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Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel erklärte am Dienstag, dass die Außenminister der EU-Mitgliedsstaaten eine Reihe von Sanktionen als Antwort auf die am 2. November in den Gebieten Donezk und Lugansk abgehaltenen Wahlen vorbereiten. Nach Auffassung Brüssels widersprechen die Wahlen in den selbst ernannten Republiken dem Minsker Abkommen und machen aus der Krise in der Ukraine einen „eingefrorenen" Konflikt. Nach Medienberichten sollen mehr als zwanzig Politiker und Militärangehörige, die an den Wahlen in dieser Region beteiligt waren, auf die Schwarze Liste der Europäischen Union aufgenommen werden.
Wie die russische Zeitung „Kommersant" unter Verweis auf eine Quelle in Brüssel vermeldet, werde Europa keine neuen Wirtschaftssanktionen gegen Russland verabschieden. Die EU plane lediglich, ihre Schwarze Liste von unerwünschten Personen um die erwähnten Politiker und Militärs zu erweitern. „Zur Verabschiedung neuer Wirtschaftssanktionen bedarf es der Zustimmung aller 28 EU-Mitgliedsstaaten, was zum gegenwärtigen Zeitpunkt nahezu ausgeschlossen ist – bereits bei der Abstimmung des letzten Sanktionspakets (im September, Anm. der Red.) kam es zu ernsthaften Auseinandersetzungen", zitiert die Zeitung den Informanten. Die Regierung der Russischen Föderation habe das Wahlergebnis vom 2. November zudem nicht offiziell anerkannt, sondern die Wahlen der Bürger (der selbst ernannten Republiken, Anm. d. Red.) lediglich „respektiert", heißt es weiter zur Begründung.
Der Kreml sieht in der Abkehr der Europäischen Union von der Politik der Wirtschaftssanktionen ein positives Zeichen. „Die Erklärung Frau Merkels, so scheint mir, ist ein positives Signal dafür, dass es an der Zeit ist, den Weg der Konfrontation zu verlassen und Russland nicht länger zu isolieren – das ist sinnlos und führt zu keinem (positiven) Ergebnis, sondern vergrößert die Spannungen nur noch mehr", sagte die Vorsitzende des russischen Föderationsrats, Walentina Matwijenko. Russland, die USA und die Europäische Union sollten sich auf eine gemeinsame Lösung der internationalen Herausforderungen konzentrieren, so Matwijenko.
Der russische Außenminister Sergej Lawrow rief die Länder des Westens zudem dazu auf, von gewaltsamen und wirtschaftlichen Methoden zur Lösung von Problemen abzusehen. „Man muss nicht unbedingt die Ideen aufgreifen, die in Kiew herumschwirren, vor allem die der Notwendigkeit, die Kräfte zu konzentrieren und die Krise mit gewaltsamen Methoden zu lösen", sagte er und forderte: „Man muss die Hitzköpfe von solchen Gedanken abbringen und erreichen, dass die Verpflichtungen, die von der Kiewer Regierung übernommen wurden, im Rahmen einer politischen Regelung gelöst werden."
Die Geschichte Georgiens wiederholt sich
„Die gegenwärtige Situation erinnert an die Mitte der Neunzigerjahre, als Russland die territoriale Einheit Georgiens unterstützte", sagt der führende wissenschaftliche Mitarbeiter des Zentrums für komplexe Forschungen an der Nationalen Forschungsuniversität der Wirtschaftshochschule, Andrej Sudalzew, gegenüber RBTH. Damals hätte man in Moskau sehr gut erkannt, dass Tbilissi Abchasien und Südossetien nicht kontrollierte, und als Saakschwili versuchte, die Kontrolle über diese Gebiete mit Gewalt wiederzuerlangen, fasste der Kreml den Beschluss, Friedenstruppen zu entsenden und die Unabhängigkeit der Republiken anzuerkennen.
Sudalzew glaubt, dass Moskau eine mächtige Waffe zur Ausübung politischen Drucks auf Kiew in die Hände bekommen habe und im Bedarfsfall das Ergebnis der Wahlen in den selbst ernannten Volksrepubliken in der Ukraine anerkennen könne – was indirekt eine Anerkennung der Unabhängigkeit der Republiken bedeuten würde. „Russland wird die Zusammenarbeit mit den selbst ernannten Republiken im Rahmen des Minsker Abkommens fortsetzen. Wir werden die Wirtschaft sowie die sozialen und kulturellen Beziehungen mit dem Südosten der Ukraine ausschließlich im Rahmen der in Belarus erzielten Übereinkunft weiterentwickeln", fügt der Experte hinzu.
Das Wahlergebnis sei von Russland nicht anerkannt worden, weil die Wahlen in den sogenannten Volksrepubliken unter der Losung der „Unabhängigkeit" erfolgt seien, erklärt Alexej Arbatow, Leiter des Zentrums
für internationale Sicherheit am Institut für Weltwirtschaft und Internationale Beziehungen an der Russischen Akademie der Wissenschaften, gegenüber RBTH. „In den Minsker Protokollen ist glasklar festgehalten, dass diese beiden Gebiete der Ukraine als Bestandteil des Landes zu betrachten sind – wenn auch mit besonderen Rechten und einer gewissen Autonomie", sagt Arbatow.
Die Integrität des Staates und der Sonderstatus der Region seien im dritten und neunten Punkt des Minsker Abkommens festgeschrieben, führt der Experte aus und fügt hinzu, dass diese im Weiteren durch ein Gesetz über den Sonderstatus des Donbass legitimiert werden müssten. Am 18. Oktober hat die Werchowna Rada, das Parlament der Ukraine, einen Gesetzentwurf über die Gewährung eines Sonderstatus für die Gebiete Donezk und Lugansk verabschiedet.
„Es ist eine Sache, das Wahlergebnis zu respektieren, eine völlig andere ist es jedoch, die Wahlsieger als legitime Oberhäupter der Republiken anzuerkennen. Ein solcher Schritt würde den endgültigen Bruch mit der Ukraine bedeuten. Nach der Geschichte mit der Krim lässt Moskau sich auf so etwas nicht ein", glaubt Arbatow.
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