Experten halten Putins Aussagen für eine gezielte Provokation. Foto: TASS
Am Montag sorgte eine Äußerung von Wladimir Putin über die Streitkräfte der Ukraine für internationale Aufregung. Wörtlich sagte der russische Präsident: „Im Grunde ist das keine Armee mehr. Es ist eine ausländische Legion, in diesem Fall eine ausländische Nato-Legion, die natürlich nicht die nationalen Interessen der Ukraine verfolgt." Es gebe dort ganz andere Ziele und diese seien verbunden mit geopolitischen Überlegungen, Russlands Einfluss zu beschränken. „Das hat mit den Interessen des ukrainischen Volks überhaupt nichts zu tun", fügte der Präsident hinzu. Noch am selben Tag kommentierte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg in Brüssel die Aussagen Putins und nannte sie einen „Humbug".
Russischen Experten zufolge wollte Putin ein weiteres Mal unterstreichen, dass die ukrainische Politik nicht eigenständig handle. „Natürlich kämpfen die ukrainischen Streitkräfte nicht unter der Flagge der Nato, aber Putin wollte betonen, dass die ukrainische Regierung faktisch nicht die eigenen Interessen vertritt, sondern den USA als Richtungsweiser folgt", erklärt der Vizepräsident des Instituts für Nationalstrategie Wiktor Militarjow im Gespräch mit RBTH. Nach Ansicht des Experten wollte Putin ausdrücken, dass die Nato und in erster Linie die USA „das Kiewer Regime und seine Streitkräfte für Provokationen gegenüber Russland" nutzten.
Iosif Diskin, Ko-Vorsitzender des Instituts für Nationalstrategie, ist von einer ähnlichen Annahme überzeugt. Seiner Ansicht nach wollte Putin hervorheben, dass die USA mithilfe der ukrainischen Streitkräfte und Freiwilligenbataillonen versuche, einen Keil zwischen Russland und Europa zu schlagen. Die Motivation dahinter sei jedoch, dass die USA die globale Konkurrenzfähigkeit der EU schwächen wolle, so der Experte.
Gleichzeitig habe der Präsident Russland mit seinen Worten unfreiwillig als Konfliktpartei bloßgestellt, findet der Militärexperte und Chefredakteur der oppositionellen Onlinezeitung „Jeschednewnyj Schurnal" (zu Deutsch - "Tageszeitschrift") Alexander Golz. „Die Kampfhandlungen werden auf ukrainischem Boden geführt, nicht in Russland. Wenn das Ziel der Kampfhandlungen eine Eingrenzung Russlands ist, und so scheint es der russische Präsident zu sehen, gegen wen kämpfen wohl dann die Freiwilligenbataillone?"
Russische Experten stellten in den Aussagen des Präsidenten eine ungewöhnliche Härte fest, die es in früheren Ansprachen Putins nicht gegeben hätte. Das russische Staatsoberhaupt habe sich diesmal „maximal hart" geäußert, findet etwa Militarjow. Und Putin verfolge anscheinend ein
konkretes Ziel dabei: Der Politologe sieht in den Aussagen des Präsidenten, die Ukraine sei unselbstständig, einen Aufruf an Washington, Gespräche zur Ukraine-Krise aufzunehmen. Militarjow glaubt, dass der an die USA gerichtete Aufruf zu direkten Verhandlungen deshalb erfolgt sei, weil Friedensinitiativen in Vermittlungsformaten mehrmals blockiert wurden.
Mit dieser Interpretation ist Iosif Diskin grundsätzlich einverstanden. Er glaubt aber, dass der Adressat des Aufrufs nicht Washington, sondern Brüssel gewesen sei. „Das sollte ein Signal an die EU sein, über ihre Interessen nachzudenken und eine Politik zu verfolgen, die nicht von der halbmythischen transatlantischen Solidarität geleitet wird, sondern von den Interessen der EU", meint der Experte.
Doch nicht alle wollen in den Worten Putins eine Geste sehen, die gen Westen gerichtet war. Nach Ansicht des Journalisten Golz drückt die Ansprache des russischen Präsidenten seine Verärgerung darüber aus, dass der Konflikt nicht im Rahmen des Normandie-Formats gelöst werden konnte. So hätte man einen Beitritt der Ukraine zur Nato verhindern können.
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