Foto: RIA Novosti
Infolge der kämpferischen Auseinandersetzungen in der Ukraine ist nun das erste Todesopfer auf russischem Gebiet zu beklagen. Am Sonntag war die südrussische Grenzstadt Donezk im Bezirk Rostow unter Beschuss geraten. „Nach unseren Informationen sind von sieben Geschossen sechs explodiert. Vermutlich handelte es sich um 122-Millimeter-Artilleriegeschosse", erklärte Alexander Titow, ein Mitarbeiter im Bereich Informationspolitik der Regierung der Region Rostow, gegenüber der Agentur Interfax-Jug. Dabei kam ein Mensch ums Leben – der Tote war russischer Staatsbürger. Zwei Personen wurden schwer verletzt.
Ukraine ist in der Verantwortung
Für Russland trägt die ukrainische Regierung die Verantwortung für den Vorfall. Wenn russisches Territorium unter Beschuss gerate, werde das unweigerlich Konsequenzen nach sich ziehen, heißt es aus Regierungskreisen. Grigorij Karasin, Vize-Außenminister der Russischen Föderation, kündigte eine harte Reaktion an. „Die Situation an der Grenze eskaliert, russische Bürger auf russischem Staatsgebiet sind in Gefahr. Deshalb werden unsere Interventionen hart ausfallen", erklärte er. Zurzeit laufe eine Untersuchung, denn „alle Umstände des Vorfalls müssen zunächst geklärt werden", sagte Karasin.
Der Präsident der Russischen Föderation, Wladimir Putin, unterstrich während eines Treffens mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel am Rande der Fußballweltmeisterschaft in Rio de Janeiro die dringende Notwendigkeit, die Arbeit der Ukraine-Kontaktgruppe wiederaufzunehmen. Beide waren sich einig, dass die Situation in der Ukraine eskaliere. Bundeskanzlerin Merkel soll den russischen Präsidenten erneut aufgefordert haben, Druck auf die Aufständischen im Südosten der Ukraine auszuüben, um den Konflikt zu beenden.
Die ukrainischen Behörden bestreiten die Beteiligung des ukrainischen Militärs am Beschuss der russischen Stadt. „Die ukrainische Armee hat zu
keinem Zeitpunkt Gebiete eines Nachbarlandes oder auch Wohnviertel beschossen. Sie tut dies auch weder jetzt noch zukünftig", ließ das Außenministerium der Ukraine verlauten. Die Ukraine erwarte von den russischen Behörden Objektivität und Unvoreingenommenheit bei der Untersuchung des tragischen Vorfalls, heißt es weiter. Die Ukraine sei bereit, die Ermittlungen zu unterstützen.
Andrej Purgin, Co-Vorsitzender der selbsternannten „Donezker Volksrepublik", weist die Verantwortung für den Vorfall ebenfalls dem ukrainischen Militär zu. „Wir verfügen weder über diese Waffentechnik noch über die Munition und auch nicht über die speziell ausgebildeten Kräfte, die diese Waffen bedienen können. Die Ukrainer hingegen schon", erklärte er gegenüber der russischen Agentur Interfax.
Putin bleibt seiner Linie treu
Die russische Zeitung „Kommersant" behauptete unter Verweis auf eine Quelle im Kreml, dass Moskau plane, „punktuelle Gegenschläge" gegen die Armee der Ukraine auszuführen, wenn der Beschuss russischen Staatsgebietes fortgesetzt werde. RIA Novosti meldete, dass Jewgenij Buschmin, stellvertretender Vorsitzender des Föderationsrats, sich ähnlich geäußert und eine „adäquate Antwort" gefordert habe. „Wenn der Beschuss durch eine ukrainische Artillerieanlage erfolgte, muss diese vernichtet werden", sagte er der Nachrichtenagentur und fügte hinzu: „Wir müssen klarmachen, dass jeder Angriff gegen Russland unterbunden wird."
Buschmin hatte sich in den vergangenen beiden Wochen bei Besuchen in der Region Rostow ein persönliches Bild von der Lage machen können, wie er RIA Novosti erzählte. Immer häufiger seien Provokationen zu beobachten. „Ich habe den Eindruck, dass immer stärker versucht wird, zu provozieren. Einen anderen Weg, uns zur Konfrontation mit der ukrainischen Armee zu zwingen, gibt es ja nicht." Eine Reaktion werde nicht großflächig ausfallen, so Buschmin. Es sei ausschließlich die Rede von einzelnen Schlägen gegen bestimmte Ziele, von denen aus russisches Staatsgebiet beschossen werde.
Der Pressesekretär des russischen Präsidenten, Dmitrij Peskow, hingegen erklärte, dass es keine Pläne gebe, die „punktuelle Angriffe" erlaubten. Eine solche Entwicklung der Ereignisse sei ausgeschlossen. „Die Meldungen,
dass Russland mögliche Angriffe erwägt, entspricht nicht der Realität. Das ist Unsinn", zitiert die Agentur Bloomberg den Sprecher.
Experten teilen die Meinung, dass eine militärische Intervention in der Ukraine unwahrscheinlich sei. „Der tragische Vorfall in der Rostow-Region hat natürlich große Resonanz gefunden. Dennoch wird sich Putins Vorgehen in der Ukraine wahrscheinlich nicht ändern", glaubt Dmitrij Trenin, Direktor des Karnegie-Zentrums in Moskau. „Dieses Vorgehen besteht darin, weiterhin die Interessen Russlands zu realisieren, ohne sich unmittelbar in den Konflikt in der Ukraine einzumischen, denn das hätte einen endgültigen Bruch mit dem Westen und insbesondere mit Europa zur Folge", fasst er zusammen. Ein entschlossenes Vorgehen der russischen Regierung auf diplomatischer Ebene sei aber unausweichlich.
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