Ukrainische Armee greift Grenzkontrollpunkte an

Foto: Reuters

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Die Offensive der ukrainischen Armee hat die Grenzkontrollpunkte erreicht. Für die Bewohner der Ukraine wird eine Flucht nach Russland mehr und mehr zum gefährlichen Abenteuer. Und auch in den russischen Grenzgebieten wächst die Angst vor dem Krieg.

Nach dem massiven Vorrücken der ukrainischen Armee in den umkämpften Gebieten der Ostukraine geraten zunehmend die Grenzkontrollpunkte unter Beschuss. Das erschwert auch die Lage für die Flüchtlinge aus der Ukraine.

In den grenznahen russischen Dörfern beobachten die Bewohner die Lage mit wachsender Besorgnis. Noch immer wollen viele die Region verlassen. Nach dem Beschuss des Kontrollpunktes Nowoschachtinsk durch einen Minenwerfer der ukrainischen Streitkräfte wälzte sich eine Kolonne bis unters Dach vollgepackter Autos in Richtung Rostow und Krasnodar. Natalja Petschjonaja aus Nowoschachtinsk würde am liebsten aufgeben: „Wir haben unsere Kinder in Sicherheit gebracht und sind nun zurück gekommen, um unser Haus hier zu verkaufen“. Die Chancen dafür stehen schlecht. Petschjonajas Haus ist nur noch die Hälfte wert.

Die Arbeit an der Grenze geht weiter

Der Kontrollpunkt wurde evakuiert. Die Folgen des Angriffs werden wohl noch lange sichtbar sein. Der Einschlag der Geschosse hinterlässt tiefe Krater in den Straßen. Wasilij Malajew, offizieller Vertreter der Grenzkontrolle des russischen Föderalen Sicherheitsdienstes in der Region Rostow, warnt vor Blindgängern. Der Kampfmittelräumdienst ist ausgerückt. Die Arbeitsbedingungen sind schwierig. Immer wieder  sind Schüsse zu hören, auch von großkalibrigen Waffen und Panzern. Die Mitarbeiter des Kontrollpunkts werden ihren Dienst künftig nur noch mit Helmen und schusssicheren Westen versehen. Die Arbeit an den Kontrollpunkten geht unterdessen weiter, meldete der Pressedienst der südlichen Zollleitung am 04. Juli, obwohl die Geschosse erhebliche Schäden an der Infrastruktur hinterlassen hätten.

Auf der anderen Seite der Grenze, am Kontrollpunkt Dolschanskij, ist die Lage vergleichbar. Die Bewohner des anderthalb Kilometer entfernten Dorfes Komintern haben Angst. Bereits Ende Juni wurden sie nach Kampfhandlungen, bei denen ein Mitarbeiter des russischen Zolldienstes verwundet und mehrere Gebäude des Zolls beschädigt wurden, evakuiert. Andere Grenzkontrollpunkte sind ebenfalls in die Schusslinie der ukrainischen Armee geraten. Die südliche Zollleitung meldete am 28. Juni die Zerstörung eines Gebäudes am Kontrollpunkt Gukowo durch ukrainische Geschosse, zwei weitere Geschosse trafen russische Dörfer. Ein Ende der Bedrohung ist nicht in Sicht. Immer wieder sind Schüsse und Explosionen auf der ukrainischen Seite zu hören.

Die Hilfsbereitschaft ist riesengroß

Die Flucht aus dem Krisengebiet ist gefährlich geworden, dennoch ist der Flüchtlingsstrom ungebrochen Nach Angaben des russischen Rettungsdienstes suchen täglich mehr als 18 000 Personen Zuflucht im benachbarten Russland.

In der Region Rostow sind bereits über 21 000 ukrainische Flüchtlinge registriert, melden die dortigen Behörden. Tatsächlich sind es wohl viel mehr, denn viele Ukrainer, die nach Russland gekommen sind, finden vorübergehend bei Verwandten Unterschlupf. Meist hoffen sie, schnell wieder zurückkehren zu können und lassen sich daher nicht offiziell als Flüchtlinge registrieren, die sie aber sind. Die offiziellen Zahlen könnten daher mindestens mit drei multipliziert werden, glaubt Wasilij Golubew, der Gouverneur der Region Rostow.

Die übrigen Flüchtlinge werden in temporären Unterkünften untergebracht oder kommen ebenfalls bei Privatleuten unter. Die Hilfsbereitschaft unter der russischen Bevölkerung ist riesengroß. Der Rostower Unternehmer Igor Grekow zum Beispiel nahm in seiner Privatvilla 41 Menschen auf, darunter 29 Kinder. Das Schicksal der Kinder liegt auch Dmitrij Juschkowskij besonders am Herzen: „Kinderlachen ist mein größtes Glück“, sagt er und verzichtet dafür auf Gewinn. Auf seinem Campingplatz am Zimljansker Stausee findet man zurzeit keine zahlenden Touristen, sondern 300 Ukrainer, für deren Unterkunft und Verpflegung Juschkowskij aufkommt. Der Flüchtling Alexandr und seine Großfamilie sind ebenfalls nach Russland geflohen. Es war nicht einfach: „Die Straßen waren blockiert. Am Grenzkontrollpunkt „Iswarino“ wollte man uns zunächst nicht durchlassen. Wir haben die Grenzposten angefleht und durften schließlich passieren“, erinnert er sich. Nun wohnt Alexandr mit seiner Familie, zu der 13 Kinder gehören, vorübergehend bei einer ebenso großen russischen Familie.

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