Neuwahlen: Abchasien bleibt Russland treu

Foto: Michail Mokruschin / RIA-Nowosti

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Am Sonntag erklärte der Präsident der Schwarzmeerrepublik Abchasien, Alexander Ankwab, seinen Rücktritt. Auch der nächste Präsident werde die engen Beziehungen zu Russland fortsetzen, meinen Experten. Dennoch strebt Abchasien die wirtschaftliche Unabhängigkeit von Moskau an.

Der bisherige Präsident Abchasiens, Alexander Ankwab, hat dem Druck der Opposition nachgegeben und am Sonntag seinen Rücktritt erklärt. Das abchasische Parlament ernannte den bisherigen Parlamentsvorsitzenden Valeri Bganba zum Übergangspräsidenten.

Erst vor einer Woche hatte die Regierungskrise in der Schwarzmeerrepublik mit der Einberufung einer Volksversammlung durch den Koordinationsrat begonnen. Dieser wurde vor einem Jahr gegründet und besteht aus elf Vorsitzenden verschiedener Parteien und Bewegungen. Volksabstimmungen haben in Abchasien Tradition. Die Volksversammlung forderte schließlich auch den Rücktritt des Präsidenten. Alexander Ankwab sollte damit zwei Jahre vor Ablauf der üblicherweise fünfjährigen Amtszeit aus dem Amt scheiden.

 

Die Rechnung machte Ankwab ohne Moskau

Ankwab wollte diese Forderung zunächst nicht hinnehmen. Und wer den als unnachgiebig bekannten Politiker, der im Volksmund „Der Eiserne“

genannt wird, kennt, wird sich davon kaum überrascht zeigen. Ankwab hat den Krieg zwischen Georgien und Abchasien miterlebt und beachtliche sechs Attentate überlebt. Ankwab soll die Versammlung abgebrochen und die Hauptstadt Suchumi verlassen haben, als Anhänger der Opposition das Gebäude der Präsidialverwaltung stürmten. Wenige Stunden später wandte er sich mit einer Fernsehansprache an das Volk, bezeichnete die Ereignisse als Versuch eines Staatsstreichs und empfahl der Opposition, auf den gesetzmäßigen Weg zurückzufinden. Doch dann mischte sich Russland ein.

Russland hat, im Gegensatz zu vielen anderen Staaten, die Souveränität Abchasiens anerkannt und der Republik darüber hinaus Frieden und Sicherheit garantiert. Der abchasische Staatshaushalt wird zudem zu Dreivierteln aus der russischen Staatskasse finanziert. Daher war zu erwarten, dass Moskau die Ereignisse in seinem Nachbarland Abchasien, wie zuvor in der Ukraine, aufmerksam beobachten würde.

Russland entsandte Vladislav Surkow, einen Berater des russischen Präsidenten, in die Republik, um die mittlerweile verfahrene Situation zu regeln. Ankwabs Gegner lehnten Verhandlungen ab, zahlreiche Anhänger des Präsidenten errichteten in der Nähe der Volksversammlung provokativ ein Lager, die Situation drohte, zu eskalieren. In Suchumi war man daher über Surkows Besuch froh.  

Surkow pendelte zwischen der Hauptstadt, in der sich die Oppositionsspitze aufhielt, und Gudauta, wohin sich der Präsident zurückgezogen hatte. Die Shuttle-Diplomatie des russischen Politikers trug zu einer friedlichen Beilegung des Konflikts bei. Am Sonntag schließlich kündigte der „Eiserne“ Ankwab seinen Rücktritt an.

Der abchasische Politologe Inal Chaschig bezeichnet Vladislav Surkows politische Linie als pragmatisch. Hauptaufgabe des Kreml-Vertreters sei es gewesen, herauszufinden, ob externe Kräfte die Prozesse in Abchasien steuern und wer dahinter stehen könnte. Das sei aber nicht der Fall gewesen, sagt Chaschig. „Die gesamte abchasische politische Spitze orientiert sich an Moskau. Wenn die Entwicklung Abchasiens äußerst stark von Russland abhängt, angefangen bei der Sicherheit bis hin zur Finanzhilfe, auf die wir angewiesen sind, kann es auch gar nicht anders sein“, erklärt der Experte und fasst zusammen: „In Abchasien gibt es keine prowestlichen, proamerikanischen oder anderen Kräfte, sondern nur prorussische.“ Nachdem auch Surkow sich davon überzeugt und eingesehen hatte, dass die Republik und deren gesamte politische Spitze Moskau gegenüber mehr als loyal sind, hätte er beschlossen, den an Einfluss verlierenden Ankwab nicht weiter zu unterstützen. Denn wer ihn auch ablösen mag, die prorussische Orientierung Abchasiens werde unverändert bleiben, so Inal Chaschigs Theorie.

 

Den Erwartungen nicht gerecht geworden

Ankwab hat gezeigt, dass auch ein  mutiger und prinzipientreuer Politiker und guter Leiter der Ordnungskräfte einen schwachen Präsidenten abgeben kann. Die Meinung der Öffentlichkeit zum dritten Präsidenten der Republik schwankte zwischen allgemeiner Anerkennung und völliger Ablehnung. Seine Gegner werfen ihm vor, dass die Republik in den über zwei Jahren seiner Präsidentschaft in eine totale finanzielle Abhängigkeit von Russland geraten sei und die russischen Fördergelder für die wirtschaftliche Entwicklung nicht zweckmäßig eingesetzt worden seien.

Inal Chaschig spricht auch über eine weiteres Problem von Ankwab und erinnert an dessen Vorgänger: „Während der Amtszeit des ersten Präsidenten Wladislaw Ardsinba hat Abchasien im Unabhängigkeitskrieg gegen Georgien gesiegt. Unter dem zweiten Präsidenten Sergei Bagapsch haben Russland und einige andere Staaten die Souveränität der Republik anerkannt.“ Ankwab hingegen sei ohne eigenes Profil geblieben. „In seine Amtszeit als Präsident hat sich keine nationale Idee herausgebildet“, findet Chaschig. Die Krise habe sich bereits seit längerer Zeit abgezeichnet und nun sei sie offen ausgebrochen. Das sei eine abchasische Spezifik. „Hier ändert sich jahrelang scheinbar nichts, und dann tritt in nur wenigen Tagen ein Wandel ein“, erklärt der Politologe.

Am 24. August wird Abchasien nun den vierten Präsidenten der Republik wählen. Vorläufig hat noch niemand Anspruch auf das Präsidentschaftsamt erhoben. Aber nach den Aktivitäten bei der Entmachtung von Alexander Ankwab zu urteilen, kann man vermuten, dass bei den bevorstehenden Wahlen der Ex-Vize-Präsident Raul Chadschimba und der Ex-Ministerpräsident Sergei Schamba gute Chancen haben. Der Sieger wird vor der Aufgabe stehen, die Machtinstitute zu reformieren, die Kompetenzen zwischen den Staatsgewalten umzuverteilen, um das Land effizient zu regieren, und vor allem Wirtschaftsreformen zu implementieren. Abchasien ist seiner völligen finanziellen Abhängigkeit von Russland überdrüssig.

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