Russland dementiert Behauptungen über neue Truppen an der Ukraine-Grenze. Foto: Wladimir Pirogow/RIA Novosti
Andrej Parubij, Sekretär des Sicherheits- und Verteidigungsrats der Ukraine, hat am Montag in Kiew erklärt, dass die Ukraine Informationen über die Verlegung von Truppen der russischen Armee in das Grenzgebiet zur Ukraine habe. Ungeachtet dessen, dass der russische Präsident Wladimir Putin den Abzug der Streitkräfte von der Ostgrenze verkündet habe, sei in den letzten 24 Stunden eine 150-Mann-Einheit der 76. Pskowsker Luftlande-Sturmdivision auf dem Flugplatz Millerowo gelandet, der nur 20 Kilometer von der Grenze zur Ukraine entfernt liegt. Laut Parubij ist auch Militärtechnik angeliefert worden. Zudem behauptete Parubij, dass Russland Küstenstreitkräfte der Nordflotte in das Gebiet verlegen wolle.
Kein Kampf gegen Steppen-U-Boote
Parubij erklärte, entlang der Grenze zur Ukraine seien inzwischen 16 000 russische Soldaten stationiert. Dazu kämen bis zu 22 000 Soldaten, die sich auf dem Territorium der Krim aufhielten sowie etwa 3 500 aus der Pridnestrowischen Moldauischen Republik. Die russischen Streitkräfte seien bereit, jederzeit zu aktiven Kampfhandlungen überzugehen, unterstellte der ukrainische Politiker.
Russische Militärexperten wie Viktor Litowkin äußerten gegenüber RBTH ihr Unverständnis über Parubijs Vermutungen: „ Das sind Erfindungen", sagte Litowkin. Die Verbände der 76. Pskowsker Sturmdivision absolvierten zurzeit eine Militärübung auf den Truppenübungsplätzen Dobrowolskij, Prawdenskij und Chmeljowka im Gebiet Kaliningrad, so Litwokin.
Fast schon belustigt kommentierte er die Behauptung, dass Russland auch die Nordflotte an die ukrainische Grenze verlegen wolle. „Die Küstenschutzverbände der Nordflotte sind mit Anti-Schiff-Raketensystemen des Typs ‚Bal' und ‚Bastion' ausgerüstet. Das ist eine hochwertige Spezialtechnik, die zum Beispiel gegen U-Boote eingesetzt wird", erklärte er und versicherte gleichzeitig: „Niemand beabsichtigt ernsthaft, in der ukrainischen Steppe U-Boote zu bekämpfen."
Im Krieg sei das erste Opfer immer die Wahrheit
Litowkin hält Parubijs Äußerungen für einen Versuch der Ukraine, den aktuellen Einsatz militärischer Kräfte gegen Regierungskritiker im Inneren des Landes zu rechtfertigen. Die vermeintliche Gefahr durch Russland käme da gerade recht. Litowkin stellte fest: „Eine russische Aggression gab es nicht und wird es auch nicht geben." Der russische Präsident Wladimir Putin, der Verteidigungsminister der Russischen Föderation Sergej Schojgu und Außenminister Sergej Lawrow hätten bereits mehrfach erklärt, dass Russland keinerlei Absichten hege, in den Ostteil der Ukraine einzumarschieren, so Litwokin. Aber im Krieg sei das erste Opfer eben immer die Wahrheit.
Leonid Iwaschow, Generalleutnant der Reserve und Präsident der Akademie für geopolitische Probleme, glaubt, Parubij wolle erreichen, mehr Gelder für den ukrainischen Militärhaushalt zugeteilt zu bekommen, indem er in den Köpfen der Bevölkerung künstlich ein Szenario der Bedrohung
und Gefahr erzeugt. „Russland bietet sich in der aktuellen politischen Lage als Feindbild an", sagte Iwaschow.
Auch der Chefredakteur der Fachzeitschrift „Arsenal Otetschestwa" (zu Deutsch - Waffenarsenal des Vaterlands), Viktor Murachowskij, erklärte gegenüber RBTH, dass es eine länger andauernde Präsenz von Streitkräften an der Grenze zur Ukraine bisher nie gegeben habe, denn beide Länder seien bis vor Kurzem noch Bruderstaaten gewesen. „In den grenznahen Gebieten Kursk, Woronjesch und Belgorod gab es keine fest stationierten Brigaden des russischen Militärs", so der Journalist. Murachowskij findet, dass sich das ändern müsse, denn in der gegenwärtigen Situation, in der in der Nähe der russischen Grenze auf ukrainischer Seite Militäraktionen ausgeführt würden, sei das ein operativer Nachteil. „Russland ist nun gezwungen, Soldaten aus anderen Regionen heranzuziehen, um die Sicherheit unserer Grenze zu gewährleisten", sagte Murachowskij. Der russische Staat könne jetzt gar nicht mehr anders handeln.
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