Der Doppelkopfadler blickt künftig nach Osten

Die russische Außenpolitik orientiert sich zukünftig mehr nach Osten. Foto: Ramil Sitdikow/RIA Novosti

Die russische Außenpolitik orientiert sich zukünftig mehr nach Osten. Foto: Ramil Sitdikow/RIA Novosti

Russlands Außenminister Sergej Lawrow hielt in der Staatsduma eine Rede zur zukünftigen Außenpolitik. Man wolle mit dem Westen im Gespräch bleiben, doch Priorität habe zukünftig der Osten. Russische Experten kommentieren Lawrows Rede.

Der Außenminister der Russischen Föderation Sergej Lawrow hielt eine Rede vor der Staatsduma. Darin erklärte er, Russland müsse die Zusammenarbeit mit westlichen Partnern bei Problemen mit internationaler Bedeutung und in der Lösung der Ukraine-Krise fortsetzen. Gleichzeitig aber betonte er, dass für Russland zukünftig die Kooperation mit asiatischen und afrikanischen Staaten sowie den Ländern der GUS Priorität habe. Insbesondere wolle Russland die Zusammenarbeit mit den übrigen BRICS-Staaten intensivieren. RBTH bat russische Experten um ihre Meinung zur neuen russischen Außenpolitik.

 

Dmitrij Polikanow: Die USA wollen Putin stürzen

„Die Rede des Außenministers in der Staatsduma fasst noch einmal die zuvor bereits von Präsident Putin und auch Lawrow selbst getroffenen Feststellungen zusammen. Die Krise wird andauern, da der Höhepunkt der Anspannung in der Beziehungen zwischen Washington und Moskau noch nicht erreicht wurde. Offensichtlich hat das US-amerikanische Establishment das Ziel, in Russland einen Regierungswechsel herbeizuführen, daher zeigen sich die USA nicht im Mindesten kompromissbereit. Das erinnert an die russische Politik im Hinblick auf Georgien zur Zeit der Saakaschwili-Regierung. Damals war der Kreml nur zu Zugeständnissen bereit, wenn Saakaschwili abgelöst wird. Die USA handeln heute ähnlich. Das ist nicht konstruktiv, sondern emotional. Davon ist auch die Kooperation in Bereichen betroffen, in denen gemeinsame Interessen berührt werden."

Dmitrij Polikanow ist Vizepräsident des PIR-Zentrums.

 

Tatjana Parchalina: Der Dialog mit Russland ist von zentraler Bedeutung für den Westen

„Lawrows Auftritt hat gezeigt, dass Moskau und Brüssel Kompromisse eingehen müssen, damit diese Neuauflage des Kalten Krieges nicht zu einem heißen Krieg führt. Der G-20-Gipfel in Brisbane hat gezeigt, dass die Drohungen westlicher Staatschefs, sich Russland „zur Brust zu nehmen", nicht umgesetzt wurden. Stattdessen wurde dem russischen Präsidenten weiter die Hand gereicht. Das zeigt, wie wichtig der fortgesetzte Dialog mit Russland für den Westen ist. Den Westen ärgert mehr, dass Moskau nicht bereit ist, die eurozentrischen Spielregeln einzuhalten, die nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion entstanden sind, sondern neue aufgestellt hat, die von einer multipolaren Weltordnung ausgehen."

Tatjana Parchalina ist Direktorin des Zentrums zur Erforschung der Europäischen Sicherheit bei der russischen Akademie der Wissenschaften.

 

Wladimir Kosjulin: Russlands Orientierung nach Asien ist von der Ukraine-Krise unabhängig

„Die Äußerungen der russischen Regierung, darunter auch die von Lawrow in der Staatsduma, über die Verstärkung der Kooperation mit asiatischen Ländern sollte man nicht als Folge der Ukraine-Krise und einer schnellen

Umorientierung Moskaus von West nach Ost verstehen. Russland konnte aufgrund offensichtlicher wirtschaftlicher Gründe nach dem Zerfall der UdSSR die Zusammenarbeit mit Asien nicht sofort ausbauen und orientierte sich daher zunächst nach Europa. Die asiatischen Länder hatten damals außerdem auch ein anderes wirtschaftliches und politisches Gewicht in der Weltarena. Doch die Erstarkung Chinas führte zu einer neuen Lage sowohl in der asiatischen Region als auch in der Außenstrategie Russlands.

Beim APEC-Gipfel in Wladiwostok 2012 kündigte die russische Regierung an, die Zusammenarbeit mit Asien zu vertiefen. Partnerschaftliche Beziehungen zu Zentralasien, China und Indien waren aber bereits lange vorher aufgebaut worden. Die Neuausrichtung der russischen Außenpolitik ist ein normaler Prozess, das sollte man nicht dramatisieren. Europa wird für den Kreml immer Priorität haben, aber ganz wie es das russische Wappentier, der Doppelkopfadler, der sowohl nach Westen als auch nach Osten blickt, andeutet, wird sich die russische Politik in beide Richtungen orientieren."

Wladimir Kosjulin ist Politologe und Professor an der Akademie für Militärwissenschaften.

 

Jewgenij Petelin: Russland ist zu passiv gegenüber chinesischen Investoren

„Peking sucht nach neuen Partnern, um seine Position gegenüber dem Westen zu stärken. Die BRICS-Staaten sind in dieser Hinsicht attraktiv.

China kooperiert wirtschaftlich und politisch im Format Russland-Indien-China (RIC) und Brasilien-Südafrika-Indien-China (BRICS-Staaten). Russland ist für China ein wichtiger strategischer Partner und ein gewichtiges Argument in der Konfrontation mit den USA. Peking will mit Moskau zusammenzuarbeiten, doch oft fehlen konkrete und sichere Investitionsprojekte. Es gibt einzelne, punktuelle Projekte in Russland im Energiebereich, in die Peking aktiv investiert, aber von einem Ansturm der chinesischen Investoren kann keine Rede sein. Dazu ist Russland zu passiv. In Russland, und besonders im Fernen Osten und in Westsibirien, erwartet man, dass die Chinesen fertig ausgearbeitete Projekte einfach nur noch umsetzen."

Jewgenij Petelin ist Politologe und Dozent an der Higher School of Economics.

 

Stanislaw Pritschin: Die kaspische Region ist für Russland wichtig

„Lawrow hat in der Staatsduma von der kaspischen Region gesprochen und diese als sehr wichtig bezeichnet. Dort war die russische Politik immer die des Angriffs. Das Treffen der Staaten der kaspischen Region Ende September in Astrachan, das vor dem Hintergrund der verschärften Lage im Osten der Ukraine abgehalten wurde, hat gezeigt, dass die Staaten dieser Region weiterhin zusammenarbeiten wollen, unabhängig von der Außenlage. Die Turbulenzen in den Beziehungen zwischen Russland und dem Westen waren für Moskau politisch vorteilhaft im Hinblick auf zukünftige Kooperationen mit Staaten wie dem Iran."

Stanislaw Pritschin ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts für Asienkunde an der Russischen Akademie der Wissenschaften.

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