Foto: Reuters
Das Unglück des Malaysia-Airline-Flugs MH17 vom 17. Juli hat die Welt schockiert. Es liefert dem Konflikt zwischen Moskau und Washington weiteren Zündstoff und macht die Versuche des Kremls, sich im Ukrainekonflikt zu positionieren, sehr angreifbar.
Für die internationalen Medien stand der Schuldige schnell fest: Russland. Den russischen Journalisten warfen sie vor, bei der zeitnahen und verantwortungsvollen Berichterstattung versagt zu haben. Als ginge es ihnen darum, diesen Stimmen Recht zu geben, reagierte das russische staatliche Fernsehen auf die Anschuldigungen des Westens mit zahlreichen Verschwörungstheorien und propagandistischer Rhetorik. Auf seriöse Berichte hoffte man vergeblich.
Russlands PR-Alptraum
Über die Reaktionen der westlichen Medien, einschließlich der Boulevardpresse, berichtete die Zeitung „Kommersant". Auf ihrer Facebookseite präsentierte die Zeitung die Titelseiten internationaler Medien und veröffentlichte deren Schlagzeilen und Zitate. „Schuldige werden büßen: 295 Tote – bis zu zehn Briten – wenn die Airline abgeschossen wurde", „Ukrainische Separatisten beschuldigt – USA sehen Putin beteiligt" („Daily Mail"), „Putin-Missile: Airline MH17 vom Himmel geschossen" („The Sun"), „Mörder im Himmel: Rakete zerstört Passagierflugzeug und tötet 295 Menschen" („The Guardian") und einiges mehr war in den britischen Medien zu lesen. „Kommersant" lieferte einen umfangreichen Überblick über die internationale Berichterstattung.
Der „Guardian" behauptete zudem in einer Schlagzeile, dass das Unglück der malaysischen Boeing „die Titelseiten auf der ganzen Welt, nicht aber in Russland" beherrsche. Die britische Tageszeitung weist außerdem auf die Zunahme der Verschwörungstheorien in Russlands sozialen Netzwerken und im russischen Fernsehen hin.
Ähnlich kritisiert Radio Free Europe/Liberty das staatlich kontrollierte russische Fernsehen. Dieses ringe um die abwegigsten Erklärungen des Vorfalls, die „in alle möglichen Richtungen führten – außer nach Russland und zu den moskautreuen militanten Separatisten in der Ostukraine", wie Radio Free Europe/Liberty wörtlich berichtete.
Der „Guardian" forderte Maria Alechina von der Punkband Pussy Riot auf, „die russischen Medien zu erledigen, die Putins Mitschuld an der MH17-Tragödie verschleiern". Die „Sunday Times" veröffentlichte einen Kommentar des britischen Premierministers David Cameron, der den Vorfall
um die MH17 als „eine in Moskau geplante Schandtat" deutet, die ihn schockiere und „niemals loslassen" werde. Die „New York Times" lässt den Historiker Timothy Garton Ash zu Wort kommen, Professor am European Studies Center der University of Oxford, einen Hoover Senior Fellow und Schriftsteller. Ash beschreibt die Boeing-Tragödie als Ergebnis von „Putins tödlicher Doktrin", die russische Bevölkerung im Osten der Ukraine zu schützen, und als „Scheinheiligkeit orwellschen Ausmaßes". Die Berichte im russischen Fernsehen betrachtet er als „massiv verlogene Schilderungen".
Die Zeitschrift „Foreign Policy" hält sich an Mark Galeotti, einen Professor für internationale Angelegenheiten an der New York University. Die MH17-Katastrophe stelle jetzt „die größte Herausforderung für den Kreml in seinem monatelangen verdeckten Krieg in der Ukraine dar", meint Galeotti. Sie könne ein „baldiges Ende des Krieges herbeiführen, gleichwohl nicht ohne Blutvergießen".
Der Absturz von MH17 aus russischer Sicht
Russische Zeitungen bewerten die Ereignisse ganz anders. So betrachtet Maxim Kononenko, ein Kolumnist der kremlorientierten Tageszeitung „Iswestija", den Vorfall als eine „Provokation" Russlands, wie dem Titel seiner Kolumne „Chronik einer breit propagierten Provokation" zu entnehmen ist.
Kurz nach der Tragödie war Oleg Smirnow, der Vorsitzende von Russlands Kommission für Zivilluftfahrt, im Radiosender Kommersant FM zu hören. Er machte Kiew für das Flugzeugunglück der MH17 verantwortlich. Kiew habe
auf Wunsch der EU zugesagt, die Sicherheit des Luftraums ab einer Höhe von 7 000 Metern zu gewährleisten. Die ukrainische Regierung habe in diesem Fall leichtsinnig gehandelt, lautete Smirnows scharfe Kritik an Kiew, das zivile Flüge in unsicherem Luftraum zugelassen hätte.
Am folgenden Taglud der Kommersant die ukrainische Seite zu einem Gespräch ein. Interviewt wurde Sergej Sobolew, der Kopf der ukrainischen Batkiwschtschyna-Partei. Er nahm die ukrainische Armee in Schutz, die, wie er ausführte, nicht über die Waffen verfüge, die eine Boeing erreichen könnten. Stattdessen beschuldigte er Russland und Putin, „Terroristen" zu unterstützen, die das Passagierflugzeug „offensichtlich" abgeschossen hätten.
Welche Folgen wird das Flugzeugunglück für Russland und die Ukraine haben? Wird der Kreml diesen Medienkrieg überstehen? Einen umfangreichen Überblick über die internationale Berichterstattung zu MH17 und Kommentare russischer und amerikanischer Experten finden Sie auf Russia Direct.
Russia Direct ist ein internationales Medienprojekt mit dem Fokus auf außenpolitische Analysen. Seine Premium-Dienste, etwa monatliche Analysen zu einem Schwerpunktthema und quartalsmäßig erscheinende Diskussionsschriften, sind kostenlos erhältlich, jedoch nur für Abonnenten. Mehr Informationen zum Abo finden sich hier.
Die vollständige Version dieses Beitrages finden Sie auf Russia Direct.
Alle Rechte vorbehalten. Rossijskaja Gaseta, Moskau, Russland
Abonnieren Sie
unseren kostenlosen Newsletter!
Erhalten Sie die besten Geschichten der Woche direkt in Ihren Posteingang!