Am 14. September finden in Moskau die Wahlen zur Stadtduma, der gesetzgebenden Versammlung der Hauptstadt, statt. Gewählt wird nach Einerwahlkreisen, das heißt pro Wahlkreis gibt es einen Sitz, der Kandidat mit den meisten Stimmen gewinnt. Die Moskauer stimmen somit über konkrete Personen ab. 273 Kandidaten kämpfen um 45 Plätze in der Stadtduma. Die Abgeordneten werden für fünf Jahre gewählt.
Grundsätzlich kann man davon ausgehen, dass die Wahlen zum wichtigsten Organ der örtlichen gesetzgebenden Gewalt in der größten Stadt des Landes von der Bevölkerung als wichtiges politisches Ereignis wahrgenommen werden. Soziologische Umfragen scheinen das zu bestätigen: Nach Angaben des Allrussischen Zentrums zur Erforschung der öffentlichen Meinung (WZIOM) wollen sich 52 Prozent der Moskauer an den Wahlen beteiligen. Die Erfahrung jedoch zeigt, dass solche im Vorfeld erhobenen Stimmungsbilder wenig über die Realität aussagen. Vor den Bürgermeisterwahlen im vergangenen Jahr etwa bekundeten 78 Prozent der Befragten die Absicht, zur Wahl zu gehen. Die tatsächliche Wahlbeteiligung lag jedoch nur bei 32 Prozent. Vieles spricht dafür, dass sie in diesem Jahr noch geringer ausfallen wird. Dennoch lohnt sich ein Blick auf ein paar Kandidaten, die sich von den Berufspolitikern abheben.
Maxim Kaz – der Alternative
Maxim Kaz kennt man als Teilnehmer der Protestbewegungen der Jahre 2011 bis 2012. Foto: PhotoXPress
Der langhaarige junge Mann bezeichnet sich selbst als „einzigen unabhängigen Kandidaten“. Faktisch stimmt das nicht, denn es gibt auch andere parteilose Kandidaten, allerdings ist hinter ihnen unschwer die eine oder andere politische Kraft zu erkennen. Kaz dagegen kennt man in der Tat als Vertreter einer parteilich ungebundenen Opposition und Teilnehmer der Protestbewegungen der Jahre 2011 bis 2012. Bei den Bürgermeisterwahlen des vergangenen Jahres arbeitete Kaz noch im Wahlkampfstab des Oppositionellen Alexei Nawalny. Gegenüber seinen vielen Kampfgenossen aus dem oppositionellen Lager zeichnet Kaz sich durch gemäßigte Anschauungen und Kompromissbereitschaft aus. Kaz ist Stadtabgeordneter und Stadtpolitiker aus Überzeugung, er engagiert sich in Projekten, die der Stadtentwicklung dienen, und verspricht, sich im Falle seiner Wahl für eine Reform des öffentlichen Nahverkehrs einzusetzen. Kaz fährt selbst auf einem Elektroroller durch die Stadt, sucht den persönlichen Kontakt zur Bevölkerung, spricht mit den Bürgern über sich und seine Pläne, gibt ihnen seine Visitenkarte. Seinen Wahlkampf finanziert er nach eigener Aussage vollständig aus Fundraising-Mitteln. „Über 2 500 meiner Anhänger haben sich an der Fundraising-Aktion beteiligt, meine Unterstützer betreiben selbst auch Wahlkampf, manche auf freiwilliger Basis, andere gegen Bezahlung“, erklärte der Kandidat.
Die Gegner des oppositionellen Stadtaktivisten sind nicht gerade politische Leichtgewichte. Im selben fünften Wahlkreis treten der einflussreiche Geschäftsmann Oleg Soroka, Kandidat der Partei Einiges Russland, und das bekannte Sprachrohr des patriotischen Lagers Sergej Baburin für die Kommunisten an. In einem Gespräch mit RBTH über den anzunehmenden Wahlausgang sagte Kaz: „Ich weiß nicht, ob es mir gelingt, mich durchzusetzen. Möglicherweise kann einer meiner Gegner auf administrative Ressourcen zurückgreifen.“
Leonid Jarmolnik – der Tierfreund
Der Schauspieler Leonid Jarmolnik ist ein enger Vertrauter des Milliardärs Michail Prochorow. Foto: Alexander Wilf/RIA Novosti
Leonid Jarmolnik muss nicht auf die Straße gehen, um sich seinen potenziellen Wählern vorzustellen. Der populäre sowjetische und russische Schauspieler ist auch so praktisch allen Bewohnern des 43. Wahlkreises im Moskauer Stadtzentrum ein Begriff. Seine Entscheidung, zur Parlamentswahl in Moskau anzutreten, traf er recht unvermittelt. Davor hatte er sich von der Politik eher ferngehalten. Seine Freundschaft mit dem Milliardär und Präsidentschaftskandidaten Michail Prochorow indes brachte
ihn der Partei Bürgerplattform nahe, die ihn nun zu ihrem Kandidaten für die bevorstehenden Wahlen zur Stadtduma ernannte.
Jarmolnik möchte auch jetzt nicht als Politiker wahrgenommen werden. Als Abgeordneter, so glaubt er, werde er jedoch mehr Möglichkeiten haben, „kluge Dinge zu tun und tatsächlich für Ordnung zu sorgen“, wie er im Fernsehsender Doschd sagte. Jarmolnik hält sich für einen „alternativen Kandidaten“. Ein Sieg des Schauspielers in seinem Wahlkreis gilt, ganz unabhängig von seinen Standpunkten, wegen seiner Bekanntheit und seines persönlichen Charmes, als gewiss. Er trifft sich regelmäßig mit Bewohnern seines Bezirks und zeigt damit, dass er sein Amt aktiv und volksnah wahrnehmen will. Einer soziologischen Befragung des WZIOM zufolge unterstützen ihn 24 Prozent der Wähler, seine nächste Gegnerin Wera Schastina dagegen vereinigt nur insgesamt zehn Prozent der Wähler hinter sich. Besondere Aufmerksamkeit will Jarmolnik im Falle seines Sieges dem Problem streunender Tiere in Moskau widmen.
Jaroslaw Kusminow – der Bildungspolitiker
Der Ökonom Jaroslaw Kusminow sieht Verbesserung des Bildungsstandards in Moskau als seine erstrangige Aufgabe. Foto: Alexej Nikolskij/RIA Novosti
Jaroslaw Kusminow, Wissenschaftler und Direktor der Moskauer Higher School of Economics, einer der russischen Elite-Universitäten, tritt ebenfalls zu den Stadtduma-Wahlen an. Er ist ein parteiloser Kandidat. So werde er, wie er meint, die besten Möglichkeiten haben, die von seinem Institut unterstützten Initiativen zu realisieren. In einem Gespräch mit RBTH legte
Kusminow dar, warum er für die Umsetzung seiner professionellen Interessen und seiner persönlichen Ambitionen das Amt des Abgeordneten der Stadtduma anstrebt: Ein Abgeordneter stehe in einem dauernden Kontakt mit den Bürgern, er sei vor ihnen rechenschaftspflichtig. Wenn also Initiativen aus dem Stadtparlament kämen, sei es gewiss, dass sie „den Interessen der Moskauer entsprechen“. Wie Kusminow betonte, werde er sich für eine Verbesserung des Bildungsstandards in den Schulen und eine Einführung allgemein verbindlicher „Moskauer Qualitätsstandards“ einsetzen, die für alle Moskauer Bildungsangebote gelten.
Nach Angaben von Kusminow arbeiten in seinem Wahlkampfstab über 40 Freiwillige, zu einem großen Teil Studenten. Wie sie sucht auch der Kandidat selbst das direkte Gespräch mit den Menschen, er diskutiert mit ihnen über ihre Probleme und sucht nach Lösungen. „Aus den Initiativen der Bürger sind bereits konkrete Projekte entstanden“, sagte Kusminow. Deren Umsetzung hat sich der Kandidat im Falle seiner Wahl auf die Fahnen geschrieben.
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