Während ein Teil der Experten überzeugt ist, dass der Waffenstillstand nicht mehr als fünf Tage halten werde, spricht der andere Teil über die Chance einer politischen Regulierung der Krise auf Grundlage der Ergebnisse des Treffens in Minsk. Foto: Reuters
„Kommersant“: Abkommen für dauerhaften Frieden steht noch aus
Die russische Zeitung „Kommersant“ berichtet von Meldungen sowohl von Vertretern der ukrainischen Streitkräfte als auch von den Aufständischen, dass im Laufe des Wochenendes der am Freitag ausgerufene Waffenstillstand mehrfach gebrochen worden sei. Nichtsdestoweniger seien Russland und die Ukraine weiterhin optimistisch, dass der brüchige Frieden halte. Als ein gutes Zeichen deutet die Zeitung einen Gefangenenaustausch, der trotz kleinerer Gefechte bereits im Gange sei. Auch die Veröffentlichung des am Freitag nach dem Treffen der Kontaktgruppe in Minsk unterzeichneten Protokolls am Sonntag sei positiv zu werten.
Allerdings weisen die von der Zeitung befragten Experten auf einige Schwachstellen im Dokument hin: So sei beispielsweise nur vage von einem „Sonderstatus“ für die Regionen die Rede, auf deren Territorium die
Volksrepubliken Donezk und Luhansk ausgerufen worden sind. Der ukrainische Politikwissenschaftler Michail Pogrebinskij kommentiert in der Zeitung, Kiew wolle eine Dezentralisierung des Landes um jeden Preis vermeiden, von einer Loslösung der Volksrepubliken ganz zu schweigen. Dies sei jedoch das wichtigste Ziel der Aufständischen, weshalb ihre Führer sich auch nicht mit dem Status quo zufriedengeben würden. Ein weiterer Schwachpunkt des Protokolls ist für Progrebinskij die Forderung der ukrainischen Regierung, „illegitime bewaffnete Gruppen, Kriegsgerät sowie Kämpfer und Söldner aus der Ukraine auszuführen“. Als „illegitime bewaffnete Gruppen, Kämpfer und Söldner“ sehe Kiew dabei alle Aufständischen an. Diese würden einer solchen Forderung natürlich nicht nachkommen. Pogrebinskij resümiert: Das unterzeichnete Protokoll sei eine vorläufige Version, die allein den Zweck habe, das Blutvergießen im Osten des Landes zu stoppen und den Wiederaufbau einzuleiten. Gespräche über ein Abkommen, das beide Seiten wirklich zufriedenstellen würde, stünden seiner Meinung nach noch aus.
„Rossijskaja gaseta“: Expertenmeinungen gehen auseinander
Die „Rossijskaja gaseta“ betrachtet die möglichen Perspektiven, die sich aus dem Waffenstillstand in der Ukraine ergeben. Die Zeitung stellt dabei unterschiedliche Meinungen von Experten zu diesem Thema zusammen: Während ein Teil der Experten den Waffenstillstand als rein „technisch“ bezeichnet und überzeugt ist, dass dieser nicht mehr als fünf Tage halten werde, spricht der andere Teil über die Chance einer politischen Regulierung der Krise auf Grundlage der Ergebnisse des Treffens in Minsk.
„Moskowskij komsomolez“: Der Waffenstillstand ist bereits gebrochen
Für die Zeitung „Moskowskij komsomolez“ ist der Waffenstillstand faktisch bereits gescheitert, stattdessen seien die Kampfhandlungen in Mariupol wieder aufgenommen worden. Die Aufständischen im Osten der Ukraine
merken dabei an, dass die ukrainische Armee den Waffenstillstand äußerst effektiv nutze: Eine Verlagerung ihrer Kräfte sowie die Verstärkung ihrer Einheiten seien in vollem Gange. Die Aufständischen fordern die Anwesenheit einer Beobachtermission der OSZE in der umkämpften Region. Andrej Purgin, stellvertretender Premierminister der sogenannten Volksrepublik Donezk, sagte dazu: „Eine Garantie für den Frieden kann es nur bei einer OSZE-Beobachtermission geben. Weiterhin ist es notwendig, die ukrainische Artillerie außerhalb der Schussweite zu bringen und internationale Beobachter zu platzieren. Falls dies nicht geschieht, werden die aggressiven und schlecht lenkbaren Einheiten der Nationalgarde den Waffenstillstand immer wieder verletzen.“
„Wsgljad“: Waffenlieferungen sind eine Farce
„Wsgljad“ analysiert die Aussagen des ukrainischen Präsidenten Poroschenko darüber, dass Hightech-Waffen für die Ukraine aus fünf Nato-Ländern – USA, Norwegen, Italien, Frankreich und Polen – geliefert werden könnten. Die Zeitung kommt zu dem Schluss, dass solche Äußerungen einen in erster Linie politischen Charakter tragen, der die Umfragewerte des Präsidenten und seiner Mitstreiter vor den Parlamentswahlen stärken soll. Der Militärexperte Wiktor Litowkin bemerkt, dass „die Waffen an sich keinen Sinn haben, wenn es keine passende Munition dazu gibt – die Waffen haben bei der Nato aber ein völlig anderes Kaliber.“ Deshalb sei es notwendig, für eine aktive Verwendung der importierten Waffen die gesamte Militärproduktion komplett umzustellen, was jedoch für ein mittelloses Land wie die Ukraine ein sehr teures Unterfangen wäre.
„Gaseta.ru“: Sanktionen der Ukraine sind realistisch
„Gaseta.ru“ schreibt, die ukrainischen Behörden hätten die Absicht, den Import einer Reihe von Waren aus Russland zu verbieten, deren Umsatz
bisher 2,3 Milliarden Euro betragen habe. Dabei gehe es in erster Linie um Lebensmittel. Gleichzeitig verkündete der Ministerpräsident der Ukraine Arsenij Jazenjuk, dass sein Land „darüber nachdenkt, den Transit russischen Gases nach Europa zu blockieren“. Die von „Gaseta.ru“ befragten Experten finden, dass ein Importverbot für Lebensmittel realistisch sei, wobei dieses Verbot der russischen Wirtschaft wohl keinen größeren Schlag versetzen würde. Die Meldung über den Transitstopp bewerteten sie hingegen als einen Bluff.
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