Ukraine im Medienspiegel: Vor Wirtschaftskrise und Zerfall

Die „Nesawissimaja gazeta“ mahnt, es könne nun nach Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens mit der EU zu "einer Devaluation der ukrainischen Währung" kommen. Foto: Reuters

Die „Nesawissimaja gazeta“ mahnt, es könne nun nach Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens mit der EU zu "einer Devaluation der ukrainischen Währung" kommen. Foto: Reuters

Die russischen Medien berichteten am 27. Juni über die Unterzeichnung des wirtschaftlichen Teils des Assoziierungsabkommens mit der Europäischen Union und die möglichen Folgen für die ukrainische Wirtschaft. Insgesamt ist das Bild in den Medien düster.

Nesawissimaja gazeta: Die EU ist ein riskantes Abenteuer

Die „Nesawissimaja gazeta“ berichtet über mögliche Folgen einer Anbindung der Ukraine an die Europäische Union. Am Freitag hat die Ukraine den wirtschaftlichen Teil des Assoziierungsabkommens mit der EU unterschrieben – für die Ukraine der wirtschaftliche Suizid, kommentiert die Zeitung.

Die Vorbereitungen zum Abkommen hatten bereits 2007 begonnen, wie die „Nesawisimaja gazeta“ erinnert. Doch die ukrainische Regierung habe lange mit der Unterzeichnung des Abkommens gezögert, aus Angst, die Mitgliedschaft in der Freihandelszone der EU könnte der ukrainischen Wirtschaft schaden. Dies habe in der Bevölkerung, die auf europäische Reformen in der Ukraine hoffte, und unter wichtigen Wirtschaftsvertretern für großen Unmut gesorgt. „Darauf folgten Ereignisse, die letztlich im Winter zur Revolution führten“, schreibt die Zeitung. Die neue ukrainische Regierung unter Präsident Pjotr Poroschenko habe dann umgehend den Kurs in Richtung Europäische Union eingeschlagen.   

Der wirtschaftliche Teil des Assoziierungsabkommens sei bereits so

umfassend, dass die Ukraine sich „in allen Lebensbereichen an europäische Standards annähern wird“, wie die „Nesawisimaja gazeta“ erklärt. Voraussetzung dafür sei jedoch ein entsprechend starker Wille der ukrainischen Regierung. Die EU unterstütze darüber hinaus Reformen, die die Unabhängigkeit der Ukraine vom russischen Markt fördern. Dazu stelle sie Kredite zur Verfügung, deren Verwendung kontrolliert wird, berichtet die Zeitung.

Allerdings, so lautet die Einschätzung von Experten der Zeitung, ist die ukrainische Wirtschaft auf den russischen Markt angewiesen. Zudem heiße es aus Kiew, dass die EU einen starken Druck auf die Regierung ausübe. Die „Nesawissimaja gazeta“ mahnt, es könne nun nach Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens zu „einer Devaluation der ukrainischen Währung, Inflation bis zur Hyperinflation und einer deutlichen Verschlechterung der Lebensverhältnisse“ kommen. Sie wirft der ukrainischen Regierung vor, ein „riskantes Abenteuer“ eingegangen zu sein.

 

Wsgljad: Poroschenko in der Sackgasse

Die Zeitung „Wsgljad“ berichtet über die Lage in der Ostukraine. Pjotr Poroschenko sei der Krise nicht gewachsen, behauptet die Zeitung. „Die prorussische Bevölkerung wird Poroschenkos Plänen nicht zustimmen, denn diese sehen vor, dass sie aufgibt. Aber einen Krieg führen will Poroschenko offensichtlich auch nicht“, schreibt „Wsgljad“.

Für Poroschenko gehe es nun darum, wie er sich in dieser „praktisch ausweglosen Situation“ weiter als „Kämpfer für die Einheit einer unabhängigen Ukraine“ präsentieren könne. Die Zeitung sieht drei Handlungsoptionen für Poroschenko: Er könne „erstens die prorussische Region zerschlagen, zweitens versuchen, sie mit den Verhandlungen zu erhalten, oder drittens sich mit dem Verlust von Donezk und Lugansk abfinden“. Eine einige Ukraine jedoch werde es in keinem Falle mehr geben, meint „Wsgljad“.

„Poroschenko geht bei all seinen Plänen von einer vorbehaltlosen Unterstützung seitens der Vereinigten Staaten und der Europäischen Union aus. Das macht ihn zu einem Instrument in ihren Händen“, schreibt die Zeitung weiter. Die USA gingen weiterhin davon aus, so „Wsgljad“, dass die ukrainische Regierung im militärischen Konflikt siegen könne. Das halten die Experten der Zeitung jedoch für fraglich. Die USA müssten sich möglicherweise mit einem erneuten Scheitern ihrer Außenpolitik abfinden. „Washington wird anerkennen müssen, dass ein Druck auf Moskau im Ukraine-Konflikt aussichtslos ist. Die USA werden sich von der Ukraine letztlich abwenden“, resümiert die Zeitung.

 

Expert: Verfassungsänderung nicht umfassend genug

Die Zeitschrift „Expert“ berichtet über die geplanten Veränderungen in der ukrainischen Verfassung. Diese seien wichtig und notwendig für die weitere Entwicklung der Ukraine. Doch im Hinblick auf die Donbass-Region seien die Änderungen nicht ausreichend. Es gebe kaum eine Chance, dass sich die abtrünnige Donbass-Region auf die geplanten Verfassungsreformen einlassen wird. In der Donbass-Region würden nach der Änderung lediglich „die russische Sprache und die Sprachen anderer nationalen Minderheiten der Ukraine“ einen besonderen Status erhalten, mehr jedoch nicht. Gerade nach den jüngsten Bombenangriffen werde die Region höchstens die Föderalisierung akzeptieren, glaubt die Zeitschrift.

Man könne die ukrainische Regierung zwar verstehen, führt „Expert“ aus. „Wenn die russische Sprache zu einer offiziellen Amtssprache erhoben würde, könnte das zur Folge haben, dass aus der zum Teil künstlichen ukrainischen Sprache de facto nur noch eine regionale Sprache wird, die ausschließlich in der Westukraine Verwendung findet“, meint die Zeitung und stellt fest: „Sie würde die Konkurrenz mit Russisch nicht bestehen, was schließlich den gesamten jungen ukrainischen Staat bedrohen würde.“ Angesichts der tiefen gesellschaftlichen Kluft in der Ukraine müsse man jedoch kurzfristige Prioritäten den langfristigen vorziehen, so „Expert“.  

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