Außenminister Sergej Lawrow nannte Obamas Äußerungen „eine Bestätigung, dass die USA von Anfang an direkt in diesem Regierungsputsch involviert waren. Foto: Reuters
In einem Interview mit dem Nachrichtensender CNN äußerte sich der US-amerikanische Präsident Barack Obama zur Ukraine-Krise und bestätigte aus Sicht vieler Russen das, was sie schon immer vermutet haben: Die USA haben den Machtwechsel in Kiew forciert. „Putin hat seine Entscheidung zur Krim und Ukraine gefällt – nicht auf der Grundlage einer großen Strategie, sondern vor allem weil er von den Protesten auf dem Maidan überrascht wurde und von Janukowitschs Flucht, nachdem wir ein Abkommen zum Machtwechsel in der Ukraine ausgehandelt hatten“, sagte er dem TV-Sender.
Obamas Äußerungen erhielten prompt viel Aufmerksamkeit in der Russischen Föderation. Außenminister Sergej Lawrow nannte sie „eine Bestätigung, dass die USA von Anfang an direkt in diesem Regierungsputsch involviert waren, den der Präsident so neutral als Machtwechsel bezeichnete“. Die staatliche Nachrichtenagentur RIA Nowosti
titelte auf ihrer Internetseite: „Obama gesteht das Offensichtliche: Maidan ist eine Tat Washingtons“. Der Verfasser des zugehörigen Artikels unterstellt darin, Barack Obama habe „zugegeben, dass der Staatsstreich (…) mit unmittelbarer organisatorischer und technischer Beteiligung der USA durchgeführt wurde“.
Sergej Micheew, Direktor des Zentrums für politische Konjunktur, teilt diese Sichtweise. Obama habe nun lediglich das zugegeben, „was ohnehin alle wussten“, sagt er. „Die Amerikaner unternahmen große Anstrengungen, damit der Maidan in Kiew stattfinden und wie ein gewaltsamer Machtwechsel, unter verschärfter Gewalt und mit dem Risiko eines eskalierenden Konflikts mit Russland verlaufen konnte“, erklärt Micheew gegenüber RBTH.
Obamas Formulierung, dass es sich dabei um ein „Abkommen“ gehandelt habe, nennt Micheew „hinterlistig“. Seiner Meinung nach seien die USA der Drahtzieher, die USA würden „alles lenken“. Der Politologe betont, dass die USA an der Aushandlung des Abkommens zu einer friedlichen Regelung der Ukraine-Krise am 21. Februar 2014 nicht beteiligt gewesen seien. Die formalen diplomatischen Friedensbemühungen seien nach Micheews Ansicht lediglich auf die Europäer zurückzuführen. Sie seien jedoch zum Scheitern verurteilt, weil die USA den Prozess steuerten, mit dem Ziel Russland und Europa auf Kosten der Ukraine auseinander zu dividieren.
Überschätzt Obama die Rolle der USA?
Andrej Kortunow, Generaldirektor des Russischen Rats für internationale Angelegenheiten, nannte es hingegen „lächerlich anzunehmen, der US-amerikanische Präsident würde erklären, dass sein Land sich an einem Staatsstreich beteiligt hat“. Seiner Meinung nach wollte Obama vielmehr zum Ausdruck bringen, dass die USA gemeinsam mit einigen europäischen Staaten an der Ausarbeitung eines Kompromisses zwischen Janukowitsch und der Opposition gearbeitet haben.
Kortunow weist ebenfalls darauf hin, dass Washington an den offiziellen Verhandlungen zur Lösung der Ukraine-Krise nicht teilgenommen hat, obwohl die USA inoffizielle Kontakte zu den Konfliktparteien unterhielten. Daher findet der Experte, dass Obama die Rolle der USA überbewerte. Das erklärt er sich folgendermaßen: „Einerseits können die USA nicht zugeben, dass sie am Machtwechsel beteiligt waren. Andererseits wäre es eine unangenehme Situation für die amerikanische Diplomatie, die Sache so darzustellen, als ob die amerikanische Beteiligung marginal und unbedeutend wäre.“
Seiner Meinung nach haben die russischen Medien Obamas Aussage entsprechend der russischen Interpretation der Ereignisse in der Ukraine umgedeutet. „Die Amerikaner haben niemals ihre Beteiligung an einem Staatsstreich zugegeben, selbst wenn diese Tatsache offensichtlich war. Und niemand wird das jemals tun“, ist Kortunow überzeugt.
Maxim Bratewskij vom Zentrum für Europäische Studien an der Moskauer Higher School of Economics empfiehlt ebenfalls, den US-amerikanischen Präsidenten nicht beim Wort zu nehmen. „Es ist eher ein metaphorischer Ausdruck für die amerikanische Führung in diesem Konflikt“, erklärt er und betont, dass die Worte des amerikanischen Präsidenten sich nicht an die Folge von Ereignissen binden lassen, an denen Washington offiziell nicht beteiligt war.
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