Berliner Sicherheitskonferenz: Dialog für einen Klimawandel in Europa

Erfahrungen der deutsch-russischen Zusammenarbeit 1994 bis 2014 diskutierten im zweiten Podium (v.l.n.r.): Wladislaw Below, MdB Karl-Georg Wellmann, Professor Valentin Fedorow (Moderator), Professor Peter Schulze, Professor Alexey Sindejew. Foto: BAKS

Erfahrungen der deutsch-russischen Zusammenarbeit 1994 bis 2014 diskutierten im zweiten Podium (v.l.n.r.): Wladislaw Below, MdB Karl-Georg Wellmann, Professor Valentin Fedorow (Moderator), Professor Peter Schulze, Professor Alexey Sindejew. Foto: BAKS

Zwanzig Jahre nach dem Abzug der sowjetischen Truppen aus Deutschland droht eine erneute Eiszeit in den deutsch-russischen Beziehungen. Schuld daran sind unter anderem die jüngsten Entwicklungen in der Ukraine. Rund 300 namhafte Experten diskutierten auf der Berliner Sicherheitskonferenz für politischen Dialog die Sicherheit in Europa.

Vor zwanzig Jahren wurde der Abzug der sowjetischen Truppen aus Deutschland beendet. Mit den Hintergründen der damaligen Geschehnisse und aktuellen Fragen der europäischen Sicherheit beschäftigte sich am vergangenen Freitag in Berlin eine Konferenz in der Bundesakademie für Sicherheitspolitik. An ihr nahmen etwa 300 Politiker, Militärs, Wissenschaftler und Vertreter der Zivilgesellschaft aus Deutschland und Russland teil.

Angesichts der derzeitigen Ereignisse in der Ukraine und der Spannungen zwischen dem Westen und Russland sei das Stattfinden der Konferenz

durchaus nicht selbstverständlich, betonte Botschafter Hans-Dieter Heumann, Präsident der Bundesakademie. Der Truppenabzug sei jedoch ein wichtiger Bestandteil des deutschen Vereinigungsprozesses gewesen und habe erheblich zur Beendigung des Kalten Krieges beigetragen. Gerade jetzt sei es dringender denn je, zu analysieren, was seit damals schief gelaufen sei, und sich mit der gesamteuropäischen Sicherheitsordnung zu beschäftigen, so Heumann. 

 

Eine neue Eiszeit?

Von 1991 bis 1994 wurde die ehemalige Westgruppe der sowjetischen Truppen aus Deutschland abgezogen, insgesamt 338 000 Soldaten sowie Zivilangestellte und Familienangehörige. Zurückgeführt wurden auch 2,7 Millionen Tonnen Material, darunter 677 000 Tonnen Munition. Damit handelte es sich nach Meinung von Experten um die größte Truppenverlegung in Friedenszeiten. Damals beteiligte Politiker und Militärs verwiesen darauf, dass es nie ernsthafte Zwischenfälle gab und die russischen Soldaten als Freunde schieden. Der ehemalige Stabschef der Westgruppe, Generaloberst a.D. Anton Terentjew, betonte, dass der Prozess durch das hohe Niveau des Vertrauens zwischen den Staaten, vor allem Deutschland und Russland, gefördert wurde. Es hätte große Hoffnungen auf eine neue Ära in Europa gegeben, die sich aber leider nicht erfüllten, schätzte Lothar de Maizière, letzter Ministerpräsident der DDR, ein.

Botschafter Hans Dieter Heumann,

Präsident der Bundesakademie für

Sicherheitspolitik. Foto: BAKS

Die deutsch-russischen Beziehungen hätten sich zunächst sehr gut entwickelt, von einer intensiven Zusammenarbeit hin zu einer strategischen Partnerschaft, wie Wladislaw Below, Europa-Institut der Russischen Akademie der Wissenschaften, ausführte. Von 1992 bis 2013 hätte der Handelsumsatz 817 Milliarden Euro betragen. Etwa 6 400 deutsche Firmen seien im Russland-Geschäft tätig, mehr als 350 000 deutsche Arbeitsplätze davon abhängig, erläulterte Gernot Erler (SPD), Russlandbeauftragter der Bundesregierung. Leider sei es schon vor einiger Zeit zu Problemen in den Beziehungen gekommen, nicht zuletzt auch durch Fehler des Westens, der die zeitweilige Schwäche Russlands ausgenutzt habe, gestand Erler ein und führte als Beispiele die Osterweiterung von EU und Nato, die Kriege im Kosovo und Irak und das US-Raketenabwehrsystem an. Nun bestehe nach Meinung Erlers durch die Ukraine-Krise die Gefahr einer neuen Eiszeit. Die russische Politik sei unberechenbarer geworden – Wasser auf den Mühlen derjenigen, die ohnehin nicht an eine Partnerschaft glaubten. Die deutsche Politik wolle jedoch das bisher Aufgebaute nicht zerstören lassen.

Von einem nachhaltigen Bruch in den Beziehungen sprach hingegen Erlers Bundestagskollege Karl-Georg Wellmann (CDU). Russland führe Krieg in der Ukraine und habe damit auch zur Wiederbelebung der Nato beigetragen. Beide Politiker wie auch andere Konferenzteilnehmer stimmten allerdings überein, dass es nur eine politische Lösung der Ukraine-Krise geben könne. Nach Meinung des ehemaligen russischen Ministerpräsidenten Viktor Subkow handele es sich um ein innerukrainisches Problem, das nur in der Ukraine selbst zu lösen sei. Der Dialog zwischen Deutschland und Russland könne das fördern. Es dürfe nicht zugelassen werden, dass die Kiewer Regierung auf ihre eigenen Bürger schieße.

 

Wie geht es weiter in Europa?

Das Ende des Kalten Krieges sei Folge einer bewussten Politik gewesen, analysierte Professor Alexey Gromyko, Direktor des Europa-Instituts der

Viktor Subkow, Ministerpräsident a.D.,

Ko-Vorsitzender Petersburger Dialog.

Foto: BAKS

Russischen Akademie der Wissenschaften. Wichtig sei, die gegenseitigen Interessen zu beachten. Die Ukraine-Krise könne nur gemeinsam mit Russland gelöst werden, betonte auch der Bundestagsabgeordnete Fritz Felgentreu (SPD), einem Waffenstillstand müsse eine Friedensregelung folgen. Die OSZE sei dafür die geeignete Plattform. Sicherheit in Europa könne nur als gesamteuropäische Friedensordnung verstanden werden, meinte Alexander Gruschko, russischer Botschafter bei der Nato. Bisher habe die Nato das aber einzig als Sicherheit ihrer Mitglieder betrachtet. Der Westen solle endlich den Vorschlag Russlands über einen gemeinsamen Sicherheitsraum von Vancouver bis Wladiwostok ernst nehmen, forderte Professor Peter Schulze von der Universität Göttingen.

Trotz aller Streitpunkte sei die Konferenz ein Erfolg gewesen; gerade jetzt sei es wichtig, miteinander zu reden, schätzte Helmut Domke, Vorstandsvorsitzender der Stiftung West-Östliche Begegnungen, im Gespräch mit RBTH ein. Die Stiftung hatte erheblich zum Zustandekommen der Konferenz beigetragen.

 

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