Chodorkowski will in die Politik zurückkehren

Michail Chodorkowski startet erneut das Oppositionsbündnis Offenes Russland. Foto: Reuters

Michail Chodorkowski startet erneut das Oppositionsbündnis Offenes Russland. Foto: Reuters

Michail Chodorkowski sprach erstmals nach seiner Freilassung offen über den Wunsch, in die russische Politik zurückkehren zu wollen. Er ziehe auch die Teilnahme an den nächsten Präsidentschaftswahlen in Betracht. Der Kreml sieht bis jetzt keinen Grund, die Aussagen Chodorkowskis zu kommentieren.

Michail Chodorkowski sprach erstmals offen über den Neustart seines Projekts „Offenes Russland", mit dem er wieder in die russische Politik zurückkehren will. Die Tätigkeit der Organisation, die nach der Verhaftung des ehemaligen Yukos-Chefs eingestellt worden war, soll nun in einem neuen Format wiederbelebt werden. „Wir teilen das, was man gemeinhin als ‚westliche Werte' bezeichnet, und sind nicht mit dem gegenwärtigen politischen Kurs in Russland einverstanden", begründete Chodorkowski seine Entscheidung gegenüber der französischen Zeitung „Le Monde". Für einen effektiven Widerstand brauche es nicht noch eine politische Partei, sagte Chodorkowski, sondern vielmehr „eine horizontale Allianz vieler kleiner Gesellschaftsgruppen, die sich zu gemeinsamen Aktionen vereinigen können".

Offenes Russland plane nicht, wie Michail Chodorkowski bemerkte, als selbstständige politische Organisation an den Wahlen in Russland teilzunehmen. Das Projekt wolle jedoch „würdige" Kandidaten unterstützen. „In diesem Sinne liegt das Hauptaugenmerk von Offenes Russland auf Wahlen aller Ebenen, in erster Linie natürlich auf den Wahlen zur Staatsduma 2016", unterstrich er.

 

Chodorkowski sieht sich als Krisenmanager

Ob Offenes Russland erfolgreich sein werde, hänge stark von der Finanzierung des Projekts ab, erklärte der Generaldirektor des Zentrums für Politische Informationen Alexej Muchin gegenüber RBTH. „Es sieht so aus, dass Michail Chodorkowski persönliche Mittel für den Aufbau seiner Zivilgesellschaft aufwenden will. Aber in Russland wird dieses Geld nicht allzu lange reichen." Der Experte meint, Chodorkowski werde bald schon Drittmittel heranziehen müssen, etwa von emigrierten Oligarchen oder anderen Staaten.

Auch Walerij Solowej, Historiker an der Universität MGIMO, sieht Offenes Russland vor großen Schwierigkeiten, in erster Linie durch das Entgegenwirken der Regierung. „Schon bald wird sich ein administrativer und politischer Druck einstellen, der wahrscheinlich zum größten Problem für das neue Offene Russland wird", bemerkte der Historiker gegenüber RBTH. Eine weitere Herausforderung sei das schlechte Image von Offenes Russland und Michail Chodorkowski selbst: „Sein Ansehen ist in den Augen der russischen Bevölkerung und in der liberalen Bewegung ramponiert", betonte der Experte.

Nach der Begnadigung des ehemaligen Yukos-Chefs am 19. Dezember 2013 hatte dieser erklärt, sich eigentlich auf seine Tätigkeit als Jurist konzentrieren zu wollen. Nun sieht es so aus, dass die Pläne Chodorkowskis sich geändert haben. Gegenüber „Le Monde" sagte er, dass er nach der

Freilassung lediglich versprochen habe, sich nicht mehr um die Wiedergewinnung der Yukos-Aktiva zu bemühen, „jedoch nichts anderes". Chodorkowski fügte hinzu, dass er nicht nach der Präsidentschaft strebe, wenn Russland sich normal entwickle. „Aber wenn eine Krise überwunden und eine Verfassungsreform durchgeführt werden muss, bei der es maßgeblich um eine Umverteilung der Vollmachten des Präsidenten zugunsten der Judikative, des Parlaments und der Zivilgesellschaft geht, stehe ich zur Verfügung", erklärte Chodorkowski. In einem Interview mit der Zeitung „Wedomosti" sagte der ehemalige Yukos-Chef zudem, er sei bereit, als „Krisenmanager" zu fungieren, wenn „die Menschen in Russland bereit sind, das gegenwärtige politische System gegen ein moderneres auszuwechseln – und nicht nur die Person Putin".

 

Kreml fühlt sich offenbar noch nicht bedroht

Die russische Regierung sieht offenbar keinen Bedarf, die Aussagen von Chodorkowski zu kommentieren. „Es gibt keinen Anlass zur

Kommentierung", sagte der Pressesekretär des Präsidenten der Russischen Föderation Dmitrij Peskow auf Anfrage. Auch Walerij Solowej sieht keine ernsthafte Bedrohung für die Regierung. Er glaubt, Chodorkowski prüfe zurzeit lediglich sein Fundament. „Es ist wichtig für ihn, zu verstehen, welche Stimmungen im liberalen Lager herrschen, das nebenbei bemerkt von seinen Bestrebungen nicht gerade begeistert ist", kommentiert er gegenüber RBTH. Michail Chodorkowski versuche zudem, herauszufinden, wie groß die Unterstützung unter den russischen Eliten für eine Alternative Wladimir Putins tatsächlich ist. „Chodorkowskis Projekt ist also derzeit kein direkter Angriff, es ist mehr ein Beschuss aus der Ferne", resümiert der Experte.

Einige empören sich jedoch bereits allein über den Vorstoß des Ex-Häftlings. „Chodorkowski beginnt seine politische Karriere, oder wie er jetzt sagt, seine öffentliche Karriere, mit einer Lüge: Er hat mehrfach gesagt, er würde sich nicht wieder mit Politik befassen", sagte beispielsweise der Generaldirektor

des Zentrums für Politische Informationen Alexej Muchin gegenüber RBTH. Chordokowskij sei den Umständen nicht gewachsen gewesen, meint der Experte. „Sein wichtigstes Versprechen, die Kandidatur bei den Präsidentschaftswahlen, wird Michail Chodorkowski allerdings nicht erfüllen können", bemerkte Muchin.

Tatsächlich könnte Michail Chodorkowski den Präsidentenposten, selbst, wenn er wollte, in naher Zukunft nicht einnehmen. Im Februar dieses Jahres sind neue Korrekturen zum Gesetz über Grundgarantien des Wahlrechts in Kraft getreten. Danach dürfen Personen, die zu schweren Verbrechen verurteilt wurden, erst zehn Jahre nach Ablauf der Strafe ihr passives Wahlrecht wieder ausüben. Im Falle von Michail Chodorkowski läuft diese Frist erst in acht Jahren ab – oder früher, wenn das Gericht eine entsprechende Entscheidung fällt.

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