Foto: AP
Der vom US-Außenministerium ins Leben gerufene Twitter-Account „UkrProgress“ ist ein großer Erfolg. Er zählt heute über 7 000 Kurzmitteilungen in russischer Sprache und wurde von über 14 000 Personen – mehrheitlich aus Russland und der Ukraine – abonniert. Dieser Account kritisiert die russische Politik gegenüber der Ukraine weitaus ungezwungener als offizielle Erklärungen der USA. Das in russischen Medien gezeigte Foto angeblicher amerikanischer Söldner in der Ukraine nennt man auf „UkrProgress“ beispielsweise eine „billige Ente des Kreml“. Häufig werden die Tweets von „UkrProgress“ über US-Diplomaten und -Botschafter weitergeleitet. Auch der Account der US-Botschaft in Moskau mit seinen 23 000 Abonnenten retweetet fleißig.
Im Internet kursieren zudem YouTube-Videos zum Thema Ukraine und Russland. Oft werden sie, wie ihrer Beschreibung zu entnehmen ist, im Auftrag des US-amerikanischen Außenministeriums produziert. So erschien kürzlich auf dem YouTube-Kanal „UkrProgress“ ein Video mit dem Titel: „Sanktionen: Was ist ihr Kern und wie wirken sie auf Russland?“
In diesem Video erklärt eine Sprecherin in russischer Sprache, aber mit erkennbar amerikanischem Akzent, die von Washington gegen Moskau verhängten Sanktionen und behauptet, diese zeigten bereits die gewünschten Effekte. Solches vom US-Außenministerium veröffentlichtes Material zeigt einen klaren Richtungswechsel an: Früher erschienen auf YouTube nämlich nur Ansprachen offizieller Vertreter der US-Regierung.
„The Promise of Hashtag“
Im Vergleich zum US-amerikanischen ist das russische Außenministerium noch nicht allzu lange in den sozialen Netzwerken aktiv. Seit Beginn der Ukraine-Krise nutzt allerdings auch Russland diese Medien verstärkt für außenpolitische Zwecke. Da die offizielle Webseite des Außenministeriums der Russischen Föderation mehrfach sogenannten DDoS-Attacken („Distributed Denial of Service“) zum Opfer gefallen ist, haben sich die sozialen Netzwerke zu einer wichtigen alternativen Plattform für die Verbreitung von Nachrichten entwickelt. Im Jahr 2014 stieg die Zahl der Abonnenten von Accounts des Außenministeriums in den sozialen Netzwerken sprunghaft an: Auf Facebook folgen der Behörde bereits 63 000 Personen, auf Twitter – in russischer und englischer Sprache – sogar 312 000.
Ende April verbreitete sich im Internet die Geschichte, wie das russische Außenministerium ein Hashtag seines US-Gegenparts zur Ukraine-Krise für eigene Zwecke nutzte. Amerikanische Diplomaten begannen, das Hashtag #UnitedForUkraine zu verwenden – in Anlehnung an den Ausspruch von Barack Obama: „Wir stehen geschlossen hinter der Ukraine“. Zunächst handelte es sich bei den Einträgen mehrheitlich um kritische Kommentare zur russischen Politik in der Ukraine. Das russische Außenministerium erkannte jedoch eine Chance, die Situation zu wandeln: Als das Hashtag eine gewisse Bekanntheit erlangt hatte, begann die russische Behörde, es in eigenen Tweets zu verwenden. Die Sprecherin des US-Außenministeriums Jennifer Psaki antwortete darauf auf Twitter: „Die Welt steht vereint hinter der Ukraine. Hoffen wir, dass der Kreml und das russische Außenministerium dem Versprechen des Hashtags folgen werden“ (im Original: „The world stands #UnitedForUkraine. Let’s hope that the #Kremlin and @mfa_russia will live by the promise of hashtag“). Diese Mitteilung löste eine Menge spöttischer Kommentare im Netz aus, etwa: „Hashtags sind wohl die Diplomatie von heute“ oder „Russland hat Interkontinentalraketen, aber wir haben das Versprechen des Hashtags!“
Vormachtstellung im Informationskrieg
Das russische Außenministerium hat, im Gegensatz zu den Amerikanern, keine eigene Social-Media-Abteilung, die sich ausschließlich mit Diplomatie 2.0 befasst. Möglicherweise übernehmen diese Aufgabe aber private Dienstleister im Auftrag der russischen Präsidialverwaltung. Andeutungen in diese Richtung äußerte der Chefredakteur des Fernsehsenders „Doschd“ Ilja Klischin unter Berufung auf einen anonymen, der Präsidentenadministration nahe stehenden Gesprächspartner in einer Kolumne der Zeitung „Vedomosti“. Diese Dienstleister haben das Ziel, die öffentliche Meinung durch die Verwendung neuer Medien zu beeinflussen – in erster Linie über Kommentare auf den Internetseiten der großen Nachrichtenportale und in sozialen Netzwerken. So warnten vor zwei Wochen die Community Manager der Onlineausgabe der britischen Zeitung „The Guardian“ ihre Leser vor „organisierten Kampagnen zur Unterstützung des Kreml“.
Oleg Demidow, Experte am Moskauer Thinktank „PIR-Center“, nannte in einem Gespräch mit der Zeitung „Kommersant“ zwei Gründe für den erbitterten digitalen Kampf zwischen Russland und den USA: „Sowohl die Stimmung in der ukrainischen Bevölkerung als auch die Einschätzungen
der internationalen Gemeinschaft ändern sich sehr schnell und sind in hohem Maße abhängig von einer überzeugenden Interpretation des Geschehens. Die Verschlechterung der Beziehung zwischen dem russischen und dem US-amerikanischen Außenministerium hat außerdem wechselseitigen Sticheleien im Internet erheblichen Auftrieb verliehen.“
Die ungewöhnliche Aktivität des russischen Außenministeriums deutet Demidow zufolge darauf hin, dass „Moskau Lehren aus seiner Niederlage im Informationskrieg von 2008 gezogen hat“. Der Experte warnt: „Die Strategien des russischen Außenministeriums und des US-Außenministeriums sind nicht unbedingt auf eine objektive Auslegung der Ereignisse gerichtet. Aber unter Bedingungen eines Informationskriegs ist das auch nicht das vorrangige Ziel.“
Nach Materialien der Zeitungen „Kommersant“ und „Vedomosti“.
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