Experten: Sanktionen stärken herrschende Eliten Russlands

Putin profitiert von der Härte des Westens, meinen russische Wissenschaftler. Auf dem Bild:  Präsident des Europäischen Rates Herman van Rompuy. Foto: Reuters

Putin profitiert von der Härte des Westens, meinen russische Wissenschaftler. Auf dem Bild: Präsident des Europäischen Rates Herman van Rompuy. Foto: Reuters

Neue antirussische Sanktionen der USA und der EU könnten sich als Fehler erweisen. Trotz schwächelnder Wirtschaft stehen die Russen hinter Putins Politik. Die Härte des Westens lässt das russische Volk zusammenrücken. Russische Politikexperten erklären, wieso die Sanktionen vor allem der EU schaden.

Insbesondere die USA drängen auf weitere Sanktionen gegen Russland und fordern die Unterstützung der Europäischen Union ein. In Brüssel wird dagegen die Möglichkeit ins Auge gefasst, die Sanktionen zurückzufahren, sollte in der Ukraine Frieden einkehren. Russische Experten sind der Ansicht, dass die Sanktionen darauf gerichtet waren, die in den Augen des Westens „aggressive“ russische Politik abzustrafen und Putins öffentliches Ansehen ernsthaft zu schädigen. Doch das Gegenteil ist der Fall. Der russische Präsident ist beliebt wie nie. Die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Russland und der EU sind dagegen auf dem Tiefpunkt.

 

Georgi Ostapkowitsch – Die USA machen reine Geopolitik

Europa, das sich eher als die USA in einer von Russland abhängigen Lage befindet, will die gegen Moskau gerichteten Sanktionen „mildern“. Die Länder der EU befürchten, dass es im Ergebnis neuer wirtschaftlicher Restriktionen zu Unterbrechungen bei den Energielieferungen kommen könnte.

Das kann man so von den USA nicht behaupten. Washington hängt praktisch nicht von russischen Exporten ab. Die Politik des Weißen Hauses baut ausschließlich auf geopolitischen Überlegungen auf. Die Amerikaner treffen zwei der empfindlichsten Punkte der russischen Wirtschaft. Das sind in erster Linie Erdöl und Erdgas. Zweitens sind es die Restriktionen im Finanzverkehr. Die Kreditwürdigkeit Russlands im Westen wird herabgesetzt. Zusätzlich wirken sich die Einschränkungen bei der Lieferung von Anlagen für die Industrie aus, da für die Rüstung und für den zivilen Sektor in den Großbetrieben zu 60 Prozent mit importierten Anlagen produziert wird.

Es bleibt zu hoffen, dass die Sanktionen zurückgenommen werden, wenn die Ukraine-Krise beigelegt ist, wie Bundeskanzlerin Angela Merkel verlauten ließ. Jedoch habe ich selbst recht große Zweifel daran, dass diese Krise einen günstigen Ausgang nimmt. Eine oder zwei Verhandlungsserien werden keineswegs ausreichen, um diesen Konflikt zumindest in einen solchen Zustand zu bringen, den man als „eingefroren“ bezeichnen kann. Beide Seiten haben bereits damit angefangen, den Waffenstillstand zu brechen.

Georgi Ostapkowitsch ist Direktor des Konjunkturforschungszentrums der Nationalen Forschungsuniversität – Hochschule für Ökonomie.

 

Alexej Skopin -  Der Westen sollte die Folgen neuer Sanktionen nicht unterschätzen

Das Verhalten Washingtons bedeutet eindeutig einen Einschnitt in die wirtschaftlichen Möglichkeiten Russlands und der EU, wovon im Endeffekt allein die amerikanische Wirtschaft profitiert. Das heißt, für die amerikanische Wirtschaft hat sich ein neuer Absatzmarkt für Waffen in Europa und in der Ukraine aufgetan. Dementsprechend entstehen neue

Arbeitsplätze und wächst die US-amerikanische Wirtschaft. Die Sanktionen gegen Russland grenzen den Absatzmarkt für russische Waffenlieferungen ein, wie auch den Kreditmarkt für Moskau. Zwei Fliegen werden also mit einer Klappe geschlagen.

Ebenso wird eindeutig die Strategie verfolgt, Russland aus dem europäischen Gasmarkt herauszudrücken, indem Schiefergaslagerstätten in der Ukraine erschlossen werden. Daran hat das Weiße Haus ein gesteigertes Interesse. Russland wird kaum einen solchen Absatzmarkt verlieren wollen, was die Kontroversen noch verstärkt. Es ist jedoch nicht damit zu rechnen, dass es in den kommenden drei bis fünf Jahren möglich ist, Erdgas in der Ukraine in solchen Mengen zu fördern, dass man Lieferungen aus Russland auf dem Erdgasmarkt der EU ersetzen könnte. In Europa gibt es Staaten und Interessengruppen, die die Gaslieferungen diversifizieren wollen.

Die erste Serie der russischen Sanktionen hat gezeigt, dass sie recht kontraproduktiv war, und das sowohl für Russland, als auch für die Europäische Union. Wurde zunächst ein Anstieg der Preise für landwirtschaftliche Produkte in einer Größenordnung von 15 Prozent

prognostiziert, so sind sie in Wirklichkeit sogar um 40 Prozent nach oben geklettert, was absolut nicht hinnehmbar ist.

Die EU hat ebenfalls einen Tiefschlag auf dem Gebiet der Landwirtschaft erlitten. Allerdings, während in Russland die Verbraucher leiden müssen, sind es in der EU die Produzenten. Daher sollte man, ehe neue Sanktionen eingeführt werden, sehr genau deren Folgen bedenken. Es wäre für Moskau und für Brüssel durchaus sinnvoll, eine gemeinsame Kommission für die Lösung sämtlicher die Landwirtschaft betreffenden Fragen zu bilden. Die zweite und die dritte Welle an Sanktionen könnten unsere beiden Wirtschaften empfindlich treffen. Einschränkungen im Transitverkehr über russisches Gebiet könnten zu einer Katastrophe für die „Aeroflot“ werden.

Alexej Skopin ist Leiter des Lehrstuhls für regionale Wirtschaft und Wirtschaftsgeographie an der Hochschule für Ökonomie.

 

Alexander Sagomonyan – Die Haltung des Westens macht Putin stark

In der Geschichte hat es schon einige Beispiele dafür gegeben, die Sprache des ökonomischen Drucks der des Blutvergießens vorzuziehen. Ein Beispiel sind die Sanktionen gegen Franco-Spanien, in die unter anderem die UdSSR eingebunden war. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs erhob sich weltweit eine mächtige antifaschistische Welle. Jedoch weilten die Hauptorganisatoren der größten Tragödie in der Geschichte zu der Zeit bereits nicht mehr unter den Lebenden, und so konzentrierte sich der ganze Hass auf den spanischen Diktator General Franco. Obwohl Madrid formal nicht mal am Zweiten Weltkrieg beteiligt war, und Franco im Großen und Ganzen nicht mit Hitler und Mussolini gleichzusetzen ist, war sein Regime durch deren Unterstützung an die Macht gekommen.

Neben anderen Weltmächten forderte die UdSSR den Sturz des Franco-Regimes. Die Eliten des Landes neigten dazu, den Diktator zu stürzen und das Königreich von Don Juan de Bourbon wiederzubeleben. Im Jahre 1946 verhängte dann die UNO Sanktionen gegen das faschistische Spanien, die für das Land ein herber Schlag waren.

Bemerkenswert dabei ist ein Fakt: Sobald die ökonomischen Weichen gegen Madrid gestellt wurden, erhob sich eine Protestwelle im ganzen Land, und selbst Francos Gegner sahen in dieser Situation einen Angriff auf die

nationale Souveränität des Landes. Auf diese Weise haben die Sanktionen das Franco-Regime richtig stark gemacht, und der Diktator blieb noch weitere 40 Jahre an der Macht.

Ich will keinen Vergleich ziehen mit der Situation in Franco-Spanien und dem heutigen Russland. Allerdings rückt unser Volk angesichts der Haltung der USA und der EU enger zusammen. Russen lassen sich nicht in die Ecke drücken. Das stärkt nur die politischen Positionen der herrschenden Eliten im Lande. Das gute Rating von Putin ist ein direktes Ergebnis dieser Sanktionen. Das Volk sieht, dass Wladimir Putin sich nicht dem Druck des Westens beugt und unterstützt ihn daher wie einen starken Führer. Früher, als der Westen sein gewinnendes Lächeln zeigte und von Kooperation redete, war es um einiges gefährlicher. Russland sollte man keinesfalls frontal angreifen. Das schmiedet das Volk zusammen und stärkt die Positionen der Führung in unserem Lande.

Alexander Sagomonyan hat in Geschichte promoviert und ist Professor an der Moskauer Staatlichen Universität MGU.

Alle Rechte vorbehalten. Rossijskaja Gaseta, Moskau, Russland

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