Der vierte Hilfskonvoi ist auf dem Weg nach Donezk und Lugansk. Foto: AFP/East News
Moskau hat den vierten Hilfskonvoi in die Ukraine geschickt. Geliefert werden neben Lebensmitteln unter anderem Materialien für den Wiederaufbau der zerstörten Infrastruktur in den Gebieten Donezk und Lugansk, wie der russische Vizeminister für Zivilschutz, Wladimir Artamonow, erklärte. Bisher hat Russland bereits etwa 6000 Tonnen Hilfsgüter geliefert, darunter Medizin, Trinkwasser, Lebensmittel, Kleidung und Stromgeneratoren.
Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko betrachtet auch diesen Konvoi als Einmischung Russlands in die Angelegenheiten seines Landes. Das Außenministerium der Ukraine kritisierte, nicht über den Start eines weiteren Hilfskonvois in den Südosten des Landes informiert worden zu sein. Juri Witrenko, stellvertretender Leiter des Departments für internationale Organisationen des ukrainischen Außenministeriums, nannte die Aktion in einer öffentlichen Anhörung im UN-Sicherheitsrat einen „erneuten Verstoß Russlands gegen die UN-Charta".
Der stellvertretende russische Außenminister Grigori Karassin hatte indes angekündigt, die Ukraine über die geplanten Hilfslieferungen in die zerstörten Regionen im Südosten des Landes lediglich in Kenntnis zu setzen, aber auf keine Genehmigung zu warten. „Wir müssen dem Südosten der Ukraine helfen, vor allem angesichts des bevorstehenden Winters. Wir haben der dortigen Bevölkerung diese humanitäre Hilfe versprochen", sagte er.
Russland plant Hilfslieferungen, keine Invasion
Tatsächlich bewege sich Russland mit den Hilfskonvois formal betrachtet auf rechtlich kompliziertem Terrain, erklärt Andrej Susdalzew, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Zentrums für komplexe Forschungen an der Moskauer Higher School of Economics. Doch der Kreml sei nicht mehr bereit, auf eine Genehmigung der Hilfslieferungen durch die ukrainische Regierung zu warten, sagt Susdalzew. Er erinnert an die Ereignisse rund um den ersten russischen Hilfskonvoi. Damals habe die Ukraine den Konvoi an der Grenze so lange aufgehalten, bis ukrainische Hilfslieferungen das Krisengebiet zuerst erreicht hätten. „Die Ukraine wollte Russland zuvorkommen", glaubt er. Seiner Meinung nach kann von einer Verletzung der territorialen Integrität der Ukraine und einer Intervention nicht die Rede sein. „Nach den Minsker Vereinbarungen können die Regierungen der selbsternannten Volksrepubliken Donezk und Lugansk mit der Russischen Föderation umfassend kooperieren. Die Entsendung des Konvois stützt sich auf rechtskräftige Vereinbarungen zwischen der Ukraine und der politischen Führung der Republiken", betont Susdalzew.
Der unabhängige Militärexperte Viktor Litowkin kann nachvollziehen, dass Russland nicht mehr bereit ist, auf eine offizielle Genehmigung der Hilfslieferungen zu warten. Das sei eine Folge der bisherigen negativen
Erfahrungen, erklärt er. Die Ukraine habe viele bürokratische Fallen gestellt, die Hilfskonvois seien immer wieder aufgehalten und überprüft worden, es hätte Drohungen gegeben, die Lieferung zu vernichten. Auch diesmal werde der Konvoi Grenzübergänge passieren müssen, die unter ukrainischer Kontrolle stehen, so Litowkin. „Die ukrainische Regierung wird das zum Anlass nehmen, Russland erneut eine Intervention vorzuwerfen. Dabei wissen die Verantwortlichen in der Ukraine sehr genau, dass die Hilfskonvois keine Waffenlieferungen enthalten", sagt er. Aber das staatliche Fernsehen in der Ukraine werde dies vermutlich anders darstellen, glaubt Litowkin.
Der vierte Hilfskonvoi wird nicht durch das Internationale Rote Kreuz begleitet werden. Das hat laut Litowkin bürokratische Hintergründe. Zudem hätte niemand die Sicherheit der Mitarbeiter des IRK garantieren können, denn noch immer fänden in diesem Gebiet Kampfhandlungen statt.
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