicht imstande, Moskau mit der nötigen Hartnäckigkeit gegenüberzutreten und die nationalen Interessen der Ukraine zu verteidigen.

Ob Poroschenko, der in seinen jüngeren Jahren ein begeisterter Amateur-Judoka gewesen war, der richtige Sparringpartner für Putin sein wird, wird nach dem 25. Mai zu sehen sein.



JuliaTimoschenko


Die „Gasprinzessin“ Julia Timoschenko. Foto: AP

Die von ihren Unterstützern liebevoll nur „Julia“ genannte Timoschenko gelangte Anfang der Zweitausenderjahre in Russland zu Berühmtheit, als sie beschuldigt wurde, Armeegeneräle bestochen zu haben, um sich ein lukratives Baugeschäft mit der russischen Armee zu sichern. Moskau ging sogar so weit, einen internationalen Haftbefehl für die „Gasprinzessin“ zu beantragen, als dies bekannt wurde.

Timoschenko war in den Neunzigerjahren zu Geld gekommen: In den Wirren der postsowjetischen Ära, als das Staatsvermögen privatisiert wurde, gründete Timoschenko die Gesellschaft Vereinigte Energiesysteme. Sie mauserte sich schnell zum größten Privatunternehmen der Ukraine, indem sie Milliarden durch den Wiederverkauf von russischem Erdgas in der Ukraine verdiente. Es wird geschätzt, dass die Gesellschaft Ende der Neunzigerjahre direkt oder indirekt fast die Hälfte des Erdgas-Großhandelsmarkts in der Ukraine und damit rund ein Fünftel der ukrainischen Wirtschaft kontrollierte.

Einer Reihe Anschuldigungen wegen geschäftlicher Unregelmäßigkeiten folgten einige Klagen in der Ukraine, in Russland und sogar in den Vereinigten Staaten. Aber Timoschenko schaffte es immer wieder, mit weißer Weste davon zu kommen – abgesehen vom letzten Fall, der sie von 2011 bis zum gewaltsamen Sturz der Regierung in Kiew im Februar dieses Jahres ins Gefängnis brachte. Dabei ging es um einen langfristigen Erdgas-Liefervertrag, den Timoschenko als Premierministerin der Ukraine 2009 mit Gazprom ausgehandelt hatte. Trotz ihrer antirussischen Rhetorik nach dem Sieg der Orangen Revolution von 2004 wurde Timoschenko beschuldigt, mit Russland unter einer Decke zu stecken, um der Ukraine ein ungünstiges Gasgeschäft aufzuerlegen.

Nach ihrer Freilassung aus dem Gefängnis wurde Timoschenkos antirussische Rhetorik noch aggressiver, und viele glauben immer noch, dass sie wahrscheinlich die Einzige ist, die auf Augenhöhe mit Moskau verhandeln könne. Das Schlüsselwort ist hier „wahrscheinlich“, weil im Kopf-am-Kopf-Rennen mit Timoschenko ein anderer zum Politiker konvertierter, schwerreicher Geschäftsmann am Start ist, der bereits nachgewiesen hat, dass er in der Lage ist, mit Moskau zu verhandeln.

Serhij Tihipko

Serhij Tihipko könnte im Wettkampf um den Präsidentenposten der Dritte hinter Poroschenko und Timoschenko werden. Wenn man einigen Meinungsumfragen Glauben schenkt, könnte er sogar mehr Stimmen als Timoschenko erhalten – wenn er es denn in die zweite Wahlrunde schafft.

Ein ehemaliges Mitglied der Partei der Regionen kritisierte kürzlich all diejenigen, die den Ex-Partei-Chef abgesetzt hatten, während sie sich in der gesamten Krise jeglicher Bewertung des russischen Verhaltens enthielten. Tihipko jedoch brach sein Schweigen in einem vor kurzem erschienenen Interview mit der ukrainischen Nachrichtenseite „LigaBisnessInform“, in welchem er den russischen Präsidenten Putin einen „Feind der Ukraine“ nannte. Die Zeitung behauptet, Tihipko habe im Nachhinein darum gebeten, diese Bemerkung in der finalen Version des Interviews zu streichen, die Bitte dann aber doch wieder zurückgezogen. Auf den Vorwurf, er sei zu weich gegenüber Russland, reagierte Tihipko mit der Äußerung, dass antirussische PR keines der Probleme in der Ukraine lösen würde.

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