Ukraine im Medienspiegel: Neue Sanktionen, alte Erkenntnisse

"Brüssel stelle Wladimir Putin faktisch vor die Wahl, entweder er gebe die nationalen Interessen auf oder er gehe auf ernsthafte Konfrontation mit dem Westen." Foto: ITAR-TASS

"Brüssel stelle Wladimir Putin faktisch vor die Wahl, entweder er gebe die nationalen Interessen auf oder er gehe auf ernsthafte Konfrontation mit dem Westen." Foto: ITAR-TASS

Der Westen beschließt neue, verschärfte Sanktionen gegen Russland – von Hoffnung auf Abmilderung der Sanktionen bis hin zu düsteren Untergangsszenarien sind die Analysen, Einschätzungen und Spekulationen in russischen Medien am 30. Juli geprägt.

Kommersant“: Russland hofft auf mildere Sanktionen

Die Zeitung „Kommersant“ meldet, dass die USA und die Europäische Union sektorale Sanktionen gegen Russland vereinbart haben. Die Länder haben sich demnach geeinigt, die Sanktionsliste zu erweitern und weitere Personen mit einem Einreiseverbot in die EU und einer Kontensperrung zu belegen. Unter Verweis auf westliche Medien berichtet „Kommersant“, dass vier große russische Wirtschaftsvertreter und drei russische Gesellschaften, darunter eine Bank, in die Liste aufgenommen worden sind. Zudem solle der Handel europäischer und russischer Unternehmen mit der Krim erschwert werden, schreibt die Zeitung. Die Länder diskutierten auch eine Erschwerung des Zugangs zu den EU-Finanzmärkten für russische Banken und die Einführung eines Waffenembargos.

Der Zeitung zufolge schätzt die EU-Kommission, dass die Russische Föderation im Falle einer Einführung von Sanktionen innerhalb von zwei

Jahren fast 100 Milliarden Euro Verlust erleiden könnte. Die Wirtschaftssanktionen müssen noch durch die EU-Mitgliedstaaten bestätigt werden. Aus diplomatischen Kreisen heiße es, schreibt „Kommersant“, dass die russische Regierung im Verlauf der Abstimmung auf höchster Ebene auf eine Abmilderung der Sanktionen hoffe. Doch im US-Außenministerium sei man sicher, dass es keine Abmilderung der Sanktionen seitens der EU geben werde, meldet die Zeitung.

 

Nesawissimaja gaseta“: Ruin für die russische Wirtschaft

Die „Nesawissimaja gaseta“ schreibt, dass sich die Wirtschaftssanktionen gegen Russland schmerzhaft auswirken könnten. Russland habe zwar Währungsreserven in Höhe von 373 Milliarden Euro, führt die Zeitung an, halte jedoch einen Großteil davon in Wertpapieren. Somit könnte Russland seiner Wirtschaft nicht einen Euro oder Dollar zur Verfügung stellen, ohne dass ein Teil dieser Transaktionen über amerikanische oder europäische Zahlungssysteme laufen würde.

Die Zeitung verweist auf den Redakteur der „Financial Times“ Wolfgang Münchau, der sagt, dass das Geld zwar den Russen gehöre, die Zahlungssysteme aber dem amerikanischen und europäischen Recht unterliegen. Im Extremfall könnte das Kapital der russischen Zentralbank eingefroren und die übrige Wirtschaft vom Kapitalmarkt abgeschnitten werden, mahnt Münchau. Auf diesem Wege, meint der Experte, könne die russische Wirtschaft innerhalb von Wochen zugrunde gehen.

Doch eine solche Situation berge auch ein Risiko für den Westen, weil sie das Vertrauen in seine Währungen untergrabe, betont die „Nesawissimaja gaseta“. Und wenngleich der Westen die Option von Sanktionen gegen Russland noch immer erwäge, so zeigten doch die politischen Spitzen der USA, Deutschlands, Frankreichs, Großbritanniens und Italiens Hoffnung auf die Möglichkeit einer Kooperation mit der russischen Führung.

 

Wsgljad“: Raketenabschuss noch immer fraglich

Die Zeitung „Wsgljad“ berichtet über neue Erkenntnisse bei den Ermittlungen zum Absturz der malaysischen Boeing in der Ukraine. Demnach meinen russische Experten, die dem internationalen Ermittlerteam angehören, dass die Informationen aus den Datenschreibern einen Raketentreffer nur indirekt beweisen.

Die Zeitung erinnert an die Aussage von Andrej Lysenko, dem Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats der Ukraine, der am Montag sagte, die Datenschreiber der malaysischen Boeing 777 wiesen auf eine massive, explosive Dekompression infolge vielfältiger Splittereinschläge durch einen Raketeneinschlag hin. Doch die russischen Experten bestehen darauf, dass die Daten der Flugdatenschreiber für ein vollständiges Bild des Vorfalls nicht ausreichen.

 

Experte“: Der Westen drängt Russland nach China

Im Magazin „Experte“ ist ein Artikel mit dem Titel „Erpresser darf man nicht bezahlen“ erschienen. Darin warnt der Autor, dass die Bereitschaft

der Europäischen Union, dem Druck der USA nachzugeben und Sanktionen gegen Russland einzuführen, sich als großer strategischer Fehler erweisen könne. Brüssel stelle Wladimir Putin faktisch vor die Wahl, schreibt der Autor, entweder er gebe die nationalen Interessen auf und streiche alle Errungenschaften der russischen Diplomatie der vergangenen Jahre oder er gehe auf ernsthafte Konfrontation mit dem Westen. „Es ist leicht zu erraten, welche Option der russische Präsident wählen wird“, heißt es im Artikel.

Die beschlossenen Sanktionen werden Europa schaden, warnt das Magazin. Gazprom bleibe zwar ein lebenswichtiger Gaslieferant nach Europa, doch die Maßnahmen hätten langfristige Folgen: „Die USA und Europa drängen Moskau immer mehr in Richtung Peking. Für China, das sich auf den Konkurrenzkampf mit den USA um Südostasien vorbereitet, ist ein Bündnis mit Russland äußerst förderlich: Russland kann das chinesische Hinterland wie auch einen ununterbrochenen Rohstofffluss für die chinesische Wirtschaft gänzlich ohne Transitrisiken sichern.“

Alle Rechte vorbehalten. Rossijskaja Gaseta, Moskau, Russland

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