Kadyrow sagte einmal, er warte auf den Befehl Wladimir Putins und sei bereit, 74 000 tschetschenische Freiwillige offiziell in die Ukraine zu schicken. Foto: RIA-Nowosti
Westliche und ukrainische Medien melden den Einsatz von tschetschenischen Kämpfern auf der Seite der Aufständischen im ostukrainischen Donezk-Becken. Ukrainische Behörden publizieren regelmäßig Fotos von Aufständischen mit kaukasischem Aussehen und sagen, es handele sich bei allen um Tschetschenen. Dabei ist bekannt, dass in den gegenwärtigen Auseinandersetzungen im Donezk-Becken Freiwillige aus dem ganzen Kaukasus und konkret eine Personengruppe aus Südossetien involviert sind. Ramsan Kadyrow, Präsident Tschetscheniens, bestreitet die Tatsache einer gezielten Entsendung von Tschetschenen in die Ukraine. Wenn es, wie er sagt, im Donezk-Becken unter den Rebellen Bewohner Tschetscheniens gibt, dann seien sie dorthin
„wegen persönlicher Belange“ gefahren. Dabei findet Kadyrow, dass Russland die russischsprachigen Bewohner des Donezk-Beckens besser schützen müsse: Dem russischen Fernsehsender REN-TV sagte er, er warte auf den Befehl Wladimir Putins und sei bereit, 74 000 tschetschenische Freiwillige offiziell in die Ukraine zu schicken.
Das bekannteste Beispiel der Teilnahme Ramsan Kadyrows an den ukrainischen Geschehnissen ist seine Vermittlung bei der Befreiung von Journalisten der russischen Agentur Life-News. Die zwei Korrespondenten wurden am 18. Mai von ukrainischen Soldaten in der selbsternannten Volksrepublik Donezk gefangengenommen. Die Behörden der Ukraine warfen ihnen Beistand für die Rebellen vor. Am 26. Mai wurden die Journalisten mit Ramsan Kadyrows Hilfe freigelassen.
Die Rolle des Tschetschenen-Chefs in dieser Geschichte ist aber bis heute nicht völlig klar. „Man sollte noch klären, wie groß der Verdienst Ramsan Kadyrows in der Befreiung der Journalisten ist. Er hat natürlich aktiv am Prozess teilgenommen, aber es ist nicht ausgeschlossen, dass einen Großteil der Arbeit Leute gemacht haben, die kein Twitter und Instagram haben“, sagte der russische Politologe und Experte für Kaukasus-Fragen Nikolaj Silajew gegenüber RBTH. Doch allein die Tatsache, dass die Journalisten nach ihrer Befreiung nicht nach Moskau, sondern nach Grozny gebracht wurden, zeige, wer die Dividenden aus der Befreiung zog.
Engagement ist Ehrensache
„Die aktive Teilnahme Kadyrows in Ukraine-Themen zeigt Kadyrow als großen politischen Spieler im Rahmen des postsowjetischen Areals und erzeugt bereits Wirkung außerhalb Russlands. Seine Bemühungen in der Arbeit mit der ausländischen tschetschenischen Diaspora zahlen sich aus“, meint Nikolaj Silajew. „Es ist kein Geheimnis, dass Kadyrow sich als ‚Vater der Nation‘ positioniert und bereits seit mehreren Jahren versucht, den Anhängern der Unabhängigkeit, insbesondere Acmed Sakajew den Boden unter den Füßen wegzuziehen. Er rechnet damit, dass die ausländischen tschetschenischen Unternehmer ihm im Wiederaufbau Tschetscheniens helfen und Investitionen in die Region bringen.“ Nach der Befreiung der russischen Journalisten aus der ukrainischen Haft demonstrierte Ramsan Kadyrow nicht nur seine Möglichkeiten und seinen Einfluss, sondern zeigte den Tschetschenen auch, dass der Schutz der Verbündeten auch außerhalb der Kreml-Büros möglich ist.
Doch viel wichtiger sind die innenpolitischen Folgen der Befreiungsaktion in Russland selbst. Es ist kein Geheimnis, dass Ramsan Kadyrow seit Jahren versucht, die Spannungen zwischen Russen und Tschetschenen, die in Russland manchmal nicht als Einheimische wahrgenommen werden, aufzulösen. In den letzten Jahren gab es nicht wenige Skandale im Zusammenhang mit dieser Spannung.
„Manche Tschetschenen klagen nur über Fremdenhass, wenn sie mit einer solchen Situation konfrontiert werden, doch Ramsan Kadyrow versucht, das Problem zu lösen. Und es klappt. Die ganze Geschichte um die Befreiung der Journalisten hätte man auch nur wegen eines einzigen Satzes inszenieren können, der von den befreiten Journalisten im Interview
fallen gelassen wurde: dass, als sie Leute tschetschenisch haben sprechen hören, sie wussten, alles sei in Ordnung. Dieser Satz kostet viel, wenn man die Geschichte unserer letzten 20 Jahre in Erinnerung hat“, sagt Nikolaj Silajew. Interessant war auch die Beobachtung, dass sich der Ton der Leser in Kommentaren zu Online-Artikeln nach dem 26. Mai stark änderte: Statt der Kritik an jeder Aktion Kadyrows schwelgten die Leute in Bewunderung und Dankbarkeit. Wie lange diese Einstellung gegenüber Kadyrow bleibt, wird in vielerlei Hinsicht von den weiteren Aktionen des Tschetschenien-Chefs abhängen – unter anderem auch in Bezug auf die Ukraine.
Was beeinflusst das Bild der Tschetschenen in Deutschland? Sagen Sie uns Ihre Meinung!
Alle Rechte vorbehalten. Rossijskaja Gaseta, Moskau, Russland
Abonnieren Sie
unseren kostenlosen Newsletter!
Erhalten Sie die besten Geschichten der Woche direkt in Ihren Posteingang!