Iran-Verhandlungen zum Atomprogramm treten in die heiße Phase ein. Foto: Reuters
Bis zum 24. November wollen die sogenannte 5+1 Gruppe, die sich aus Vermittlern aus Russland, China, USA, Großbritannien, Frankreich und Deutschland zusammensetzt, und der Iran eine Vereinbarung über das iranische Atomprogramm unterzeichnen. Darin soll festgehalten werden, dass das iranische Atomprogramm ausschließlich friedlichen Zwecken dient. Im Gegenzug werden die gegen den Iran bestehenden Wirtschaftssanktionen gelockert. Während die technischen Einzelheiten der Vereinbarung bereits geklärt wurden, ist noch keine Einigkeit über den Umfang des Sanktionsabbaus erzielt worden, erklärte ein nicht namentlich genannter Diplomat der russischen Wirtschaftszeitung „Kommersant". Daher sei es auch verfrüht, von einem Durchbruch zu sprechen. Der Iran wünscht sich eine vollständige Aufhebung der Sanktionen, die sei jedoch „nicht realistisch", so der Informant des „Kommersant".
Insbesondere die USA würden aus innenpolitischen Gründen auf einen Abschluss der Verhandlungen bis zum 24. November drängen und die anderen Mitglieder der 5+1 Gruppe unter Druck setzen. Diese seien jedoch nicht von einem bestimmten Termin abhängig, sondern wollten verbindliche und für alle Beteiligten akzeptable Regelungen treffen. Dennoch werde man versuchen, diesen Termin einzuhalten, sagte der Diplomat.
Ursprünglich sollte eine Einigung bereits bis zum 20. Juli 2014 erzielt werden, so war es im November 2013 zwischen dem Iran und der 5+1 Gruppe vereinbart worden. Bisher wird noch über die Einzelheiten bezüglich einer Lockerung oder sogar über Aufhebung der Sanktionen verhandelt sowie über die Anzahl der Uran-Zentrifugen im Besitz des Iran.
Welche Interessen verfolgt Europa?
Wladimir Jewsejew, Leiter des Zentrums für gesellschaftlich-politische Forschungen, ist überzeugt, dass der Iran nicht bereit sein wird, die Zahl der Zentrifugen von 9 000 auf 1 500 zu reduzieren, wie es die USA fordern. Das würde das iranische Atomprogramm um zehn Jahre zurückwerfen. Er geht davon aus, dass bis zum 24. November anstelle eines umfassenden Vertragswerks lediglich eine Rahmenvereinbarung unterzeichnet werden wird. Diese Rahmenvereinbarung könnte die Verpflichtung zu einer umfassenden Außerkraftsetzung der gegen den Iran bestehenden Sanktionen beinhalten, die nicht nur wegen des Atomprogramms, sondern auch wegen der Unterstützung von Terrororganisationen in der Region verhängt worden seien, so Jewsejew. Er erinnert daran, dass das erste Paket von Sanktionen gegen Teheran bereits im Jahr 1984 geschnürt worden war, nach einem Terroranschlag der Hisbollah auf einen
Militärstützpunkt internationaler Streitkräfte in Beirut, bei dem amerikanische und französische Soldaten getötet wurden.
Erfolgversprechender wäre es nach Jewsejews Auffassung, dem Iran einen Stufenplan für eine Aufhebung der Sanktionen vorzuschlagen. Der müsste jedoch erst einmal ausgearbeitet werden. Möglichkeiten gebe es viele, sagt Jewsejew, der sich jedoch ziemlich sicher ist, was nicht Gegenstand der Vereinbarung sein wird: „Es wird keine Koordinierung von Raketen- und Atomprogramm geben. Der Iran wird in dieser Frage keine Kompromisse machen. Auch wird die Uran-Anreicherungsanlage in Fordo nicht geschlossen werden."
Der Leiter des Instituts für regionale Wirtschaft und Wirtschaftsgeografie der Higher School of Economics, Alexei Skopin, glaubt ohnehin nicht, dass es bei den aktuellen Verhandlungen um das iranische Atomprogramm geht. Er geht davon aus, dass es um Europas Interessen bei der Gasversorgung geht. „Als Gegenleistung zur Aufhebung der Sanktionen soll Teheran als neuer Lieferant einen wesentlichen Teil des Gasexports nach Europa leiten, und zwar über die von den Amerikanern gewünschten Wege. Das wird die Preise für russisches Gas in den Keller treiben", meint Skopin.
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