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„Wedomosti": Eiszeit zwischen Russland und dem Westen
Die Zeitung „Wedomosti" berichtet, dass der Graben zwischen Russland und dem Westen nach dem G-20-Gipfel noch tiefer geworden sei. Ein Dialog zwischen Moskau und Europa zur Ukraine-Krise sei erneut gescheitert.
Die Ukraine-Krise sei das Hauptthema des G-20-Gipfels im australischen Brisbane gewesen, obwohl das Thema gar nicht auf der offiziellen Agenda gestanden habe, schreibt „Wedomosti". Als wichtigste Begegnung bezeichnet die Zeitung die von der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel und Wladimir Putin. Unter Berufung auf die Aussagen eines Mitglieds der deutschen Delegation berichtet „Wedomosti", dass Merkel unzufrieden mit den Ergebnissen der Gespräche gewesen sei und, so der Eindruck des Delegationsmitgliedes, auf „Russland als strategischen Partner verzichten wird".
Charles Austin vom Rat für globale Angelegenheiten in Chicago nennt die Bundeskanzlerin tonangebend in der europäischen Diplomatie, daher sei das Treffen zwischen ihr und Putin von großer Bedeutung gewesen, so die Zeitung. Putin wollte Merkel die russische Position näher bringen und vor neuen Sanktionen gegen Russland warnen, glaubt Austin. Die Gespräche seien jedoch erfolglos gewesen, weshalb der russische Präsident vorzeitig, das heißt noch vor der Unterzeichnung des Abschlussprotokolls, abreiste, erklärt Austin in „Wedomosti". Shon Boiler von der Universität von Kalifornien sagt im Interview mit „Wedomosti", dass die bilateralen Gespräche die Beziehungen zwischen Russland und dem Westen weiter abgekühlt hätten. Grund sei die uneinsichtige Haltung des russischen Präsidenten, resümiert Boiler.
„Nesawissimaja Gaseta": Putin in der Höhle des Löwen
Die „Nesawissimaja Gaseta" geht davon aus, dass Wladimir Putin das G-20-Treffen vorzeitig verlassen habe, weil die Kritik an der russischen Politik in der Ukraine-Krise das Treffen beherrschte. Die westlichen Staats- und Regierungschefs hätten Russland wegen der Unterstützung der Aufständischen im Südosten der Ukraine wiederholt scharf kritisiert.
Die Zeitung zitiert US-Präsident Barack Obama, der die bisher gegen Russland verhängten Sanktionen „sehr effektiv" nannte und daher keine weiteren Sanktionen geplant habe. Europa hingegen wolle die Sanktionen
verschärfen. Bundeskanzlerin Merkel habe erklärt, dass die EU weitere Personen auf die Sanktionsliste setzen werde. Sie habe dabei Unterstützung vom britischen Premier Cameron erhalten, schreibt die „Nesawissimaja Gaseta".
Igor Bunin, Leiter des Zentrums für politische Technologien, kommentiert den G-20-Gipfel in der „Nesawissimaja Gaseta". Demnach ist Putin durchaus bewusst gewesen, dass er sich in einen „Tigerkäfig" begibt, wie Bunin schreibt. Einige Staaten, darunter die BRICS-Staaten, hätten sich gegenüber Russland „mehr oder weniger freundlich gezeigt", so Bunin. Die übrigen Teilnehmerstaaten hätten jedoch alles getan, „um Russland westliche Spielregeln aufzuzwingen", resümiert er.
„Kommersant": Bündnispartner setzen Frankreich unter Druck
Die russische Wirtschaftszeitung „Kommersant" berichtet ebenfalls über das G-20-Treffen. Auf der abschließenden Pressekonferenz des Gipfels hat der französische Staatspräsident François Hollande angekündigt, Frankreich werde die Entscheidung über die Lieferung von Mistral-Hubschrauberträgern an Russland „ohne Druck von außen" treffen, so „Kommersant". Allerdings hätte Frankreichs Premierminister Manuel Valls zuvor erklärt, dass „momentan für die Lieferung von Mistral nicht alle Bedingungen erfüllt sind", erinnert die Zeitung.
Frankreich habe vor dem Hintergrund der Ukraine-Krise und den gegenseitigen Sanktionen noch keinen klaren Standpunkt zu der Lieferung von zwei Hubschrauberträgern ausgearbeitet, heißt es im „Kommersant". Die französische Regierung versuche offenbar, die Entscheidung hinauszuzögern, darauf hoffend, dass in der Ukraine wieder Friede einkehre,
vermutet die Zeitung.
Noch im Sommer habe Hollande versichert, dass der Deal trotz der Ereignisse auf der Krim und im Donbass zustande kommen werde, erinnert „Kommersant". Seit Herbst stünde der französische Staatspräsident allerdings unter massivem Druck seiner Bündnispartner wie den USA, Deutschland, Polen und den baltischen Staaten, die Frankreich aufforderten, keine Schiffe nach Russland auszuliefern. Im Vorfeld des Nato-Gipfels im September verkündete Hollande zum ersten Mal, dass die zuvor vereinbarten Fristen für die Lieferung des Hubschrauberträgers nicht eingehalten werden könnten, berichtet „Kommersant".
Der „Kommersant" sieht den französischen Präsidenten in der Zwickmühle. Eine Auslieferung der Mistral-Hubschrauberträger unter aktuellen Bedingungen wäre ein Triumph für Russland. Wenn Russland andererseits eine gerichtliche Auseinandersetzung anstreben würde, um eine Kompensation für das entgangene Geschäft zu erreichen, könnte das einen schweren Schlag für die ohnehin angeschlagene französische Wirtschaft bedeuten. Der „Kommersant" kritisiert, dass Frankreich diesem Geschäft eine große politische Bedeutung beigemessen habe, anstatt es einfach still abzuwickeln.
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